21. Oktober 2018

Selbstorganisiertes Lernen als Unterrichtsform der Zukunft

Die Atmosphäre gleicht der eines bunten Grossraumbüros: An abgetrennten Tischen wird gearbeitet – hier wird geflüstert, dort wird nebenbei Musik gehört. Fotos, Post-its und Postkarten zieren die Arbeitsplätze, auf den Arbeitsflächen liegen persönliche Gegenstände. Stehcomputer sind jederzeit zugänglich, manche Jugendliche haben Laptops auf den Tischen. Lern-Coaches begleiten die individuelle Lernarbeit. 
Schulen müssen sich komplett ändern, Basellandschaftliche Zeitung, 19.10. von Cornelia Eisenach - Artikel gesponsort durch die Gebert Rüf-Stiftung. Der Artikel erschien auch in der Südostschweiz - allerdings ohne Hinweis darauf, dass es sich um einen gesponsorten Text handelt.


Wir befinden uns in der Sekundarschule Petermoos in Buchs im Kanton Zürich. Hier verbringen die Schülerinnen und Schüler einen Drittel ihrer Zeit nicht in Klassenzimmern, sondern in Lernateliers. In diesen erfüllen sie selbstständig und nach eigener Planung Aufträge, die ihre Lehrer individuell auf sie zuschneiden. Neben dem individualisierten Lernen verfolgt diese Art des Unterrichts noch ein ganz anderes Ziel: die Freude am Lernen zu fördern. Und das ist wichtig, denn in der Schule der Zukunft wird es immer weniger um die Vermittlung von Inhalten gehen. Einfach, weil niemand genau weiss, was Kinder später für den Beruf brauchen. Stattdessen wird es immer wichtiger, dass die Kinder sich gut und gerne Neues aneignen. 

Ungewisses Wissen 
Was unsere Kinder in Zukunft wissen und können müssten, sei ungewisser denn je, schreibt der Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari in seinem neuesten Buch «21 Lektionen für das 21. Jahrhundert»: «Wenn Sie 1018 in China lebten, wussten Sie, dass auch im Jahr 1050 die meisten Menschen noch als Bauern und Weber arbeiten würden […]. So lehrten arme chinesische Eltern ihre Kinder 1018, wie man Reis pflanzt oder Seide webt […]. Es war offensichtlich, dass diese Fähigkeiten auch im Jahr 1050 noch benötigt würden.» Tausend Jahre später, im Jahr 2018 ist bei Weitem nicht klar, welche Fähigkeiten unsere Kinder im Jahr 2050 brauchen werden. Denn dann werden Berufe existieren, über die wir jetzt bestenfalls spekulieren: Roboterberater, Abfalldesigner, persönliche Gedächtnisberaterin, Augmented-Reality-Journey-Builder und viele mehr. 

Einiges wissen wir aber: Studien zeigen, dass neben Computerfähigkeiten vor allem soziale und analytische Fähigkeiten immer wichtiger werden, wie Dominik Petko, Prorektor der Pädagogischen Hochschule Schwyz, sagt. Zwar blieben komplexe Tätigkeiten vorläufig Aufgabe des Menschen. Aber viele einfachere Tätigkeiten würden künftig von Computern übernommen. 

Das bedeutet unter anderem, dass Kinder heute lernen müssen, mit Programmen, Algorithmen, Daten und digitalen Medien umzugehen. Dabei soll das neue Modul «Medien und Informatik» helfen. Dieses ist Teil des Lehrplans 21, der als erster gemeinsamer Lehrplan derzeit sukzessive in den Schulen der Deutschschweiz eingeführt wird. «Das ist ein erster Schritt», sagt Petko. «Informatik und Mediennutzung müssen nun auch fächerübergreifend ein Thema sein.» Denn Digitalisierung bedeute in jedem Fach etwas anderes. In Deutsch geht es nicht mehr nur um Texte und Bücher, sondern um ganz verschiedene Medien wie Websites oder Videos. In Mathematik müsse man nicht nur auf Papier rechnen, sondern auch mit Programmen und Algorithmen arbeiten können. Dazu müssen in den Schulen Computer und Internet frei zugänglich sein. 

Es braucht mehr als nur Tablets 
Wer nun aber glaubt, dass die Anschaffung von Smartphones, Tablets und dergleichen reicht, um die Kompetenzen für die digital bestimmte Berufswelt von morgen aufzubauen, der liegt gehörig daneben. Solche Hilfsmittel machten nur Sinn, wenn dadurch ein konkretes pädagogisches Ziel erreicht werde, sagt Maja Burkhart, Lehrerin an der Sekundarschule Petermoos. «Ich nutze zum Beispiel Smartphones im Französischunterricht, um die Sprachfertigkeit zu überprüfen», sagt Burkhart. Sie bittet ihre Schülerinnen und Schüler, sich selber beim Sprechen auf Video aufzunehmen und ihr dieses dann zu senden. «So haben die Kinder nicht den Druck, vor der Gruppe sprechen zu müssen. Ausserdem kann ich mir so einen besseren Eindruck über ihr Können verschaffen, denn das Video kann ich zurückspulen.» Hier bringen digitale Hilfsmittel also einen konkreten Mehrwert in den Unterricht. 

Sie sollen kreativ denken lernen 
Aber die Digitalisierung hat noch eine andere, viel grundlegendere Konsequenz: Das Klassenzimmer als Ort der Informationsvermittlung hat wohl ausgedient. Und das nicht nur, weil Lernende sich Informationen heute zu jeder Zeit und an jedem Ort beschaffen könnten, wie Toni Ritz, Direktor von Educa, der Fachagentur für Bildung und ICT von Bund und Kantonen, sagt. «In Zukunft werden Kompetenzen wie Kollaborationsfähigkeit, Kreativität, kritisches Denken und Kommunikation über den beruflichen Erfolg entscheiden.» Ein Beispiel: Innovation ist ein wichtiger Treiber der Wirtschaft. Bisher beruhte sie meist darauf, bestehende Geschäftsmodelle oder Produktionsanlagen zu optimieren oder zu perfektionieren. «Solche Arbeiten werden künftig hauptsächlich von Robotern und Systemen mit künstlicher Intelligenz übernommen», sagt Ritz. «Was solche Systeme allerdings nicht können, ist kreativ zu sein.» Daher sei es wichtig, Kompetenzen wie Kreativität zu fördern, so Ritz. «Solche Kompetenzen werden kaum im Frontalunterricht erlernt.» 

Wie genau die Schule der Zukunft aussehen soll, weiss keiner genau. Aber im uneinheitlichen Bildungssystem der Schweiz werden viele Ansätze in einzelnen Schulen erprobt. Wie eben in der Schule Petermoos. Diese hat ihr Lernlandschaftsmodell schon vor Jahren eingeführt und dafür 2015 auch den Schweizer Schulpreis bekommen.

Klar ist, dass sich unsere Kinder in Zukunft immer wieder weiterbilden und mit neuen Technologien auseinandersetzen müssen. Die Zukunft mag zwar so ungewiss sein wie nie zuvor. Der stetige Wandel jedoch ist eine der wenigen Gewissheiten.


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