25. Oktober 2018

Passepartout: Schwärmerei oder Fakten?


In seinem Artikel zu den Fremdsprachenlehrmitteln ergreift Bernhard Bonjour Position für die Passepartout-Französischbücher Mille feuilles und Clin d’oeil. Dabei verfährt er in einer Weise, die leider in pädagogischen Debatten vorherrscht: Alles Frühere ist das Alte und deshalb schlecht, das Neue ist gut. Gut ist eigentlich nur eine Schule, nämlich seine eigene, schlecht sind alle andern. Als Lehrer müsste er wissen, dass Verallgemeinerungen immer falsch sind.
Passepartout: Schwärmerei oder Fakten? 25.10. von Felix Schmutz

      
Zugunsten von Mille feuille führt er an, dass die Kinder damit jetzt gerne Französisch lernten. Wenn die Tests keine guten Resultate zeigen, sind eben Tests eine unmögliche Sache. Wie er jedoch erurieren will, wenn nicht in Form irgendeiner Überprüfung, dass Spracherwerb überhaupt erfolgt ist, sagt er nicht. Dass die Starke Schule gute Gründe haben könnte, die Lehrmittel kritisch zu beurteilen, will er nicht sehen.
      
Bonjour verschweigt, dass sich Primarlehrerinnen der Stufen 5 und 6, die diese angeblich hoch motivierten Französisch-Lernenden übernehmen, bereits über die Frustration ihrer Schützlinge wundern. Ebenso, dass die Sekundarlehrpersonen über fehlende Kenntnisse erschrecken. Er verschweigt auch, dass eine Vergleichsstudie der Uni Freiburg an über 500 Jugendlichen ein signifikant besseres Ergebnis im Leserverständnis für diejenigen ergab, die mit dem «schlechten» Bonne Chance unterrichtet worden waren, obwohl die Passepartout-Methode für sich die bessere Vorbereitung in Anspruch nimmt.
     
Fakten decken sich eben nicht mit Schwärmereien. Fakten schafft schon eher die noch junge wissenschaftliche Erforschung des Fremdsprachenerwerbs. Diese stellt Hypothesen und Theorien auf, überprüft sie auf ihre Tauglichkeit, relativiert sie, verfeinert sie, falsifiziert sie, wenn nötig. Wissenschaft eben. Rod Ellis referiert in seinem Forschungsbericht von 2015 Understanding Second Language Acquisition rund 40 solcher Hypothesen. Er warnt davor, diese Theorien eins zu eins in den Unterricht zu übernehmen, denn viele Punkte seien noch umstritten und nicht eindeutig erwiesen.
     
Genau das taten aber Bonjours «engagierte» Autoren der Passepartout-Lehrmittel. Sie stellten einen Cocktail von ihnen genehmen Theorien zusammen, bezeichneten diese als «neue fremdsprachendidaktische Konzepte», die den Unterricht verbesserten, und warfen seit Jahren bewährte Verfahren mit Hochmut über Bord. Wobei es in letzter Zeit vorkommt, dass sie sich grosszügig aus der Trickkiste früherer Didaktik bedienen, die Methoden dann aber schamlos als ihre eigenen ausgeben.
     
So ist plötzlich auf der Passepartout-Website zu lesen, dass die Bücher einem grammatischen Aufbau folgten, obwohl genau dies früher in Abrede gestellt wurde, weil die Theorie galt, dass die Lernenden einen angeborenen Sprachaufbau in sich trügen, der bei der Begegnung mit authentischem Material automatisch in Gang komme und durch Unterricht nicht zu beeinflussen sei. Eine These, die in der Forschung inzwischen widerlegt ist, bzw. viel differenzierter dargestellt wird.
     

Nein, Herr Bonjour, es ist ausgerechnet die Starke Schule, die es wagt, für einen Unterricht einzustehen, der das Prädikat «besser» auch verdient, nämlich mit Lehrmitteln, die sich nicht auf einseitige Theorien eingeschossen haben, sondern durch vielfältige Methoden Interesse, Freude wecken und vor allem Gewinn bringen wollen, ein Unterfangen, das nie bei allen, aber doch bei manchen gelingen kann. 

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