7. September 2018

Wachstumsindustrie

Der Gastkommentar von SilviaSteiner zeichnet das Bild einer heilen Welt im Bildungswesen. Etwas mehr Selbstkritik wäre aber angebracht. Kürzlich erfuhren wir, dass zu wenig qualifizierte Lehrpersonen gefunden werden können. Dass dies nicht an der Entlöhnung liegt, konnte man in der NZZ vom 28. 8. 18 lesen: 87000 Franken Bruttolohn für Berufseinsteiger ab pädagogischer Hochschule (zum Vergleich Juristen ab Studium: 54000 Franken). Die Lehrer sind heute mit vielen Zusatzaufgaben (über-)belastet, die wenig mit ihrer Berufung zu tun haben, und zunehmend stellen wir Burnouts fest (wie übrigens auch bei den Schülern). Auch fehlen Sozialarbeiter und Schulpsychologen.
NZZ, 5.9. Leserbrief von Anton Schaad

Hier liegen die Gründe anderswo. Psychologische Betreuung ist eine Wachstumsindustrie und in der integrativen Schulung systemimmanent. Die integrative Förderung mag zwar integrierend wirken, hat aber Schwächen, welche zulasten aller gehen. Eine Pilotstudie im November 2017 zeigt, dass zwei Drittel der förderungsbedürftigen Kinder, aber auch ein Drittel der nicht Förderungsbedürftigen in standardisierten Leistungstests das Minimalniveau in Mathematik und Deutsch nicht erreichen. Silvia Steiner erklärt, dass der Rückhalt der öffentlichen Schule sich auch daran zeige, dass im Vergleich mit anderen Ländern nur wenige Kinder eine nichtstaatliche Schule besuchten. Das stimmt zwar – noch. Wie wir kürzlich lesen konnten, ist die Erfolgsquote in einigen Goldküstengemeinden an der Maturaprüfung rund doppelt so hoch wie jene in Landgemeinden. Die Gründe sind nicht soziokultureller Natur, wie uns Hochschulpädagogen glauben machen, sondern sie liegen schlicht darin, dass reiche Eltern sich private Zusatzstunden und eben den Besuch einer Privatschule für ihre Kinder leisten können. Noch ein Wort zum «grossen Handlungsspielraum» der Gemeinden: In den Gemeinden erlebt man das etwas anders: Praktisch alles wird «von oben» vorgegeben, Subsidiarität herrscht hingegen vor allem beim Bezahlen der Rechnung (die Schulkosten in den Gemeinden wachsen dramatisch). 2008 feuerte die Schulpflege Horgen symbolisch einen Böllerschuss gegen Zürich wegen «unsinniger Vorgaben». Vielleicht sollten wir die Kanone wieder einmal laden.



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