Fremdsprache Französisch wird im Thurgau weiterhin
ab der Primarschule unterrichtet. Ob die nach dem Sprachenstreit eingeleiteten
Verbesserungsmassnahmen wirken, prüft das Amt für Volksschule mit einer Studie.
Frühfranzösisch im Praxistest, Thurgauer Zeitung, 24.10. von Sebastian Keller
Es hat
fast geblendet. Das mediale Scheinwerferlicht war derart stark auf den Thurgau
gerichtet, als dieser drauf und dran war, das Frühfranzösisch abzuschaffen. Wir
schreiben den 3. Mai 2017. In der ersten Lesung sind die
Abschaffungsbefürworter im Grossen Rat mit 64 zu 53 Stimmen in der Mehrheit.
Tags darauf fallen Bäume der Entrüstung aus dem nationalen Blätterwald auf den
Thurgau nieder. Als Totengräber des nationalen Zusammenhaltes wird er
verschrien. Die Rede ist gar von einer Bundesintervention: Bleibe der Thurgau
auf Abschaffungskurs, greife Innenminister Alain Berset ein. Mitte Juni 2017
behandelt das Kantonsparlament erneut die Sprachenfrage. Die Scheinwerfer der
Nation sind wieder da. Sie beleuchten den Meinungsumschwung: 62 Kantonsräte
votieren für die Beibehaltung des Frühfranzösisch, 60 für die Abschaffung.
Lebensrettende Sofortmassnahmen
Ob die
lebensrettenden Sofortmassnahmen fürs Frühfranzösisch, die Erziehungsdirektorin
Monika Knill zwischen den zwei Sitzungen konkretisiert hatte, zum Umschwung
führten, ist Spekulation. Fakt ist: Seit die Glocke das Schuljahr 2018/2019
eingeläutet hat, wird Französisch immer noch ab der fünften Klasse
unterrichtet. Die Massnahmen, die den Französischunterricht auf der
Primarschule verbessern sollen, kommen in den Schulzimmern an (siehe Kasten).
Ob das
neue Lehrmittel und der Halbklassenunterricht, zwei der vier Massnahmen,
Früchte tragen, will das Thurgauer Amt für Volksschule genau überprüfen. Dies
ist im «Bildungsbericht Thurgau 2018» zu lesen. Amtschef Beat Brüllmann
bestätigt, dass eine vergleichende Studie im Gang ist. Der erste Teil der
Studie wurde im Juni durchgeführt: Rund 300 Sechstklässlern im ganzen Kanton,
die noch nicht in den Genuss der Massnahmen gekommen sind, nahmen an den Tests
teil. «Die Stichprobe wurde zufällig ausgewählt», sagt Brüllmann. Im Juni 2020
treten erneut rund 300 Schülerinnen und Schülern zum Test an. Sie haben
dannzumal mit dem neuen Lehrmittel gearbeitet und werden mindestens während
einer Lektion im Halbklassenverband unterrichtet. «Es geht zum Beispiel um die
Bereiche Schreiben oder Hörverständnis», sagt der Amtschef. Die Tests werden zusammen
mit der Pädagogischen Hochschule St.Gallen und der Universität Zürich
durchgeführt. «Diese Institutionen verfügen über entsprechendes Testmaterial
und Erfahrungen.»
Resultate liegen erst im Jahr 2020 vor
«Da es
sich um eine vergleichende Studie handelt, liegen noch keine Resultate vor»,
sagt Beat Brüllmann. Nach der zweiten Tranche im Jahr 2020 will das Amt über
die Resultate informieren. «Das entspricht einem Wunsch aus dem Grossen Rat.»
Denn: Frühfranzösischgegner zweifelten in der Grossratsdebatte an der
Wirksamkeit der Verbesserungen.
Sollten
die Massnahmen nicht den erhofften Erfolg bringen, würden weitere geprüft.
Denkbar ist laut Brüllmann eine Intensivierung von Austauschmöglichkeiten.
Diese bestehen heute schon – sie reichen von Brieffreundschaften über
verlängerte Schulreisen bis zu Klassenlagern in der Romandie. Das Amt für
Volksschule stellt die Angebote zur Verfügung und leistet – etwa für Lager –
einen finanziellen Beitrag. «Es besteht aber keine Pflicht», sagt Brüllmann.
Ein Ziel wurde dennoch formuliert. Es ziert den Flyer «Mini Schwiiz isch aussi
ta Suisse»: Bis ins Jahr 2020 haben mindestens 20 Prozent der Thurgauer Schüler
mindestens einmal eine Form des Austauschs mit einer anderen Sprachregion der
Schweiz erlebt.
Einfachere Dispensation
Mit vier
Massnahmen soll der Französischunterricht auf der Primarschule verbessert
werden. «Zu Beginn dieses Schuljahres wurde mit diesen Verbesserungen
begonnen», sagt Beat Brüllmann, Chef des Amtes für Volksschule. «Einzelne
Massnahmen brauchen etwas Zeit.» So gilt seit Sommer eine einfachere
Dispensationsregel: Die Schulleitung kann in Absprache mit der Lehrperson und
den Erziehungsberechtigten über eine Dispensation entscheiden. Die zweite
Massnahme: Für den Übertritt in die Sekundarschule haben die Leistungen in
Französisch und Englisch keine Bedeutung mehr. Die dritte Massnahme unterstützt
der Kanton finanziell: Mindestens eine Lektion in der 5. und 6. Klasse wird in
Halbklassen abgehalten. Die vierte Massnahme ist die Einführung des neuen Französischlehrmittels
«dis donc!» für die Primar- und Sekundarstufe. «Erste Schulen haben das
Lehrmittel bereits im Einsatz», sagt Brüllmann. (seb.)
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