13. Mai 2019

Entspannungsmethoden für Schüler


Ich erinnere mich noch gut, wie das bei uns damals in der Schule war. Wenn die Glocke klingelte, stand der Hausabwart schon an der Tür bereit, um uns zu ermahnen, auf dem Weg ins Schulzimmer nicht zu rennen. Konnte sich doch einer nicht zurückhalten, wurde er umgehend zurück zum Eingang zitiert und musste den Weg noch einmal gehen – mit Betonung auf gehen.
Entspannung macht Schule, Tages Anzeiger Mamablog, 13.5. von Jeanette Kuster


An kanadischen Schulen sieht das heute ganz anders aus. «Don’t walk in the Hallway!» lautet die Devise: Die Kinder werden ganz offiziell aufgefordert, durch die Flure zu hüpfen, zu tanzen oder gar auf allen Vieren zu kriechen. Punkte, Striche und Bilder auf dem Boden motivieren sie dazu. Solche «Activity Paths» sollen nicht nur für mehr Bewegung sorgen, sondern den Schülern auch helfen, konzentrierter zu arbeiten. Denn wer zwischen den Lektionen körperlich aktiv wird, dem fällt es danach leichter, wieder still zu sitzen und sich zu konzentrieren.

Einen «Activity Path» habe ich hierzulande noch nicht entdeckt, aber einzelne Lehrer verfolgen durchaus ähnliche Ansätze. Am Besuchstag zum Beispiel liess eine Lehrerin die Erstklässler zu Beginn der Lektion noch einmal aufstehen und an Ort und Stelle hüpfen, bevor sie sich für die nächsten 45 Minuten ans Pult setzen mussten. Ein simpler Trick, der den Kindern ganz offensichtlich Spass macht und der Lehrerin das Leben vereinfacht.

Zur Meditation statt vor die Tür
Lehrer setzen aber nicht nur auf Bewegung, um den Kindern zu mehr Ruhe und Konzentration zu verhelfen, sondern auch auf diverse Entspannungstechniken. In den USA wird in verschiedenen Schulen und Kindergärten das Programm «Calm Classroom» genutzt, das auf «Mindfulness-Based Stress Reduction» (MBSR) basiert. Das Achtsamkeitstraining ist gut erforscht und wird in der Schweiz an vielen Kliniken angewendet.

Einige Schulen arbeiten auch mit Entspannungsmethoden, wenn ein Kind den Unterricht stört: Anstatt den Störenfried vor die Tür zu stellen, schickt man ihn in den Meditationsraum, damit er wieder zur Ruhe findet.

In der Schweiz sind wir noch nicht so weit, dass Meditation, Achtsamkeit oder Yoga einen fixen Platz im Stundenplan bekommen. Damit arbeiten dürfen die Lehrer dennoch, wie Marion Völger, Leiterin des Zürcher Volksschulamts, auf Anfrage erklärt: «Die Lehrpersonen arbeiten auf Basis der Methodenfreiheit. Sie entscheiden also selber, wie und mit welchen Methoden sie die Kinder zum Kompetenzerwerb führen.»

Deshalb sei es durchaus denkbar, dass ein Lehrer Entspannungsmethoden in seinen Unterricht einbaue. Und auch ganze Lektionen dürfte eine Schule anbieten. «Die Schulen sind grundsätzlich frei, ausserhalb der Lektionentafel Yoga anzubieten, etwa in Form von Freifächern», sagt Völger.

Und genau das tun sie immer öfter. An der Schule meiner Kinder zum Beispiel werden sich während der Projektwoche zwei Gruppen mit Asanas und Atemtechniken beschäftigen. Vor ein paar Wochen hat in einem Schulhaus ganz in der Nähe ein ähnlicher Kurs stattgefunden.

Stress macht Kinder krank
All diese Angebote tauchen nicht grundlos auf. Der Leistungsdruck an der Schule hat zugenommen – mit krassen Folgen: Laut der Weltgesundheitsorganisation leidet beinahe jeder dritte Elfjährige in der Schweiz an Schlafproblemen – 2002 war es noch jeder Fünfte. 15 Prozent fühlen sich niedergeschlagen, fast genauso viele haben regelmässig Kopfschmerzen. Klassische Stresssymptome.

Pro Juventute ist deshalb letztes Jahr aktiv geworden und hat mit der Kampagne «Weniger Druck. Mehr Kind» auf das Problem aufmerksam gemacht. Angesprochen hat die Organisation Eltern genauso wie Lehrpersonen. Denn auch wir Mütter und Väter können das Stresslevel unserer Kinder senken. Indem wir regelmässig für unverplante Nachmittage und Wochenenden sorgen und die Kinder frei spielen lassen zum Beispiel. Oder indem wir entspannt bleiben, wenn das Kind nicht als Mathe-Genie geboren wurde und seine Stärke eher im musischen Bereich liegt.

Vielleicht möchten Sie noch einen Schritt weitergehen und führen ein neues Abendritual ein, das Tochter und Sohn entspannt einschlafen lässt. Es gibt unzählige Möglichkeiten. Eine Idee ist, dass jedes Familienmitglied seine drei Positivmomente des Tages aufzählt. Man findet immer welche, selbst wenn es nur das feine Gipfeli zum Frühstück oder das schöne Wetter ist – und geht so mit einem guten Gefühl ins Bett.

Eine andere Variante ist, gemeinsam ein Lieblings-Musikstück zu hören, die Augen zu schliessen und eine Runde zu kuscheln. Oder Sie machen alle gemeinsam Yoga – einfache Anleitungen gibts zur Genüge auf Youtube und sogar in Kinderbuchform.


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