«Das Ziel ist klar: Passepartout will den
Fremdsprachenunterricht verbessern.» Deutlicher lässt sich der Anspruch der
sechs Kantone Bern, Basel-Stadt, Baselland, Solothurn, Freiburg und Wallis an
das Sprachenkonzept ihrer Schulen nicht formulieren. 50 Millionen Franken haben
die Kantone in die neuen Lehrmittel «Mille feuilles», «Clin d’œil» und «New
World» investiert. Doch während die Verantwortlichen das Projekt noch immer
hochloben, versagt es in der Realität. Das sinkende Schiff dürfte nicht mehr zu
retten sein.
Im
Kanton Baselland hat der Landrat den Ausstieg aus dem Projekt Passepartout
beschlossen. Im Kanton Solothurn hat Bildungsdirektor Remo Ankli die Notbremse
gezogen und das Lehrbuch «Clin d’œil» im obersten Niveau der Sekundarschule aus
dem Verkehr gezogen. Im Kanton Bern sind die schriftlichen
Französisch-Prüfungen fürs Gymnasium wegen mangelhaften Voraussetzungen
abgesagt worden. Baselland, Bern und Wallis beschlossen, die überlang
konzipierte Ausbildung für die Lehrkräfte abzukürzen. Eiligst wurden für den
Unterricht Zusatzlehrmittel und eine Überarbeitung von «Mille feuilles» in
Auftrag gegeben. Und weil der Kanton Wallis nicht warten mochte und Druck
machte, wurde den Schulen «als Zwischenlösung», wie es Projektleiter Reto
Furter nennt, ein neues Materialset abgegeben. «Dass die Überarbeitung so lange
dauert, ist ein Problem», sagte Furter dem «Regionaljournal
Bern-Freiburg-Wallis» von Radio
SRF.
Passepartout ist kaum mehr zu retten, Basler Zeitung, 6.4. von Thomas Dähler
Offiziell
ist alles bestens
Doch
offiziell ist noch immer alles auf guten Wegen, wie auf der Homepage von
Passepartout zu lesen ist. «Französisch ist kein unbeliebtes Fach mehr», wird
da unter der Rubrik «Aktuelles» behauptet. Unter «Wie die Einführung der neuen
Lehrmittel gelingen kann» ist zu erfahren, dass «die Weiterbildung praxisnah
ist», «Begeisterung» vermittelt wird und dass «positive Erfahrungen» gesammelt
würden. Und eine Mutter bezeugt: «Meine Tochter profitiert vom
Frühfranzösisch.»
Im
Kanton Basel-Stadt sah sich die Regierung vergangenen Monat sogar veranlasst,
Passepartout per Medienmitteilung zu verteidigen. Der Regierungsrat wolle den
«Unterricht an Primar- und Sekundarschulen nicht von Grund auf neu
organisieren, sondern am bislang eingeschlagenen Weg festhalten», heisst es im
Communiqué. «Offenbar geht es den Basler Behörden nicht darum, dass Kinder
möglichst gut Fremdsprachen lernen, sondern um Jobsicherheit der
Methoden-Fundis», kommentiert das Schweizer Online-Portal Schule Schweiz die seiner
Ansicht nach «skandalöse Medienmitteilung».
Die
Projektleitung verteidigt Passepartout in der Tat gegen alle Kritiker. Dem
welschen Radio RTSsagte
Projektleiter Reto Furter: «Ich hoffe, dass der Parlamentsentscheid in
Baselland nicht der Anfang einer Entwicklung in den anderen Kantonen ist.»
Furter hofft, dass der politische Entscheid in Liestal durch die Evaluation des
Projekts, welche die Universität Freiburg zurzeit erarbeitet, in einigen Jahren
korrigiert werden könne. Inzwischen arbeite man an den Nachbesserungen des
Projekts.
Staatsvertrag
läuft aus
Die
Projektleiter tun so, als hätten sie erwartet, dass Passepartout nach den
ersten Erfahrungen nachgebessert werden müsse. Besiegelt wurde Passepartout
2006 in einem Staatsvertrag der sechs Kantone. Dieser läuft im kommenden Sommer
aus. Nach ersten Tests führte Freiburg 2010 das neue Konzept in den Schulen
ein. 2011 folgten Basel-Stadt, Bern, Solothurn und Wallis, 2012 Baselland.
Entsprechend verliessen im vergangenen Sommer die ersten Schülerinnen und
Schüler, die vollständig nach neuem Konzept unterrichtet wurden, die
Sekundarschule.
Zurzeit
evaluiert die Universität Freiburg die Fremdsprachenkenntnisse der
Schulabgänger. Erste Zwischenergebnisse sind auf diesen Sommer angekündigt, die
vollständige Evaluation erst für 2021. Eine Masterarbeit, die an der
Universität Freiburg mit «summa cum laude» ausgezeichnet wurde, kommt aber
bereits heute nach einer Befragung von 500 Schülerinnen und Schülern aus dem
Kanton Bern zum Schluss, dass Passepartout-Absolventen schlechter Französisch
sprechen als Schülerinnen und Schüler, welche die Sprache mit herkömmlichen
Lehrmitteln gelernt haben. Unklar ist jedoch, ob nur die Lehrmittel untauglich
sind oder ob generell der frühe Beginn der Fremdsprachen zu schlechteren
Resultaten führt. Immerhin hat eine Studie der Sprachwissenschaftler Simone
Pfenninger und David Singleton ergeben, dass beim Englischunterricht der frühe
Beginn nicht förderlich ist. Die Defizite der Drittklässler in der
Muttersprache sind nachteilig.
Wahlfreiheit
als Ausweg?
Am
Zug ist jetzt in erster Linie der Kanton Baselland. Nach dem Entscheid zum
Ausstieg aus Passepartout muss das Parlament eine entsprechende Gesetzesvorlage
erarbeiten, über die spätestens im Januar 2020 an der Urne abgestimmt werden
muss. Gemäss der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion würden demnach ab
Schuljahr 2020/21 die neuen gesetzlichen Regelungen gelten. Der Bildungsrat,
der im Baselbiet in der Angelegenheit federführend ist, erarbeitet zurzeit, wie
er per Communiqué mitteilt, eine «Strategie zur Lehrmittelsteuerung zur
Erweiterung der Wahlfreiheit». Auch die Gegner von «Mille feuilles», «Clin
d’œil» und «New World» haben signalisiert, dass eine Lehrmittel-Freiheit eine
mögliche Lösung sei. Im Landrat allerdings drängen Marc Schinzel (FDP) und
Regina Werthmüller (parteilos) mit Vorstössen darauf, dass möglichst rasch
entschieden wird und keine weiteren finanziellen Mittel mehr in das Projekt
Passepartout fliessen.
Offen
ist auch, ob es im Kanton Solothurn dabei bleibt, dass die neuen Lehrmittel nur
aus den Klassen des obersten Sekundarschul-Niveaus verbannt werden. Wegen der
nötigen Durchlässigkeit zwischen den Niveaus sei dies nicht praktikabel, macht
der Solothurner Lehrerverband geltend. Das Bildungsdepartement will aber bis
zum Schuljahr 2020/21 beim Provisorium bleiben. Bis zu diesem Zeitpunkt werden
einige der Passepartout-Lehrmittel überarbeitet sein, hofft der Berner
Schulverlag weiter. «Stark überarbeitet», wie der Verlag gegenüber der Berner Zeitung betont.
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