Ich
erinnere mich noch gut, wie das bei uns damals in der Schule war. Wenn die
Glocke klingelte, stand der Hausabwart schon an der Tür bereit, um uns zu
ermahnen, auf dem Weg ins Schulzimmer nicht zu rennen. Konnte sich doch einer
nicht zurückhalten, wurde er umgehend zurück zum Eingang zitiert und musste den
Weg noch einmal gehen – mit Betonung auf gehen.
Entspannung macht Schule, Tages Anzeiger Mamablog, 13.5. von Jeanette Kuster
An
kanadischen Schulen sieht das heute ganz anders aus. «Don’t walk
in the Hallway!» lautet die Devise: Die Kinder werden ganz
offiziell aufgefordert, durch die Flure zu hüpfen, zu tanzen oder gar auf allen
Vieren zu kriechen. Punkte, Striche und Bilder auf dem Boden motivieren sie
dazu. Solche «Activity Paths» sollen nicht nur für mehr Bewegung sorgen,
sondern den Schülern auch helfen, konzentrierter zu arbeiten. Denn wer zwischen
den Lektionen körperlich aktiv wird, dem fällt es danach leichter, wieder still
zu sitzen und sich zu konzentrieren.
Einen
«Activity Path» habe ich hierzulande noch nicht entdeckt, aber einzelne Lehrer
verfolgen durchaus ähnliche Ansätze. Am Besuchstag zum Beispiel liess eine
Lehrerin die Erstklässler zu Beginn der Lektion noch einmal aufstehen und an
Ort und Stelle hüpfen, bevor sie sich für die nächsten 45 Minuten ans Pult
setzen mussten. Ein simpler Trick, der den Kindern ganz offensichtlich Spass
macht und der Lehrerin
das Leben vereinfacht.
Zur Meditation statt vor die Tür
Lehrer
setzen aber nicht nur auf Bewegung, um den Kindern zu mehr Ruhe und
Konzentration zu verhelfen, sondern auch auf diverse Entspannungstechniken. In
den USA wird in verschiedenen Schulen und Kindergärten das Programm «Calm
Classroom» genutzt, das auf «Mindfulness-Based Stress Reduction» (MBSR)
basiert. Das Achtsamkeitstraining ist gut erforscht und wird in der Schweiz an
vielen Kliniken angewendet.
Einige
Schulen arbeiten auch mit Entspannungsmethoden, wenn ein Kind den Unterricht
stört: Anstatt den Störenfried vor die Tür zu stellen, schickt man
ihn in den Meditationsraum, damit er wieder zur Ruhe findet.
In der
Schweiz sind wir noch nicht so weit, dass Meditation, Achtsamkeit oder Yoga
einen fixen Platz im Stundenplan bekommen. Damit arbeiten dürfen die Lehrer
dennoch, wie Marion Völger, Leiterin des Zürcher Volksschulamts, auf Anfrage
erklärt: «Die Lehrpersonen arbeiten auf Basis der Methodenfreiheit. Sie
entscheiden also selber, wie und mit welchen Methoden sie die Kinder zum
Kompetenzerwerb führen.»
Deshalb
sei es durchaus denkbar, dass ein Lehrer Entspannungsmethoden in seinen
Unterricht einbaue. Und auch ganze Lektionen dürfte eine Schule anbieten. «Die
Schulen sind grundsätzlich frei, ausserhalb der Lektionentafel Yoga anzubieten,
etwa in Form von Freifächern», sagt Völger.
Und genau
das tun sie immer öfter. An der Schule meiner Kinder zum Beispiel werden sich
während der Projektwoche zwei Gruppen mit Asanas und Atemtechniken
beschäftigen. Vor ein paar Wochen hat in einem Schulhaus ganz in der Nähe ein
ähnlicher Kurs stattgefunden.
Stress macht Kinder krank
All diese
Angebote tauchen nicht grundlos auf. Der Leistungsdruck an der Schule hat
zugenommen – mit krassen Folgen: Laut der Weltgesundheitsorganisation leidet
beinahe jeder dritte Elfjährige in der Schweiz an Schlafproblemen – 2002 war es
noch jeder Fünfte. 15 Prozent fühlen sich niedergeschlagen, fast genauso viele
haben regelmässig Kopfschmerzen. Klassische Stresssymptome.
Pro
Juventute ist deshalb letztes Jahr aktiv geworden und hat mit der Kampagne
«Weniger Druck. Mehr Kind» auf das Problem aufmerksam gemacht.
Angesprochen hat die Organisation Eltern genauso wie Lehrpersonen. Denn auch
wir Mütter und Väter können das Stresslevel unserer Kinder senken. Indem wir
regelmässig für unverplante Nachmittage und Wochenenden sorgen und die Kinder
frei spielen lassen zum Beispiel. Oder indem wir entspannt bleiben, wenn das
Kind nicht als Mathe-Genie geboren wurde und seine Stärke eher im musischen
Bereich liegt.
Vielleicht
möchten Sie noch einen Schritt weitergehen und führen ein neues Abendritual
ein, das Tochter und Sohn entspannt einschlafen lässt. Es gibt unzählige
Möglichkeiten. Eine Idee ist, dass jedes Familienmitglied seine drei
Positivmomente des Tages aufzählt. Man findet immer welche, selbst wenn es nur
das feine Gipfeli zum Frühstück oder das schöne Wetter ist – und geht so mit
einem guten Gefühl ins Bett.
Eine
andere Variante ist, gemeinsam ein Lieblings-Musikstück zu hören, die Augen zu
schliessen und eine Runde zu kuscheln. Oder Sie machen alle gemeinsam Yoga –
einfache Anleitungen gibts zur Genüge auf Youtube und sogar
in Kinderbuchform.
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