Für rund 7500 Zürcher Schülerinnen und Schüler gilt es am Dienstag
ernst: Sie schreiben die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium. In den
Klassenzimmern der Kantonsschulen lösen sie Mathematikaufgaben, verfassen einen
Aufsatz und müssen ihre Sprachkenntnisse unter Beweis stellen. Während weniger
Stunden werden die Weichen für ihre Zukunft gestellt. Doch die Prüfung ist ein
Nadelöhr. Durchschnittlich fällt mehr als die Hälfte der Teilnehmer durch.
Das Nadelöhr vor dem Gymnasium: Immer mehr Schüler fallen durch die Aufnahmeprüfung, NZZ, 12.3. von Nils Pfändler
Eine Auswertung der vergangenen Jahre zeigt: Seit 2010 sind die Erfolgsquoten
stetig gesunken. Bei den Anwärtern für das Langgymnasium um knapp 5 Prozent,
bei denjenigen für das Kurzgymnasium gar um rund 15 Prozent. Für immer mehr
Schülerinnen und Schüler endet die Prüfung also in einer Enttäuschung.
Wie lässt sich diese Tendenz erklären? Niklaus Schatzmann, Leiter des
Mittelschul- und Berufsbildungsamts (MBA), vermutet, dass sich vermehrt
Schülerinnen und Schüler anmelden, die nicht leistungsfähig genug sind, um die
Aufnahmeprüfung zu bestehen.
Seine Vermutung lässt sich erhärten. Tatsächlich ist die Anzahl
Anmeldungen in den letzten Jahren stark gestiegen: Meldeten sich 2010 noch 6122
Primar- und Sekundarschüler an, waren es 2018 bereits 7566. Das entspricht
einer Zunahme von fast 24 Prozent. Diese Entwicklung ist nicht nur mit den
wachsenden Schülerzahlen zu erklären. Im gleichen Zeitraum stieg die Anzahl
Schüler auf denselben Stufen nämlich um nicht einmal zehn Prozent. Die
gymnasiale Maturitätsquote blieb konstant: Rund ein Fünftel der Zürcher
Jugendlichen schliesst das Gymnasium ab.
Nötige Auslese
Laut Schatzmann sind hauptsächlich die erhöhten Anmeldezahlen für die
schlechteren Erfolgsquoten verantwortlich. Beim Kurzgymnasium gelte es
zusätzlich zu berücksichtigen, dass seit 2015 auch Schüler aus der
Sekundarschule B zur Prüfung zugelassen sind. Ihre Erfolgsquote liegt im tiefen
einstelligen Bereich. Letztes Jahr bestand nur einer von 85 Prüflingen. Zudem
werden bei der Aufnahmeprüfung für das Kurzgymnasium seit vier Jahren keine
Erfahrungsnoten mehr berücksichtigt. Sekundarschüler mit guten Vornoten haben
deshalb keinen Vorteil mehr.
Für den MBA-Chef zeigen diese Zahlen, dass die zentrale Aufnahmeprüfung
ein passendes Mittel zur Auslese sei. Laut einer Studie im Auftrag der Bildungsdirektion zeichnet
sich bereits im Notenschnitt der Prüfung ab, welche Schüler Chancen haben, die
Probezeit zu bestehen. «Die Untersuchung hat gezeigt, dass dank der zentralen
Aufnahmeprüfung die richtigen Schülerinnen und Schüler ans Gymnasium kommen»,
sagt Schatzmann.
Sekundarlehrer Daniel Kachel kennt den Trend der steigenden
Anmeldezahlen aus eigener Erfahrung. «Der Run auf das Gymi ist grösser
geworden», sagt der Präsident des Vereins Sekundarlehrkräfte des Kantons
Zürich. Auch Schüler mit weniger realistischen Chancen würden sich entgegen den
Empfehlungen der Lehrkräfte zur Prüfung anmelden. «Einige gehen sehr
phantasievoll mit ihrer Leistungseinschätzung um», sagt Kachel. Hinzu komme,
dass viele Eltern ihre Kinder ins Gymnasium drängten.
Auch die Erziehungswissenschafterin Margrit Stamm sieht den Grund vor
allem bei den Eltern. Sie beobachtet in den letzten zehn Jahren einen Trend zur
Akademisierung. «Das Gymnasium ist zu einem Statussymbol wie ein
Einfamilienhaus oder ein teures Auto geworden», sagt die Professorin der
Universität Freiburg.
Künftig dürften sich die Voraussetzungen für die Sekundarschüler indes
wieder ändern. Die Bildungsdirektion hat ein Papier mit neuen Aufnahmeregeln in
die Vernehmlassung geschickt. Demnach sollen frühestens ab dem kommenden
Schuljahr die Vornoten wieder «angemessen berücksichtigt» und
Sek-B-Schülerinnen nur noch auf Empfehlung der Lehrer zur Prüfung zugelassen
werden.
Wer von den diesjährigen Prüflingen besteht, darf sich zu Recht freuen.
Nach den Sommerferien wartet mit der Probezeit in der neuen Schule aber schon
die nächste Herausforderung. Das Langgymnasium muss im Kanton Zürich fast jeder
Zehnte, das Kurzgymnasium fast jede Fünfte nach einem halben Jahr wieder
verlassen. Immerhin: Fielen früher immer mehr Schüler durch die Probezeit, sind
die Austrittsquoten nun seit einiger Zeit am Sinken.
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