Wie wäre es, wenn Schüler von Lehrern unterrichtet würden,
zusätzlich aber noch von einem rüstigen Senior betreut? Die Pro
Senectute Freiburg hat im Jahr 2009 genau das in mehreren Gemeinden
ausprobiert und bemerkt: In den Schulen entsteht eine Win-win-Situation.
Behörden werfen Senioren aus dem Klassenzimmer, Blick, 19.6. von Flavio Razzino
Lehrer werden seither von
Senioren in Fächern wie Deutsch oder Französisch, aber auch im Werkunterricht
entlastet. Die Schüler bekommen eine individuelle Betreuung. Und die
rüstigen Senioren haben auch nach der Pension eine sinnstiftende Beschäftigung.
Senioren – ein «Sicherheitsrisiko»
Damit ist plötzlich Schluss. Denn die Erziehungsdirektion des Kantons Freiburg sieht Senioren an Schulen neuerdings als Sicherheitsrisiko und verbietet darum ihren regelmässigen Einsatz im Klassenzimmer. Das berichteten die «Freiburger Nachrichten».
Jean-Marc Gropp, Direktor von Pro Senectute Freiburg, hat 2009 das Projekt im Schulhaus Berntor in Murten initiiert und ist über diese Entscheidung schockiert. Letzte Woche musste er die Senioren darüber informieren, dass sie nach dem Sommer nicht mehr erwünscht seien.
Gesetz ist nicht das Problem
Es ist Staatsrat Jean-Pierre
Siggen (CVP), der ihnen einen Strich durch die Rechnung macht. Für Fragen
von Medien schickt er jedoch Andreas Maag vor, Vorsteher des Amtes für den
obligatorischen deutschsprachigen Unterricht. Gegenüber Pro
Senectute rechtfertigte er den Schritt mit dem kantonalen Schulgesetz. Das
Projekt sei damit nicht vereinbar. Diese Aussage relativiert Maag nun aber
im BLICK. «Das Schulgesetz macht das Projekt nicht unmöglich», räumt er ein.
Der wahre Grund: «Das
Generationenprojekt sieht, anders als 2009 angekündigt, einen regelmässigen
Einsatz von Senioren in der Schule vor – das bedarf aber unserer Bewilligung.
Und wir sind zum Schluss gekommen: Zum Schutz der Kinder und des Rufes der
Schulen im Kanton können wir das nicht weiter dulden», sagt Maag.
Senioren könnten plaudern
Kinder vor Senioren
schützen? Tatsächlich meint Maag das ernst. «Immerhin erfahren die
Senioren im Schulalltag vieles von den Kindern und deren Lebensumständen. Und
es besteht das Risiko, dass sie das ausserhalb der Schule ausplaudern
gehen. Zudem müssen wir Kinder auch vor möglichen Übergriffen von Senioren
schützen.»
Das Projekt könnte auch den
Eindruck vermitteln, dass es für das Unterrichten von Kindern keinerlei
Ausbildung brauche, wenn da nun auch Senioren mitwirken können. «Die Senioren
schaden so unserem Image», sagt Maag darum.
«Chef bleibt die Lehrperson»
Hören das Senioren wie Rita
Testa (77) oder Robert Etzensberger (77), können sie nur den
Kopf schütteln. «Ich bin kein Lehrerersatz, sondern bloss eine helfende
Hand», sagt die pensionierte Treuhänderin Testa zu BLICK. Seit 2009 hilft
sie in der Schule Murten im Unterricht mit. Genauso wie Etzensberger, gelernter
Maschinenmonteur. «Ich helfe im Werkunterricht mit und schaue, dass den
Schülern an den Maschinen nichts passiert – oder gebe Tipps, wenn die gewünscht
sind.»
Für Testa ist klar: «Auch
wenn wir mithelfen – der Chef im Klassenzimmer ist und bleibt die Lehrperson.
Und über die Schweigepflicht sind wir von Anfang an informiert worden und wir
nehmen sie ernst.»
Auch Jean-Marc
Groppo von der Pro Senectute hält die Begründung des Kantons für
schockierend. «Es gibt seit zehn Jahren nur positive Rückmeldungen aus den
Schulen – und nie Probleme mit Senioren.»
«Absolut unverständlicher
Entscheid»
Das bestätigt auch Isabelle
Pfister (38). Sie ist Klassenlehrerin an der Primarschule in Murten und
arbeitet mit Senior Robert Etzensberger im
Werkunterricht zusammen. «Ich finde das Projekt wunderbar und die Schüler
profitieren enorm von der Mitwirkung der Senioren. Was da der Kanton
entschieden hat, ist für mich absolut unverständlich», sagt sie. Amtsvorsteher
Andreas Maag zeigt sich ob der Kritik aber unbeeindruckt. «Wir stehen zu
diesem Entscheid», sagt er.
Auch in anderen Kantonen
sind Senioren zusammen mit Lehrern in Schulzimmern im Einsatz. Gegenüber BLICK
bestätigen die Erziehungsdirektionen der Kantone Bern, Luzern, Zürich, St.
Gallen und Basel-Stadt jedoch unisono, dass sie absolut keine rechtlichen
Bedenken hätten. Nur Freiburg stellt seine Senioren vor die Tür!
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