12. März 2019

Immer mehr Schüler scheitern


Für rund 7500 Zürcher Schülerinnen und Schüler gilt es am Dienstag ernst: Sie schreiben die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium. In den Klassenzimmern der Kantonsschulen lösen sie Mathematikaufgaben, verfassen einen Aufsatz und müssen ihre Sprachkenntnisse unter Beweis stellen. Während weniger Stunden werden die Weichen für ihre Zukunft gestellt. Doch die Prüfung ist ein Nadelöhr. Durchschnittlich fällt mehr als die Hälfte der Teilnehmer durch.
Das Nadelöhr vor dem Gymnasium: Immer mehr Schüler fallen durch die Aufnahmeprüfung, NZZ, 12.3. von Nils Pfändler


Eine Auswertung der vergangenen Jahre zeigt: Seit 2010 sind die Erfolgsquoten stetig gesunken. Bei den Anwärtern für das Langgymnasium um knapp 5 Prozent, bei denjenigen für das Kurzgymnasium gar um rund 15 Prozent. Für immer mehr Schülerinnen und Schüler endet die Prüfung also in einer Enttäuschung.

Wie lässt sich diese Tendenz erklären? Niklaus Schatzmann, Leiter des Mittelschul- und Berufsbildungsamts (MBA), vermutet, dass sich vermehrt Schülerinnen und Schüler anmelden, die nicht leistungsfähig genug sind, um die Aufnahmeprüfung zu bestehen.
Seine Vermutung lässt sich erhärten. Tatsächlich ist die Anzahl Anmeldungen in den letzten Jahren stark gestiegen: Meldeten sich 2010 noch 6122 Primar- und Sekundarschüler an, waren es 2018 bereits 7566. Das entspricht einer Zunahme von fast 24 Prozent. Diese Entwicklung ist nicht nur mit den wachsenden Schülerzahlen zu erklären. Im gleichen Zeitraum stieg die Anzahl Schüler auf denselben Stufen nämlich um nicht einmal zehn Prozent. Die gymnasiale Maturitätsquote blieb konstant: Rund ein Fünftel der Zürcher Jugendlichen schliesst das Gymnasium ab.

Nötige Auslese
Laut Schatzmann sind hauptsächlich die erhöhten Anmeldezahlen für die schlechteren Erfolgsquoten verantwortlich. Beim Kurzgymnasium gelte es zusätzlich zu berücksichtigen, dass seit 2015 auch Schüler aus der Sekundarschule B zur Prüfung zugelassen sind. Ihre Erfolgsquote liegt im tiefen einstelligen Bereich. Letztes Jahr bestand nur einer von 85 Prüflingen. Zudem werden bei der Aufnahmeprüfung für das Kurzgymnasium seit vier Jahren keine Erfahrungsnoten mehr berücksichtigt. Sekundarschüler mit guten Vornoten haben deshalb keinen Vorteil mehr.

Für den MBA-Chef zeigen diese Zahlen, dass die zentrale Aufnahmeprüfung ein passendes Mittel zur Auslese sei. Laut einer Studie im Auftrag der Bildungsdirektion zeichnet sich bereits im Notenschnitt der Prüfung ab, welche Schüler Chancen haben, die Probezeit zu bestehen. «Die Untersuchung hat gezeigt, dass dank der zentralen Aufnahmeprüfung die richtigen Schülerinnen und Schüler ans Gymnasium kommen», sagt Schatzmann.
Sekundarlehrer Daniel Kachel kennt den Trend der steigenden Anmeldezahlen aus eigener Erfahrung. «Der Run auf das Gymi ist grösser geworden», sagt der Präsident des Vereins Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich. Auch Schüler mit weniger realistischen Chancen würden sich entgegen den Empfehlungen der Lehrkräfte zur Prüfung anmelden. «Einige gehen sehr phantasievoll mit ihrer Leistungseinschätzung um», sagt Kachel. Hinzu komme, dass viele Eltern ihre Kinder ins Gymnasium drängten.

Auch die Erziehungswissenschafterin Margrit Stamm sieht den Grund vor allem bei den Eltern. Sie beobachtet in den letzten zehn Jahren einen Trend zur Akademisierung. «Das Gymnasium ist zu einem Statussymbol wie ein Einfamilienhaus oder ein teures Auto geworden», sagt die Professorin der Universität Freiburg.

Künftig dürften sich die Voraussetzungen für die Sekundarschüler indes wieder ändern. Die Bildungsdirektion hat ein Papier mit neuen Aufnahmeregeln in die Vernehmlassung geschickt. Demnach sollen frühestens ab dem kommenden Schuljahr die Vornoten wieder «angemessen berücksichtigt» und Sek-B-Schülerinnen nur noch auf Empfehlung der Lehrer zur Prüfung zugelassen werden.

Wer von den diesjährigen Prüflingen besteht, darf sich zu Recht freuen. Nach den Sommerferien wartet mit der Probezeit in der neuen Schule aber schon die nächste Herausforderung. Das Langgymnasium muss im Kanton Zürich fast jeder Zehnte, das Kurzgymnasium fast jede Fünfte nach einem halben Jahr wieder verlassen. Immerhin: Fielen früher immer mehr Schüler durch die Probezeit, sind die Austrittsquoten nun seit einiger Zeit am Sinken.


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