Man bekomme den Eindruck,
die IT-Bildungsoffensive sei «ein Allheilmittel» im Kanton St. Gallen, sagte
Bildungsdirektor Stefan Kölliker gestern vor den Medien. Der Kanton erhofft
sich davon nichts Geringeres als mehr Ressourcen, mehr Produktivität und mehr
Wohlstand. Am 10. Februar entscheidet das St. Galler Stimmvolk, ob es den
Kredit über 75 Millionen Franken spricht. Das Geld würde über einen Zeitraum
von acht Jahren investiert werden. Die Finanzierung einzelner Projekte werde
nur bewilligt, wenn diese überzeugten, so Kölliker. Mehrfach betonte er: Der
Betrag von 75 Millionen Franken werde nicht überschritten.
Informatik als Allheilmittel - Grosse Hoffnungen im Kanton St. Gallen, St. Galler Tagblatt, 8.1. von Katharina Brenner
Kölliker gab
gestern den Namen des Programmleiters bekannt: Roger Trösch soll ab April 2019
«die Handlungsfelder koordinieren» – in einem 50-Prozent-Pensum. Er bleibt
weiterhin zu 50 Prozent als Schulratspräsident von St. Margrethen tätig. Man
habe sich bewusst für jemanden entschieden, «der nahe an der Volksschule ist»,
so Kölliker. Als Programmleiter koordiniert Trösch diese fünf Bereiche:
Volksschule und Mittelschule
An der Pädagogischen Hochschule soll ein «Kompetenzzentrum Digitalisierung und Bildung» entstehen. Es hat zum Ziel, Unterrichtsmodelle, digitale Lernmedien und Weiterbildungen für Lehrer zu entwickeln.
Universität
An der Universität
St. Gallen ist die «School of Information and Computing Science» geplant mit
einem Bachelor- und Masterstudiengang für Informatik und Management.
Fachhochschule
An der Fachhochschule soll
das «Kompetenzzentrum Angewandte Digitalisierung» mit standortübergreifendem
Angebot entstehen. Der Schwerpunkt für Informatik, der in Rapperswil-Jona
liegt, soll auf St. Gallen ausgeweitet werden.
Vernetzung von Bildung und Wirtschaft
Eine Onlineplattform soll
Interessierte und Unternehmen für Praktika vernetzen. Zudem soll das Interesse
an Informatik, Naturwissenschaften und Technik gefördert werden.
Berufsbildung
Die Plattform «Fit4Future»
will die Zusammenarbeit zwischen Berufsschulen, Betrieben und Branchenverbänden
in der Ausbildung stärken.
Die IT-Bildungsoffensive
war im Parlament grundsätzlich völlig unbestritten. Für Ärger sorgte die
Berufsbildung – vielmehr ihre Abwesenheit. Die Berufsbildung fehle gänzlich,
kritisierten die Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell und der
St. Galler Gewerbeverband, als die Regierung ihren Entwurf für die
IT-Bildungsoffensive 2017 in die Vernehmlassung gab (siehe Zweittext am
Schluss). Auch SVP, FDP und SP übten Kritik. «Drei Viertel der Leute machen
eine Berufsbildung. Es wäre verantwortungslos gewesen, sie aussen vor zu
lassen», sagt Sandro Wasserfallen, Präsident der SVP-Bildungskommission. Er
zeigt sich zufrieden mit den überarbeiteten Schwerpunkten: «Gerade ‹Fit4Future›
scheint mir sehr sinnvoll mit der Verbindung von Branchenverbänden und
Berufsbildung.»
«Direkt und positiv spürbar»
Das duale Bildungssystem
und die Berufsbildung seien Teil «eines Erfolgsmodells, das massgeblich zur
Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und unseres Wirtschaftsstandortes
beiträgt», sagt FDP-Kantonsrätin Isabel Schorer. Sie war Mitglied der
vorberatenden Kommission über den Sonderkredit. Der zusätzliche Schwerpunkt im
Bereich Berufsbildung sei «richtig und wichtig». Die IT-Bildungsoffensive müsse
in Schulen, Lehrbetrieben und Wirtschaft «direkt und positiv spürbar werden».
Es reiche nicht, «wenn lediglich Kompetenzzentren, Institute oder Plattformen
aufgebaut werden». Michael Hugentobler, Leiter der CVP-Fachkommission Bildung
und Erziehung, mahnt den Kantonsrat zu einem «kritischen Auge» bei der
Finanzierung von Projekten und Massnahmen. Kritisch betrachtet er die
Infrastruktur – sie ist nicht Teil des Sonderkredits. Es dürfe nicht sein, dass
die IT der Volksschulstufe auf die Finanzstärke und Grösse der Gemeinde
ankomme, so Hugentobler. Die IT-Bildungsoffensive sei «grundsätzlich
vollumfänglich zu unterstützen und zu fördern».
Wie Hugentobler hatte auch
der Kantonale Lehrerinnen- und Lehrerverband (KLV) im Vorfeld vor einer «Zwei-
oder Mehrklassengesellschaft» bezüglich der Informatikmittel gewarnt. Der KLV
teilte gestern in einem Communiqué mit, dass er sich dafür einsetzen werde,
dass «die nötigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung durch den
Kanton gewährleistet werden». Dazu gehörten «eine bedarfsgerechte Aus-
beziehungsweise Weiterbildung der Lehrpersonen und die dafür nötigen zeitlichen
und finanziellen Ressourcen». Deshalb gebe der KLV die Ja-Parole aus.
Zahlreiche andere dürften in den nächsten Wochen folgen.
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