Die Initiative «Lehrplan vors Volk» wird im Kanton Zürich mit 76,4
Prozent Nein-Stimmen wuchtig verworfen. Ähnlich votierten die Berner zum selben
Begehren. Der Einführung des Lehrplans 21 steht damit auch längerfristig nichts
mehr im Weg.
Die Lehrpläne kommen nicht vors Volk, NZZ, 5.3. von Lena Schenkel
Für einmal wünscht das Volk, nicht das letzte Wort zu haben: Drei von
vier Zürcher Stimmbürgern möchten sich nicht abschliessend zu den Lehrplänen
der Volksschule äussern können. Sie wollen die bisherige Kompetenzordnung
beibehalten. Demnach erlässt der Bildungsrat als neunköpfiges Fachgremium die
Lehrpläne, ohne sie dem Kantonsrat vorlegen zu müssen. Da es keine
Referendumsmöglichkeit gibt, kann auch das Volk nicht dazu befragt werden.
«Never change a winning horse», resümierte die Bildungsdirektorin Silvia
Steiner zum mutmasslichen Motto der Stimmberechtigten, von denen sich 52,9
Prozent an der kantonalen Abstimmung beteiligten. Das Resultat beweise ein
deutliches Vertrauen in das Zürcher Bildungssystem und den Bildungsrat, sagte
sie vor den Medien. Sie sei froh, dass die Qualität der Lehrpläne gewährleistet
bleibe und diese weiterhin nach pädagogischen Kriterien erarbeitet würden –
ohne dass sie zum Spielball politischer Interessen werden könnten. Hätte das
Parlament neue oder geänderte Lehrpläne genehmigen müssen, wäre dies angesichts
des umfangreichen Regelwerks aufwendig und nicht zweckmässig gewesen.
Bekenntnis zur Stabilität
Mit diesem Plazet des Volkes steht der Einführung des neuen Lehrplans 21
im Kanton auch langfristig nichts mehr im Weg. Die Initianten hatten gefordert,
diesen nachträglich genehmigen zu lassen. Ihnen ging es denn auch weniger
darum, die Mitsprache zu fördern, als den neuen Lehrplan zu verhindern. Zwar
wäre dieser in Zürich in jedem Fall nach den Sommerferien in einer ersten Etappe
eingeführt worden. Hätten ihn aber der Kantonsrat oder das Volk im Nachhinein
abgelehnt, hätte dies an den Schulen zu Unsicherheiten geführt: Es hätte wohl
Jahre gedauert, bis ein neuer Lehrplan ausgearbeitet worden wäre.
Selbst wenn die Vorlage angenommen und der Lehrplan 21 nachträglich vom
Kantonsrat und allenfalls auch vom Volk gutgeheissen worden wäre, hätten ihn
die Schulen nicht eins zu eins umsetzen können: Im Initiativtext hiess es
nämlich, dass Lehrpläne Jahresziele für einzelne Schulfächer festlegen, was mit
dem neuen nicht vereinbar gewesen wäre. Für Bildungsdirektorin Steiner ist das
Ergebnis deshalb ein Bekenntnis zur Stabilität an den Schulen. Als Präsidentin
der kantonalen Erziehungsdirektorenkonferenz freue sie das Zürcher Ergebnis
besonders, sagte sie. Die Stimmberechtigten hätten sich ein weiteres Mal für
den Lehrplan 21 und die damit verbundene Harmonisierung ausgesprochen: «Das hat
Signalwirkung für die ganze Schweiz.» Nachdem die Zürcher letzten Mai die
Fremdspracheninitiative bereits deutlich abgelehnt hatten, habe sie eine
Zustimmung von 70 Prozent prognostiziert, die nun nochmals um 6,4 Prozent
übertroffen worden sei.
Identisches Resultat in Bern
Eine Signalwirkung ist indes kaum mehr nötig: Die Gegner des Lehrplans
21 müssen sich bald endgültig geschlagen geben. Auch die Berner lehnten
gleichentags eine praktisch gleich lautende Initiative ab: 76,7 Prozent
votierten dort gegen die Forderung «Für demokratische Mitsprache – Lehrpläne
vors Volk!». Letztes Jahr waren es die Solothurner und Aargauer Stimmbürger,
welche verwandte Anliegen ablehnten. 2016 hatten jene in Appenzell Innerrhoden,
Schaffhausen, im Thurgau und in Basel-Landschaft ähnlich votiert. In St. Gallen
scheiterte eine Initiative, die den Harmos-Ausstieg verlangte, vor dem Volk,
nachdem das Verwaltungsgericht eine solche gegen den Lehrplan 21 für ungültig
erklärt hatte. Auch in Schwyz scheiterte das Volksbegehren aus juristischen
Gründen; in Luzern haben es die Initianten zurückgezogen. Einzig in Graubünden
sind zwei eingereichte Initiativen noch hängig.
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