Am Dienstag brüten die
Zürcher Schülerinnen und Schüler bei der Aufnahmeprüfung zum Gymnasium über
geometrischen Figuren, verschiedenen Wortarten und kniffligen Fragen zum
Textverständnis. Dem Examen geht ein langer und aufwendiger Prozess voraus.
Während Monaten feilen Lehrerinnen und Lehrer an den Aufgaben und
Musterlösungen.
Nach dem Prüfungstermin
fängt ihre Arbeit aber erst richtig an. Bis die Schüler am 22. März
erfahren, ob sie bestanden haben oder nicht, müssen Tausende Prüfungen
korrigiert werden.
Ein 25 Meter hoher Stapel Aufgabenblätter und Sicherheit wie beim Geldtransport: Das steckt hinter der Gymiprüfung, NZZ, 12.3. von Nils Pfändler
Schritt 1: Die Fragen
«Nerven wie Drahtseile.
Erzähle eine glaubwürdige Geschichte, in der jemand starke Nerven bewies»,
hiess der Auftrag letztes Jahr im Prüfungsfach Deutsch. In der Mathematik gab
es folgende Aufgabe zu lösen: «Marlon und Josua sind Balljungen an den Swiss
Indoors in Basel und sammeln Tennisbälle ein. Marlon hat 48 Prozent aller Bälle
eingesammelt, Josua den Rest. Zu Hause rechnet Marlon nach und stellt fest,
dass er 7 Bälle weniger eingesammelt hat als Josua. Wie viele Tennisbälle haben
sie zusammen eingesammelt?»
Solche Prüfungsfragen
stammen aus der Feder der jeweiligen Fachkommission. Diese vier- bis
achtköpfigen Gremien setzen sich zusammen aus Schulleiterinnen und
verschiedenen Lehrern aus dem Gymnasium und der Volksschule. Einige
Kommissionen beginnen schon im Sommer mit der Ausarbeitung der Fragen.
Damit die Fragen nicht zu
einfach oder zu schwierig sind, überprüft sie zusätzlich eine
Begutachtungskommission. Sie kontrolliert auch die Korrekturhinweise, mit deren
Hilfe die Kantonsschullehrer später die Anzahl Punkte verteilen und die Noten
setzen.
Schritt 2: Die Sicherheit
Gerade weil so viele
Personen an der Entstehung der Prüfungen beteiligt sind, muss gewährleistet
bleiben, dass keine Prüfungsfragen durchsickern. Es sei Vorsicht geboten, sagt
Niklaus Schatzmann, Leiter des Mittelschul- und Berufsbildungsamts. «Die
Sicherheit wird sehr gross geschrieben.»
Die Vorkehrungen gleichen
denen bei einem Geldtransport: Die Prüfungsblätter werden laut Schatzmann in
einer Zürcher Druckerei mit speziellen Sicherheitsstandards gedruckt. Alle
Daten werden nur auf zwei Arten transportiert: entweder durch eine Übergabe von
Hand zu Hand oder über mehrfach passwortgesicherte Datenkanäle des Kantons. An
die Kantonsschulen gelangen sie nicht per Post, sondern werden von einem
sicheren Kurierdienst persönlich überbracht. In den Schulen selbst sind sie
stets sicher verschlossen.
Schritt 3: Die Korrektur
Die schiere Menge an
Prüfungen ist die grösste Herausforderung für die Korrektur. Im letzten Jahr
wurden den Schülern insgesamt mehr als 270 000 Aufgabenblätter verteilt.
Würde man all diese Seiten aufeinanderstapeln, wäre der Papierturm mehr als 25
Meter hoch. Hinzu kommen die vollgeschriebenen Blätter der Aufsätze.
Um diese Papierflut zu
bewältigen, arbeiten die Schulen in Korrekturteams. Laut Schatzmann wird durch
verschiedene Massnahmen gewährleistet, dass diese alle Kandidaten gleich streng
bewerten: Es korrigieren nur ausgewiesene Fachpersonen, für alle Prüfungen gibt
es Korrekturhinweise, und in Zweifelsfällen werden die Fachkommissionen
beigezogen. Zudem werden alle Prüfungen von Expertinnen und Experten der
Volksschule ein zweites Mal korrigiert. Stimmen die beiden Beurteilungen nicht
überein, tauschen sich die beiden Beurteiler noch einmal aus.
Für die Lehrerinnen der
involvierten Fächer bedeute das Korrigieren einen erheblichen Zusatzaufwand,
sagt Schatzmann. Bei den Kantonsschullehrern ist die Korrektur Teil ihrer
Anstellung, die Vertreter der Volksschule werden mit einem Stundenansatz
entlöhnt.
Schritt 4: Der Brief
Während die Lehrerinnen
korrigieren, beginnt bei den Schülern das grosse Bibbern. Erst zehn Tage nach
der Prüfung erhalten sie das Resultat. Der alles entscheidende Brief wird am
Freitag, 22. März, per Post verschickt. Am Abend des gleichen Tages können
die Schüler auf der Homepage der zentralen Aufnahmeprüfung bereits einsehen, ob
sie bestanden haben oder nicht.
Noch länger gedulden
müssen sich jene, die den offiziellen Prüfungstermin krankheitshalber verpasst
haben. Sie müssen zur zentralen Nachprüfung in einer ausgewählten Kantonsschule
antreten. Um einen Wissensvorsprung zu verhindern, absolvieren sie eine andere
Prüfung. Ein zusätzlicher Aufwand für die Lehrer, wie Schatzmann bestätigt:
«Jede einzelne Prüfung wird jedes Jahr doppelt geschrieben.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen