Die
Leistungsgesellschaft fordert ihre Opfer, und viele landen bei der Basler
Familien-, Paar- und Erziehungsberatung (Fabe). Dem Geschäftsbericht des Jahres
2018 ist zu entnehmen, dass die Zahl derjenigen mit Problemen in der Schule
oder in der Ausbildung zugenommen hat. 2017 waren es 191 junge Menschen, die in
diesem Bereich Hilfe suchten, vergangenes Jahr waren es bereits 223.
Fabe-Geschäftsführer Renato Meier bestätigt, dass die Schulprobleme immer mehr
zum Thema werden. Dabei seien alle Schulstufen betroffen – auch vermeintlich
starke Schülerinnen und Schüler des Progymnasiums würden vermehrt unter dem
Druck leiden, der im Schulsystem aufgebaut werde.
Den ganzen Stress in der Schule lassen, Basellandschaftliche Zeitung, 20.6. von Leif Simonsen
Kriens ist vorgeprescht
Meier
wartet mit einer Forderung auf, die bei Pädagogen schon länger kontrovers diskutiert
wird: «Um den Druck auf die jungen Schüler etwas zu lösen, sollte man die
Hausaufgaben streichen», sagt er. Dafür gäbe es mehrere Gründe. Zum einen
würden die Hausaufgaben den Graben zwischen den unterschiedlichen
Gesellschaftsschichten zementieren: auf der einen Seite die Akademikerkinder,
die in enger Begleitung der Eltern die Hausaufgaben erledigen können oder gar
in irgendwelche Lerncenter geschickt werden. Auf der anderen Seite diejenigen,
die von den Eltern gar keinen Support bekommen.
Fast wichtiger ist für Meier
aber die Tatsache, dass den Kindern und Jugendlichen heute kaum Freizeit
bleibt. Wer im Sport leistungsfähig sein wolle, der müsse fast jeden Abend ins
Training gehen. Ein ähnliches Pensum müssten ehrgeizige Musik-Talente absolvieren.
«Für ein paar wenige ist es machbar, aber sehr viele leiden darunter», sagt
Meier. Wenigstens etwas Qualitätszeit erhofft er sich davon, wenn die
Hausaufgaben gestrichen würden. «Nach Hause kommen und einfach mal Zeit mit der
Familie verbringen. Das fehlt vielfach», stellt Meier fest.
Die Idee,
Hausaufgaben aus dem Pflichtenheft der Volksschule zu streichen, ist nicht neu.
Die Krienser Primarschüler müssen seit diesem Jahr keine Ufzgi mehr machen. Den
Ausschlag für diesen Entscheid gab gemäss der Krienser Bildungsvorsteherin
unter anderem die Tatsache, dass die Kinder mit ihrer freien Zeit etwas
anzufangen wüssten. In der «Luzerner Zeitung» sagte sie: «Wir müssen uns
fragen: Dürfen wir als Schule diese knapp bemessene Freizeit mit Hausaufgaben
füllen?» Freizeit sei sehr wichtig. «Wir sind überzeugt, dass Kinder auch in
der freien Zeit sehr viel lernen. Das wollen wir stärker gewichten.»
Das Thema
Hausaufgaben wird auch in Basel immer wieder diskutiert, aber bislang nur auf
einer informellen Ebene unter Lehrern oder Eltern. Dass nun eine Institution
wie Fabe zum Hausaufgaben-Stopp aufruft, dürfte der öffentlichen Diskussion
einen neuen Schub verleihen. Fabe ist mit den psychischen Problemen von
Schülern konfrontiert – es besteht hier also nicht der Verdacht, dass es sich
um das Lamento fauler Kinder handle.
Nicht alle die gleichen Ufzgi
Im Basler
Erziehungsdepartement stösst die Forderung gleichwohl nicht auf Begeisterung.
Volksschulleiter Dieter Baur hält nichts von einem grundsätzlichen
Hausaufgabenverbot; erst recht nicht auf Sekundarstufe. «Nehmen wir die
deutsche Literatur zum Beispiel – da müssen die Kinder eben die Bücher in der
Freizeit lesen.» Es sei dies auch eine Vorbereitung fürs Danach – spätestens in
der Berufsausbildung oder im Studium müssten die Schüler wissen, wie sie sich
selbstständig für die Prüfungen vorzubereiten hätten. Baur aber tendiere dazu,
Hausaufgaben zu erteilen, bei denen die Schülerinnen und Schüler nicht alle
dasselbe lernen oder ausführen müssten – dass die Ufzgi also den individuellen
Fähigkeiten, der Altersgruppe und den sozialen und familiären Möglichkeiten
angepasst werden. Kurzum: «Sowohl radikal keine wie auch radikal immer
Hausaufgaben zu geben, ist selten eine gute Lösung», findet Baur.
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