22. Juli 2018

Schwierig zu findende Heilpädagogen

In den Schulen herrscht ein Mangel an Spezialisten für schwierige Schüler. Doch bei deren Ausbildung steht der Kanton Zürich auf die Bremse. 

Notstand bei den Heilpädagogen, NZZaS, 15.7., von René Donzé 


Sie haben Leseschwächen, Aufmerksamkeitsprobleme, eine geistige Beeinträchtigung oder eine Hochbegabung: Die Gründe, warum Schüler von Heilpädagoginnen unterstützt werden, sind vielfältig. Die Spezialisten entlasten auch die Klassenlehrer, damit sich diese auf die anderen Schüler konzentrieren können.

Doch längst nicht überall, wo Heilpädagogen benötigt werden, lassen sich solche finden. Allein im Kanton Zürich sind fürs neue Schuljahr noch gut 60 Stellen ­unbesetzt. Auch andere Kantone melden einzelne Vakanzen. Der Schulleiterverband hat schon im Juni darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, Spezialisten zu finden. Entsprechend viele Stellen werden am Ende mit Lehrerinnen besetzt, die kein Heilpädagogik-Diplom haben. Nur gut die Hälfte der als Heilpädagogen Tätigen verfüge über einen entsprechenden Abschluss, sagt Markus Rubin, Mitglied der Leitung der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik.
Verschiedene Kantone bestätigen diese Einschätzung; die Rede ist von 20 bis 50 Prozent nicht adäquat Ausgebildeten. Im Kanton Zürich etwa werden laut Volksschulamt rund 40 Prozent aller heilpädagogischen Lektionen von Nichtdiplomierten erteilt; immerhin befindet sich die Hälfte davon in Ausbildung. «Die Situation wird sich nicht von selber entschärfen», sagt Rubin.

Nun zeigt sich: Dieser Mangel ist teilweise hausgemacht. Die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik in Zürich bildet zwar pro Jahr zwischen 170 und 260 schulische Heilpädagogen aus. Doch liegt die Zahl der geeigneten Interessentinnen höher. Pro Jahr kann die Schule zwischen 60 und 140 Personen nicht aufnehmen. Die 13 Deutschschweizer Kantone, die die Schule finanzieren, haben eine Obergrenze festgelegt. Jeder zusätzliche Platz muss von den Kantonen separat bestellt und bezahlt werden: Das macht 42500 Franken pro Platz für die dreijährige Masterausbildung. «Um den permanenten Mangel an heilpädagogischen Fachpersonen zu behe­ben, ist aus unserer Sicht eine Erhöhung der Ausbildungskapazität notwendig», sagt Rubin.

Doch die Politik winkt ab. Die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner sieht keinen Anlass, die Kontingente zu erhöhen. Zürich ist der grösste Trägerkanton der interkantonalen Schule und bezahlt mit Abstand am meisten. «Eine weitere Erhöhung der Kontingente finde ich zurzeit nicht nötig, und sie wäre auch teuer. Wir stocken aber unsere Aus­bildungsplätze regelmässig auf», sagt Steiner. So kauft der Kanton jährlich noch mehr als 90 Plätze dazu. Andere Kantone schöpfen nicht einmal ihr Kontingent aus. Würde man die Ausbildung generell hochfahren, würde die Nachfrage einfach stetig weiter wachsen, befürchtet Steiner.
Die spezialisierte Hochschule in Zürich steht mit dieser Beschränkung allein da. Die drei Pädagogischen Hochschulen, die ebenfalls einen Master in Heilpädagogik anbieten, haben ihre Kapazitäten ausgebaut. In Luzern wurde die Zahl der Plätze von 60 auf über 100 aufgestockt, in Bern von 50 auf 70, und die PH für die Nordwestschweiz bietet 80 Plätze an. Die PH Bern bemüht sich aktiv um mehr Studenten, indem sie neu ein flexibleres Studium anbietet: Das dreijährige Masterstudium wird damit attraktiver für all jene, die Berufstätigkeit, Ausbildung und Familie unter einen Hut bringen müssen.

Für Bildungsdirektorin Steiner müssen die Bemühungen jedoch in eine andere Richtung gehen. Man müsse sich überlegen, ob es eine Untergrenze bei den Pensen für Heilpädagoginnen brauche. Zu viele würden nach der teuren Ausbildung nur wenige Lektionen pro Woche unterrichten. Zudem brauche es Massnahmen, damit weniger Schüler überhaupt separate heilpädagogische Unterstützung benötigen: «Diese Quote sollte man möglichst tief halten», sagt sie. Nachdem sie stetig gestiegen sei, zeichne sich jetzt eine Stabilisierung ab.


Steiner plädiert dafür, dass angehende Lehrerinnen im Grundstudium besser auf den Umgang mit schwierigen und schwachen Schülern vorbereitet werden. Dann könnten sie mehr Probleme im Klassenzimmer selber, ohne die Hilfe von Spezialisten, lösen.

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