In den Schulen herrscht ein Mangel an Spezialisten für schwierige Schüler. Doch bei deren Ausbildung steht der Kanton Zürich auf die Bremse.
Notstand bei den Heilpädagogen, NZZaS, 15.7., von René Donzé
Sie haben Leseschwächen, Aufmerksamkeitsprobleme, eine
geistige Beeinträchtigung oder eine Hochbegabung: Die Gründe, warum Schüler von
Heilpädagoginnen unterstützt werden, sind vielfältig. Die Spezialisten
entlasten auch die Klassenlehrer, damit sich diese auf die anderen Schüler konzentrieren
können.
Doch längst nicht überall, wo Heilpädagogen benötigt werden,
lassen sich solche finden. Allein im Kanton Zürich sind fürs neue Schuljahr
noch gut 60 Stellen unbesetzt. Auch andere Kantone melden einzelne Vakanzen.
Der Schulleiterverband hat schon im Juni darauf hingewiesen, wie schwierig es
ist, Spezialisten zu finden. Entsprechend viele Stellen werden am Ende mit
Lehrerinnen besetzt, die kein Heilpädagogik-Diplom haben. Nur gut die Hälfte
der als Heilpädagogen Tätigen verfüge über einen entsprechenden Abschluss, sagt
Markus Rubin, Mitglied der Leitung der Interkantonalen Hochschule für
Heilpädagogik.
Verschiedene Kantone bestätigen diese Einschätzung; die Rede
ist von 20 bis 50 Prozent nicht adäquat Ausgebildeten. Im Kanton Zürich etwa
werden laut Volksschulamt rund 40 Prozent aller heilpädagogischen Lektionen von
Nichtdiplomierten erteilt; immerhin befindet sich die Hälfte davon in
Ausbildung. «Die Situation wird sich nicht von selber entschärfen», sagt Rubin.
Nun zeigt sich: Dieser Mangel ist teilweise hausgemacht. Die
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik in Zürich bildet zwar pro Jahr
zwischen 170 und 260 schulische Heilpädagogen aus. Doch liegt die Zahl der
geeigneten Interessentinnen höher. Pro Jahr kann die Schule zwischen 60 und 140
Personen nicht aufnehmen. Die 13 Deutschschweizer Kantone, die die Schule
finanzieren, haben eine Obergrenze festgelegt. Jeder zusätzliche Platz muss von
den Kantonen separat bestellt und bezahlt werden: Das macht 42500 Franken pro
Platz für die dreijährige Masterausbildung. «Um den permanenten Mangel an
heilpädagogischen Fachpersonen zu beheben, ist aus unserer Sicht eine Erhöhung
der Ausbildungskapazität notwendig», sagt Rubin.
Doch die Politik winkt ab. Die Zürcher Bildungsdirektorin
Silvia Steiner sieht keinen Anlass, die Kontingente zu erhöhen. Zürich ist der
grösste Trägerkanton der interkantonalen Schule und bezahlt mit Abstand am
meisten. «Eine weitere Erhöhung der Kontingente finde ich zurzeit nicht nötig,
und sie wäre auch teuer. Wir stocken aber unsere Ausbildungsplätze regelmässig
auf», sagt Steiner. So kauft der Kanton jährlich noch mehr als 90 Plätze dazu.
Andere Kantone schöpfen nicht einmal ihr Kontingent aus. Würde man die
Ausbildung generell hochfahren, würde die Nachfrage einfach stetig weiter
wachsen, befürchtet Steiner.
Die spezialisierte Hochschule in Zürich steht mit dieser
Beschränkung allein da. Die drei Pädagogischen Hochschulen, die ebenfalls einen
Master in Heilpädagogik anbieten, haben ihre Kapazitäten ausgebaut. In Luzern
wurde die Zahl der Plätze von 60 auf über 100 aufgestockt, in Bern von 50 auf
70, und die PH für die Nordwestschweiz bietet 80 Plätze an. Die PH Bern bemüht
sich aktiv um mehr Studenten, indem sie neu ein flexibleres Studium anbietet:
Das dreijährige Masterstudium wird damit attraktiver für all jene, die
Berufstätigkeit, Ausbildung und Familie unter einen Hut bringen müssen.
Für Bildungsdirektorin Steiner müssen die Bemühungen jedoch
in eine andere Richtung gehen. Man müsse sich überlegen, ob es eine Untergrenze
bei den Pensen für Heilpädagoginnen brauche. Zu viele würden nach der teuren
Ausbildung nur wenige Lektionen pro Woche unterrichten. Zudem brauche es
Massnahmen, damit weniger Schüler überhaupt separate heilpädagogische
Unterstützung benötigen: «Diese Quote sollte man möglichst tief halten», sagt
sie. Nachdem sie stetig gestiegen sei, zeichne sich jetzt eine Stabilisierung
ab.
Steiner plädiert dafür, dass angehende Lehrerinnen im
Grundstudium besser auf den Umgang mit schwierigen und schwachen Schülern
vorbereitet werden. Dann könnten sie mehr Probleme im Klassenzimmer selber,
ohne die Hilfe von Spezialisten, lösen.
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