Erfreulich ist, dass der Schweizerische Wissenschaftsrat eine Tatsache wissenschaftlichbestätigt (NZZ 29. 12. 18), die für jede aufmerksame Mutter von Schulkindernoffensichtlich ist: «die soziale Selektivität» des Schweizer Bildungssystems.
Hinsichtlich der Ursachenanalyse wirkt es jedoch befremdend, dass wichtige
Themen nicht angeschnitten werden: der sehr hohe Leistungsanspruch, gepaart mit
einer regelrechten Bewertungsmanie, die daraus resultierende
Defizitorientierung und die «Verweiblichung» des Schulwesens mit negativen
Folgen für viele Knaben. Der hohe Anspruch in allen Fächern der Primarschule
erstaunt. Dieser zeigt sich nicht nur im Stoffumfang und in der bisweilen
fragwürdigen Stufengerechtigkeit der vermittelten Lerninhalte, sondern auch in
einem unfassbar granularen Bewertungssystem.
NZZ, 11.1. Leserbrief von Sandra Hedinger
Zur Beurteilung der Lernkontrollen
in jedem Schulfach mit Zehntelsnoten kommt ein vierseitiger Beurteilungsbogen
für die sogenannten «Kompetenzen». Jede Regung eines Kindes in der Schule – so
entsteht der Eindruck – wird bewertet, beurteilt und manchmal gar verurteilt,
wobei die Aufmerksamkeit unweigerlich auf den Defiziten liegt. Diese
ausgeprägte Defizitorientierung scheint mir die Freude am Lernen zu hemmen und
die Lust, Neues zu entdecken, im Keim zu ersticken; so dass die Motivation für
das Lernen letztlich auf der Strecke bleibt des Schülers eher eine Schülerin –
also ein angepasstes, fleissiges, pflichtbewusstes und zuverlässiges Mädchen –
im Fokus hat. Dieser wird durch den nahezu ausschliesslich weiblichen
Lehrkörper auf der Primarstufe noch verstärkt. Die wilderen Jungen mit wenig
Sitzleder und Flausen im Kopf tragen derweil zur Auslastung der mannigfaltigen
spezialpädagogischen Einrichtungen bei. Und was die gesamtwirtschaftlichen
Auswirkungen dieses Schulsystems anbelangt, so ist neben dem erwähnten Mangel
an akademischem Humankapital noch ein weiterer Aspekt zu erwähnen: die
entgangene Lohnarbeit, meist bei den Müttern, weil diese ihre Sprösslinge in
der Schule tatkräftig unterstützen (müssen?).
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