30. Mai 2019

Mehrsprachendidaktik liefert klägliche Resultate


Vielleicht ist es auch nur Zufall: Bei den nationalen Vergleichstests, die am Wochenende für Aufregung gesorgt haben, schneidet der Kanton Tessin unter jenen, die Französisch als erste Fremdsprache haben, am besten ab.Es ist dies der einzige Kanton, der in seinen Primarschulen zum Zeitpunkt der nationalen Vergleichstests nicht auf das Lehrmittel «Mille feuilles» gesetzt hat. 
Frühfranzösisch-Lernziele verpasst, Basler Zeitung, 29.5. von Thomas Dähler


Schlechter abgeschnitten haben alle Kantone, die seinerzeit mit dem Passepartout-Vertrag das gemeinsame Fremdsprachenkonzept beschlossen haben, das auf der umstrittenen Mehrsprachendidaktik aufbaut. Die Testergebnisse dieser Kantone zum Abschluss der Primarschule fallen auch im Vergleich zu den Kantonen mit Frühdeutsch oder Frühenglisch deutlich ab. Beim Leseverstehen erreichen in den Passepartout-Kantonen bloss 65,2 Prozent die geforderten Grundkompetenzen. In denKantonen mit Frühdeutsch sind es 71,6 Prozent, in jenen mit Frühenglisch 86 Prozent. 

Wie bei den Schul-Checks 
Dass es mit den Resultaten des neu eingeführten Frühfranzösisch-Unterrichts in den Nordwestschweizer Kantonen Baselland, Basel-Stadt und Solothurn nicht zum Besten steht, haben schon zuvor die in den sechsten Klassen durchgeführten Schulchecks aufgezeigt. Darüber können auch anders lautende Beteuerungen einiger Regierungsmitglieder nicht hinwegtäuschen, welche die Checkresultate fleissig schönreden oder mit sozialen Defiziten der Bevölkerung entschuldigen. 

Schon im vergangenen Jahr hat die BaZ darauf hingewiesen, dass die Resultate der Schulchecks aufzeigen, dass die Ziele des Lehrplans in Französisch nicht erreicht werden. «Die Schülerinnen und Schüler können Inhalte von Gesprächen und Hörtexten auf Französisch verstehen und sinngemäss ins Deutsche übertragen», ist gemäss Lehrplan beim «Hören» gefordert;  bei der Lesekompetenz wird Ähnliches verlangt. Die Resultate der Schulchecks 2017 und 2018 zeigen beide, dass nur eine Minderheit die Lernziele erfüllt und den Gesprächen auf Französisch wie verlangt folgen kann. 

Die nationalen Vergleichstests basieren auf etwas weniger strengen Vorgaben, weil nur die Grundkompetenzen geprüft worden sind.Doch die Resultate der Vergleichstests bestätigen die früheren ungenügenden Resultate. Das Schlusslicht der Französisch-Vergleichstests beim Leseverstehen bildet in der neuen nationalen Evaluation der Kanton Baselland. Solothurn und Basel-Stadt erreichen geringfügig weniger
schlechte Resultate. Die Passepartout-Kantone haben parallel zu den nationalen Vergleichstests noch eine zusätzliche Analysezu den Passepartout-Lernzielen in Auftrag gegeben. 

Zusätzliche Studie 
Diese Studie bestätigt, dass auch die höheren Anforderungen der Passepartout-Lernziele grösstenteils verpasst wurden. Bei dem Hörverstehen wurden die Lernziele noch immerhin von 57 Prozent erreicht, beim Leseverstehen nur noch von 32,8Prozent und beim Sprechen noch von10,8 Prozent–ein klägliches Resultat für ein Sprachenkonzept, das angeblich besonders auf die Umgangssprache fokussiert. An der Medienkonferenz vom Freitag hat die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind richtigerweise Klartext gesprochen:«Wir haben sehr viel Zeit und Geld in Passepartout investiert, doch unsere Erwartungen wurden bei weitem nicht erfüllt.»Basel-Stadt hüllt sich in Schweigen. 

Die Resultate verweisen auf ein gewichtiges Handicap der betroffenen Versuchsjahrgänge für die weitere Schul- oder Berufskarriere: Sie verstehen trotz mehrjährigem Sprachunterricht in der Primarschule den Inhalt eines französisch geführten Gesprächs nur halbwegs. Immerhin hat der Kanton Baselland bereits reagiert: Neue Lehrmittel werden bereits evaluiert,und der Lehrerschaft soll die Lehrmittelfreiheit zugestanden werden. Doch möglicherweise braucht es mehr: etwa eine angepasste Stundentafel, einen angepassten Lehrplan,mehr Lektionen oder neue Weiterbildungen für Lehrkräfte. 

Die zusätzliche Analyse der Passepartout-Kantone basiert auf einer Stichprobe von 1011 Schülerinnen und Schülern. In der den Medien abgegebenen Dokumentation wird darauf hingewiesen, dass der Französischunterricht mit Ängsten belastet sei und von zwei Dritteln der Schülerinnen und Schüler nur besucht werde,weil er obligatorisch sei. Die Bildungsdirektion hält fest, dass anders als beim Lehrmittel «Mille feuilles» «der gezielte und systematischeAufbau des Wortschatzes eine unabdingbare Ressource für den Erwerb von Sprachkompetenzen» sei.

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