Wenn es
um Bildung geht, ist mit uns Schweizern nicht zu spassen. Die wichtigste
Ressource unseres Wohlstands ist unantastbar, Millionenbeträge für die
Universitäten und Hochschulen werden selbst von Bürgerlichen durchgewinkt
(«Bildung!»), selbst kleinste Einsparungen auf Volksschulebene zerschellen am
Widerstand der Linken («Bildungsabbau!»). Umso mehr sind wir in der Region
erschreckt worden über die Ergebnisse des ersten nationalen Bildungsvergleichs
unter Sekundarschülern. Basels Schulen bekamen ein «katastrophales» Zeugnis,
wie die NZZ schrieb, nur unwesentlich besser schnitt Baselland ab. Die Reaktion
der beiden Hauptverantwortlichen hätte unterschiedlicher nicht sein können. Die
Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP) berief eine Medienkonferenz
mit Schul- und Lehrervertretern ein und signalisierte Kampfbereitschaft. Ein
«Bündel an Massnahmen» müsse nun erarbeitet werden, man orientiere sich an den
Besten. Fatalistischer ging ihr Basler Amtskollege Conradin Cramer (LDP) mit
der Botschaft um. Nicht mal eine Medienmitteilung verschickte er, um das
schlechte städtische Abschneiden in Mathe, Deutsch und Französisch zu erklären.
Auf Anfrage liess er lediglich verlauten, dass das Ergebnis unschön sei. Grund
zur Panik bestehe nicht.
Hatte
Cramer etwa nicht begriffen, was auf dem Spiel steht? Diese Frage lässt sich
nicht beantworten, führt uns aber zur Kernfrage: Was steht eigentlich auf dem
Spiel? Ist es die Wirtschaftskraft der Region, die angesichts der vielen
ungebildeten Schüler in den kommenden Jahrzehnten erlahmen könnte? Davon ist
aus zwei Gründen nicht auszugehen.
Zum einen
dürfte es sich beim ersten nationalen Bildungsvergleich nicht um ein neues
Phänomen handeln. Basel-Stadt hätte bereits vor zwanzig oder dreissig Jahren
das Schlusslicht markiert. Selbst wenn die Studienautoren sagen, sie hätten auf
die Unterschiede bei der Migrationsquote Rücksicht genommen. Das
Multiple-Choice-Verfahren kennt nur schwarz oder weiss, richtig oder falsch.
Das heisst: In den Kantonen, die im Ranking obenaufschwangen, wird zwar gut
gepaukt. Einen, auch für die wirtschaftliche Prosperität bedeutend wichtigeren Aspekt
klammern die Tests allerdings aus: die Innovationsfähigkeit. Ein Beispiel: Der
Zürcher Jugendpsychologe Allan Guggenbühl besuchte unlängst chinesische
Eliteschulen. Die Kinder waren auf einem Niveau, von dem selbst die besten
Schweizer Kantone nur träumen dürfen. Die chinesischen Schulleiter aber
beklagten sich darüber, dass die ach so exzellenten Schüler keine Ideen
entwickeln würden. China habe trotz des grossen Ehrgeizes noch lange nicht die
Innovationskraft Europas oder Amerikas. Um wieder zurück auf die Schwachstellen
des Schweizer Bildungsrankings zu kommen. Kreative Fächer werden nicht
gewertet. Und auch bei der Sprachkompetenz war beim Bildungstest nicht
Ideenreichtum gefragt wie bei einem Schulaufsatz, sondern lediglich, ob man
einen Text richtig verstanden hat.
Der
Zusammenhang von Bildungsvergleichen und Wirtschaftskraft ist ebenfalls
schnell
widerlegt. In Finnland, Sieger im ersten grossen internationalen
Bildungsvergleich Pisa, ist vom Wirtschaftswunder nicht mehr viel übrig. Die
einstige Vorzeigefirma Nokia hat den Anschluss verloren, seit die Smartphones
auf den Markt drängten. Sie waren gewissenhaft, die Finnen, aber es fehlte
ihnen die Innovationskraft.
Ebenfalls
bemerkenswert ist, wie es um die drei Kantone bestellt ist, die beim
schweizerischen Bildungsvergleich obenausschwangen. Im Wallis, in Appenzell
Innerrhoden und in Freiburg sind die Durchschnittseinkommen über ein Drittel
tiefer als in den beiden Basel. Der gesellschaftliche und politische Trend
spricht dafür, dass diese Kluft künftig eher grösser wird. Heute ist es für
Akademiker, die eine Familie gründen, erstrebenswert, in der Stadt oder
zumindest in Stadtnähe zu wohnen. Bis vor wenigen Jahren herrschte der Traum
vom Eigenheim auf dem Land vor. Zudem sorgt die globalisierte Wirtschaft dafür,
dass die städtischen Grossfirmen wie Roche und Novartis, aber auch der
öffentliche Sektor wie die Spitäler auf Arbeiter aus der ganzen Welt
zurückgreifen können – ob dies nun gute Schulabgänger aus anderen europäischen
Ländern sind oder solche aus anderen Kantonen.
Basel
muss also keineswegs in Panik geraten, wie Cramer richtig bemerkte. Auch wird
er sich nicht an den Besten orientieren müssen, wie es Gschwind für ihren
Kanton forderte. Beide wären gut beraten, gute Ausbildungsmöglichkeiten für
jene zu etablieren, die bei einem standardisierten Bildungsvergleich nicht
brillieren; dafür aber hervorragende Handwerker, geniale Künstler oder quer
denkende Firmengründer sind. Es braucht sie in unserer Region mindestens
ebenso.
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