17. März 2018

Goldgrube Passepartout

Mit Erstaunen und Verärgerung habe ich den Artikel „Kritik an ‚Franz‘-Buch“ im GT vom 14. 3. gelesen. Der Leser erfährt, dass das Französischlehrmittel „Clin d'oeil“ an der Sek P nicht eingeführt wird. Dieser Entscheid erstaunt aus mehreren Gründen: 
Anstatt das „Passepartout“-Programm sofort zu beenden, führt man nun eine Zweiklassengesellschaft ein: Hier die Schüler des Progymnasiums, die systematisch geschult werden und dort der Rest (Sek E und B), der mit einem untauglichen Lehrmittel ein bisschen sprachbaden darf. Das ist nicht nur ungerecht, es verstösst auch gegen das Prinzip der Chancengleichheit und es verschlechtert die mühsam errungene Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen den Stufen massiv.
Debakel um Französisch-Lehrmittel, Grenchner Tagblatt, 15.3. Leserbrief von Bruno Schaad


Dass das Lehrmittel untauglich ist, ist einfach zu belegen:
1.    Seit Dezember 2017 liegt die mit Bestnoten bewertete Masterarbeit einer Freiburger Sprachwissenschaftlerin vor, in der die Leistungen von Schülern miteinander verglichen werden. Das Fazit ist vernichtend. Die „Clin d’oeil“-Lernenden schneiden „signifikant schlechter“ ab als die „Bonne Chance“-Lernenden.

2.    Alle Solothurner Schülerinnen und Schüler machen am Ende der achten Klasse einen standardisierten Leistungstest, den „Check S2“. Der letzte „Bonne Chance“-Jahrgang kann mit dem ersten „Clin d’oeil“-Jahrgang verglichen werden. Letztere schneiden schlechter ab, obschon sie zwei Jahre länger Französischunterricht hatten – eine Bankrotterklärung.

3.    Zentraler Punkt des „Clin d’oeil“ sind die sogenannten „authentischen Texte“, Texte, die viel zu schwierig sind. Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Hinweis darauf, dass diese Methode wirksam ist.

4.    Das Sprachenbad mag in einer realen Welt, in der ein Kind 24 Stunden lebt, funktionieren. Warum es in einer gekünstelten Welt, in der niemand – auch die Lehrperson nicht – richtig Französisch spricht, klappen sollte, das bleibt das Geheimnis der Lehrmittelautorinnen.

 Warum hält man also verkrampft an diesem Lehrmittel fest? Meine Vermutung: Man sitzt in der „Concorde-Falle“. Die Kosten des Prestigeprojekts von Grossbritannien und Frankreich waren unkontrollierbar hoch. Irgendwann war allen klar, dass sich der Betrieb dieses Überschalldüsenflugzeugs nie und nimmer rechnen würde. Da man aber bereits derart viel Geld ausgegeben hatte, gab es kein Zurück mehr.
Und jetzt? Nach Kosten von 6,7 Millionen Franken und einem desaströsen Lernerfolg müsste die Reissleine gezogen werden. Dass das geht, hat der Kanton Baselland bewiesen. 

Kleiner Nachsatz zu den Kosten: Früher waren die Schulbücher Eigentum der Schule und wurden jahrelang gebraucht. Das „Clin d’oeil ist als Einweglehrmittel mit Einmallizenz konzipiert, was für den Verlag eine richtige Goldgrube ist. Während der sieben Jahre Unterricht fallen pro Schüler Französisch-Lehrmittelkosten von Fr. 214.- an. Rechne!


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