Geschlagene drei Stunden diskutierte der Grosse Rat
über die neuen Führungsstrukturen der Aargauer Volksschule, die vorsehen, dass
die Schulpflegen auf das Jahr 2022 abgeschafft werden. Die Gesamtverantwortung
für die Schule soll dann an die Gemeinderäte übergehen. Die Schulleitung wäre
mit dem Modell für die operative Führung verantwortlich und direkt dem
Gemeinderat unterstellt.
Aargauer Schulpflege soll abgeschafft werden - und Verantwortung an Gemeinderäte übergehen, Aargauer Zeitung, 19.6. von Jörg Meier
Die erste Stunde gehörte der Gruppe von rund 15
Grossrätinnen und Grossräten, die in einer konzertierten Aktion versuchten, den
Rat dazu zu bewegen, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten. Denn sie
halten den Verzicht auf die Schulpflege für falsch und schädlich für die
Qualität der Volksschule. Sie verlangen nicht Abschaffung, sondern die Stärkung
des Organs.
So fand Rolf Haller (EDU) klare Worte: «Wer dem
Irrglauben verfallen ist, dass die Gemeinderäte die nötigen Ressourcen für die
Betreuung der Schulen aufbringen können, ist auf dem Holzweg.» Man könne zudem
weder Kosten sparen noch Abläufe vereinfachen. Colette Basler (SP) fürchtete,
dass kleine Gemeinden die neuen Aufgaben gar nicht alleine stemmen können und
zu Schulfusionen gezwungen werden. Karin Koch (CVP) sah negative Auswirkungen
auf die Rechtsstellung der 74 000 Aargauer Schulkinder und ihrer Eltern.
Kritik an der Vorlage
Aus Sicht des Schulleiters argumentierte Marco
Hardmeier (SP): Der Systemwechsel bringe eine Mehrbelastung der Schulleitungen,
das Berufsprofil werde sich zwangsläufig weg von der pädagogischen Führung in
Richtung Jurisprudenz verändern. Harry Lütolf (CVP) hatte recherchiert. Sein
interkantonaler Vergleich zeigt, dass schweizweit kein Trend zur Abschaffung
von speziellen Schulbehörden auszumachen sei; der Aargau sei da wohl
einzigartig. Und Maya Bally (BDP) berief sich auf Napoleon, der vor 200 Jahren
gesagt habe, jedes Kind habe Anrecht auf Bildung, egal ob arm oder reich. Die
Schulpflege habe dies bisher garantiert. «Die Abschaffung der Schulpflege ist
klar ein Abbau von Demokratie», sagte Bally.
Bildungsdirektor wehrt sich
Auch Ruth Müri (Grüne) berief sich auf Napoleon.
Allerdings ganz anders als Bally: In den letzten 200 Jahren habe sich die Welt
verändert, sagte sie, und was Napoleon damals gefordert habe, sei heute auch
ganz gut ohne Schulpflege möglich, die es seit 1835 in dieser Form gibt. Die
Fraktionen von SVP, FDP, CVP und SP sprachen sich klar gegen die Rückweisung
aus. Bildungsdirektor Alex Hürzeler wehrte sich gegen den Vorwurf
«Demokratieabbau». Via Gemeindeversammlung und Wahlen könnten die
Stimmberechtigten sehr wohl direkten Einfluss auf die Schule nehmen. Und an die
Adresse der Skeptiker der neuen Regelung sagte Hürzeler: «Unterschätzen Sie die
Leistungsfähigkeit der Gemeindeverwaltungen nicht!»
Mit 104 Ja- gegen 25 Nein-Stimmen beschloss der Rat
schliesslich, die Vorlage zu behandeln.
Prüfantrag angenommen
In der Beratung verlangte Sabina Freiermuth (FDP),
dass nochmals geprüft werden soll, ob Erziehungsrat und
Berufsbildungskommission zu einer Kommission zusammengelegt werden könnten. Ihr
Prüfungsantrag wurde jedoch vom Rat deutlich abgelehnt. Einen Antrag von Harry
Lütolf (CVP) nahm hingegen Bildungsdirektor Hürzeler entgegen. Lütolf verlangt,
dass nochmals genau geprüft wird, welche Aufgaben der Gemeinderat als
Schulbehörde delegieren kann und welche nicht. Zum Beispiel, wenn es um
Kündigungen geht.
Wuchtig abgelehnt wurde auch ein weiterer
Prüfantrag, der verlangte, dass die für die Schule zuständige Person im
Gemeinderat vom Volk gewählt werden müsse.
Schliesslich hiess der Grosse Rat die neuen
Führungsstrukturen der Aargauer Volksschule inklusive Abschaffung der
Schulpflege in erster Lesung mit 99 gegen 16 Stimmen gut. Die zweite Lesung
folgt im Herbst. Ob die Schulpflege dann aber auch tatsächlich verschwinden
wird, das entscheiden die Aargauerinnen und Aargauer im Frühjahr 2021 an der
Urne.
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