22. Juli 2018

Rhyn: "Schüler sollen das erworbene Wissen anwenden können"

Was sind Ihrer Meinung nach die einschneidendsten Änderungen, die mit dem Lehrplan einhergehen?
Heinz Rhyn: Die grundsätzliche Neuerung, die der Lehrplan 21 mit sich bringt, ist, dass es nicht ausreicht, ein Thema im Unterricht nur zu behandeln. Der Lehrplan 21 setzt zum Ziel, dass das, was unterrichtet wurde, auch verstanden worden ist und dass die Schüler das erworbene Wissen anwenden können. Im Kanton Zürich beginnt zudem der Englischunterricht erst in der 3. Klasse und Medien und Informatik wird zu einem wichtigen und neuen Unterrichtsbereich. Zusätzlich wird in der zweiten Sekundarstufe die berufliche Orientierung gestärkt. Der Lehrplan 21 schafft ausserdem einen gewissen Abgleich zwischen den Lehrplänen der Kantone.
"Vorbehalte gibt es dort, wo Missverständnisse vorliegen", Zürichsee Zeitung, 10.7. von Philippa Schmidt


Da gibt es aber immer noch grosse Unterschiede. Hätte man nicht weitergehen sollen?
Die kantonalen Schulsysteme haben teilweise verschiedene historische Hintergründe. Das führt dazu, dass die Gewichtung der Fächer sehr unterschiedlich ist. Wenn man diese angepasst hätte, hätten gewisse Kantone ihr Schulsystem stark umstellen müssen. Daher hat man mit der Einführung des Lehrplans 21 rund 80 Prozent vereinheitlicht und etwa 20 Prozent den Kantonen überlassen. Damit können Lehrmittel produziert werden, die in verschiedenen Kantonen einsetzbar sind. Das war vorher relativ schwierig.

Ein Grossteil der Zürcher Lehrer besucht an der Pädagogischen Hochschule Weiterbildungen für den Lehrplan 21. Was bekommen Sie für Rückmeldungen?
Vor allem beim neuen Unterrichtsbereich Medien und Informatik ist die Vorfreude gross. Ich nehme aber generell eine sehr grosse Akzeptanz für die Neuerungen durch den Lehrplan 21 wahr. Es ist, als wäre eine Hürde überschritten worden, weil die Lehrer nun wissen, dass sie das, was auf sie zukommt – der sogenannt kompetenzorientierte Unterricht –, weitgehend beherrschen. Es gibt ganz wenige grundsätzliche Vorbehalte.

Was sind das für Vorbehalte?
Es gibt insbesondere dort Vorbehalte, wo Missverständnisse vorliegen. Lange Zeit wurde kolportiert, dass kompetenzorientierter Unterricht kein Wissen mehr erfordert. Das stimmt nicht. Es gibt keinen Kompetenzerwerb ohne Wissen als Grundlage. Kompetenzorientiertes Lernen ist eine Weiterentwicklung, mit der man das Wissen auch anwenden kann. Ein zweites Missverständnis ist, dass kompetenzorientierter Unterricht Vorgaben macht, was die Methodik anbelangt. Dem ist nicht so. Es wird weiterhin eine Methodenvielfalt im Unterricht geben. Solche Missverständnisse haben teilweise zur Skepsis gegenüber dem Lehrplan 21 geführt. Inzwischen wird im Schulumfeld, aber auch bei den Schulleitungen der Lehrplan sehr gut aufgenommen.

Kritiker haben moniert, dass lernschwache Schüler durch das selbstständige Lernen benachteiligt werden. Können die Lehrer denn gerade in solchen Fällen ihre Methodik anpassen?
Unbedingt, das müssen sie sogar. Wenn man zu stark auf das selbstständige Lernen setzen würde, könnte das durchaus dazu führen, dass einzelne Kinder überfordert wären.

Schulleitungen haben der ZSZ gegenüber gesagt, dass der Lehrplan 21 eine Anpassung daran sei, wie bereits unterrichtet werde. Was sagen Sie dazu?
Wir haben ein Weiterbildungsangebot, mit dem die Schulen eine Standortbestimmung machen können. In den letzten anderthalb Jahren haben über 60 Schulen dieses Angebot genutzt. Dabei hat sich gezeigt, dass einzelne Schulen – mit Ausnahme der neuen Fächer – kaum etwas verändern müssen. Für diese bedeutet der kompetenzorientierte Unterricht einen kaum merkbaren Übergang. Es gibt andere Schulen, die sind weiter davon entfernt. Diese Schulen müssen noch eine Entwicklung durchlaufen, bei der wir sie beraten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen