5. März 2018

Hohes Vertrauen in Bildungsbehörden


Die Initiative «Lehrplan vors Volk» wird im Kanton Zürich mit 76,4 Prozent Nein-Stimmen wuchtig verworfen. Ähnlich votierten die Berner zum selben Begehren. Der Einführung des Lehrplans 21 steht damit auch längerfristig nichts mehr im Weg.
Die Lehrpläne kommen nicht vors Volk, NZZ, 5.3. von Lena Schenkel


Für einmal wünscht das Volk, nicht das letzte Wort zu haben: Drei von vier Zürcher Stimmbürgern möchten sich nicht abschliessend zu den Lehrplänen der Volksschule äussern können. Sie wollen die bisherige Kompetenzordnung beibehalten. Demnach erlässt der Bildungsrat als neunköpfiges Fachgremium die Lehrpläne, ohne sie dem Kantonsrat vorlegen zu müssen. Da es keine Referendumsmöglichkeit gibt, kann auch das Volk nicht dazu befragt werden.

«Never change a winning horse», resümierte die Bildungsdirektorin Silvia Steiner zum mutmasslichen Motto der Stimmberechtigten, von denen sich 52,9 Prozent an der kantonalen Abstimmung beteiligten. Das Resultat beweise ein deutliches Vertrauen in das Zürcher Bildungssystem und den Bildungsrat, sagte sie vor den Medien. Sie sei froh, dass die Qualität der Lehrpläne gewährleistet bleibe und diese weiterhin nach pädagogischen Kriterien erarbeitet würden – ohne dass sie zum Spielball politischer Interessen werden könnten. Hätte das Parlament neue oder geänderte Lehrpläne genehmigen müssen, wäre dies angesichts des umfangreichen Regelwerks aufwendig und nicht zweckmässig gewesen.

Bekenntnis zur Stabilität
Mit diesem Plazet des Volkes steht der Einführung des neuen Lehrplans 21 im Kanton auch langfristig nichts mehr im Weg. Die Initianten hatten gefordert, diesen nachträglich genehmigen zu lassen. Ihnen ging es denn auch weniger darum, die Mitsprache zu fördern, als den neuen Lehrplan zu verhindern. Zwar wäre dieser in Zürich in jedem Fall nach den Sommerferien in einer ersten Etappe eingeführt worden. Hätten ihn aber der Kantonsrat oder das Volk im Nachhinein abgelehnt, hätte dies an den Schulen zu Unsicherheiten geführt: Es hätte wohl Jahre gedauert, bis ein neuer Lehrplan ausgearbeitet worden wäre.
Selbst wenn die Vorlage angenommen und der Lehrplan 21 nachträglich vom Kantonsrat und allenfalls auch vom Volk gutgeheissen worden wäre, hätten ihn die Schulen nicht eins zu eins umsetzen können: Im Initiativtext hiess es nämlich, dass Lehrpläne Jahresziele für einzelne Schulfächer festlegen, was mit dem neuen nicht vereinbar gewesen wäre. Für Bildungsdirektorin Steiner ist das Ergebnis deshalb ein Bekenntnis zur Stabilität an den Schulen. Als Präsidentin der kantonalen Erziehungsdirektorenkonferenz freue sie das Zürcher Ergebnis besonders, sagte sie. Die Stimmberechtigten hätten sich ein weiteres Mal für den Lehrplan 21 und die damit verbundene Harmonisierung ausgesprochen: «Das hat Signalwirkung für die ganze Schweiz.» Nachdem die Zürcher letzten Mai die Fremdspracheninitiative bereits deutlich abgelehnt hatten, habe sie eine Zustimmung von 70 Prozent prognostiziert, die nun nochmals um 6,4 Prozent übertroffen worden sei.

Identisches Resultat in Bern
Eine Signalwirkung ist indes kaum mehr nötig: Die Gegner des Lehrplans 21 müssen sich bald endgültig geschlagen geben. Auch die Berner lehnten gleichentags eine praktisch gleich lautende Initiative ab: 76,7 Prozent votierten dort gegen die Forderung «Für demokratische Mitsprache – Lehrpläne vors Volk!». Letztes Jahr waren es die Solothurner und Aargauer Stimmbürger, welche verwandte Anliegen ablehnten. 2016 hatten jene in Appenzell Innerrhoden, Schaffhausen, im Thurgau und in Basel-Landschaft ähnlich votiert. In St. Gallen scheiterte eine Initiative, die den Harmos-Ausstieg verlangte, vor dem Volk, nachdem das Verwaltungsgericht eine solche gegen den Lehrplan 21 für ungültig erklärt hatte. Auch in Schwyz scheiterte das Volksbegehren aus juristischen Gründen; in Luzern haben es die Initianten zurückgezogen. Einzig in Graubünden sind zwei eingereichte Initiativen noch hängig.

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