Tim* ist ein fröhlicher Bub.
Dem Achtjährigen sieht man nicht an, dass er anders ist als andere. Dass er
viel langsamer ist, dass er in der zweiten Klasse noch in die Hose machte oder
dass er keine Verbform beherrscht.
«Mit drei Jahren konnte er 15 Wörter», erzählt seine Mutter.
Seit dem Alter von neun
Monaten bekommt Tim Frühförderung: Physiotherapie, Logopädie; eine
Heilpädagogin besucht ihn regelmässig daheim.
Integration absurd: Die wundersame Verwandlung eines Sonderschülers in einen Regelschüler, Beobachter, 11.10. von Birthe Homann und Conny Schmid
Als Tim in den Kindergarten
soll, empfehlen die Therapeuten eine Sonderschule. In der Regelschule werde er
nicht mithalten können. «Das war schwierig für uns», sagt seine Mutter. Zu akzeptieren, dass das
Kind behindert ist.
In der Sprachheilschule macht
Tim grosse Fortschritte. Vier Jahre lang besucht er sie. Weil er zu gut wird
für die Sonderschule, muss er wechseln. Auch aus Kostengründen. Seit den
Sommerferien besucht Tim deshalb die dritte Klasse einer Regelschule. Er ist
nun «integriert». Obwohl die Sprachheilschule mindestens acht Stunden
integrierte Förderung empfahl, bekommt Tim derzeit nur drei. «Logopädie hat er
bis jetzt gar nicht», sagt seine Mutter. Sie fragt sich, wie er dem Schulstoff
folgen soll. «Er hat grosse Lücken, kommt mit dem Tempo nicht mit.»
In der Sprachheilschule
kümmerten sich drei Lehrpersonen um zehn Kinder. In der Regelschule ist es eine
Lehrerin für 23 Kinder. Die Heilpädagogin kommt dreimal für eine Stunde. Im
Vorgespräch habe die Schulleiterin immer wieder gesagt: «Vertrauen Sie doch
Ihrem Sohn.» – «Für mich ein Witz», gesteht die Mutter.
Sie habe vier Jahre lang
lernen müssen, dass Tim eine Behinderung hat. «Von einem Tag auf den andern ist
er nun aber plötzlich ein normales Kind, das genauso viel Förderung erhält wie
andere auch?»
* Name geändert
"Mit drei Jahren konnte er nur 15 Wörter" so die Mutter. Höchster Alarm für ausschliesslich Logopäde, dann Sprachheilkindergarten und Sprachheilschule.In welchem "wundersamen" eidgenössischen Kanton haben die verantwortlichen Behörden davon keine Ahnung?
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