Peter Stücheli-Herlach, ist eine Publikation wie
die «Schulzeit» aus staatspolitischer Sicht unbedenklich?
Nein. Mit der «Schulzeit» betritt das Bildungsdepartement ein heikles Terrain. Das muss aber nicht schlecht sein. Denn mehr Transparenz im Bildungswesen zu schaffen, aktuelle Probleme zur Debatte zu stellen, Beteiligte zu porträtieren, das ist legitim und auch wünschenswert!
Nein. Mit der «Schulzeit» betritt das Bildungsdepartement ein heikles Terrain. Das muss aber nicht schlecht sein. Denn mehr Transparenz im Bildungswesen zu schaffen, aktuelle Probleme zur Debatte zu stellen, Beteiligte zu porträtieren, das ist legitim und auch wünschenswert!
"Ich staune, wie bedenkenlos das gemacht ist", St. Galler Tagblatt, 7.9.
Wieso?
Die Volksschule ist eine öffentliche Institution. Wir investieren massiv Steuermittel, sie hat eine grosse Bedeutung für Wohlfahrt und Demokratie. Die Frage ist aber, wie man so ein Behördenmedium gestaltet. Hier gilt es, bestimmte Qualitätskriterien zu beachten.
Welche?
Es fehlen Angaben zu redaktionellen Leitlinien der «Schulzeit», zum Umgang mit Inserenten, zur Erscheinungskadenz, zur Strategie des Regierungskollegiums, zur Ansprechbarkeit anderer Behörden, die für lokale Schulen viel wichtiger sind. Das alles wäre nötig.
Gibt es ähnliche Beispiele?
Genau in dieser Art ist es für mich neu. Man kann den Mut zur Innovation loben. Ich staune aber, wie bedenkenlos das teilweise gemacht ist. Die Verteilung an alle Haushaltungen ist ein Hammer, der besonderer Begründung bedarf. Ein Feedbackformular im Internet lädt dazu ein, seine Meinung zur «Schulzeit» abzugeben. Damit sieht der Staat den Bürger allein in der Rolle eines Konsumenten, was er vielleicht gar nie hat sein wollen.
Was müsste man verbessern?
Viel besser wäre es, um das Feedbackbeispiel aufzugreifen, eine Plattform einzurichten, auf der man niederschwellig Verbesserungen für den Austausch mit lokalen Lehrpersonen, Schulleitungen und Behörden vorschlagen kann. Bei aller Sympathie für die Innovation: Bei der «Schulzeit» muss noch ein deutlicher Qualitätssprung folgen.
Lassen sich die Grenzen zwischen Transparenz, Information und Propaganda überhaupt eindeutig festlegen?
Ja, das ist einfach, aber weniger relevant. Wichtiger ist die Grenze zwischen Propaganda und einer demokratisch-rechtsstaatlichen Behördenkommunikation – also nicht nur Information! Diese Grenze ist hier zu wenig beachtet worden.
Inwiefern?
Wenn der Regierungsrat im Editorial uns mit der Aussage beglückt, es sei «ihm ein grosses Anliegen, alle St. Galler zu informieren», und er sei überzeugt, der Kanton habe eine «ausgezeichnete Volksschule», dann ist das falsch verstandenes politisches Storytelling. Das eine kann er im Wahlkampf sagen. Zum anderen würde er lieber Parlamentarier, Eltern, Kinder und Fachleute befragen. (ar)
Zur
Person
Peter
Stücheli-Herlach ist Professor für Organisationskommunikation und
Öffentlichkeit an der Zürcher Fachhochschule in Winterthur und Präsident der
Stiftung Pestalozzianum für den Dialog zwischen Bildung und Öffentlichkeit.
Seit 2015 ist er Gastdozent für Public Governance an der Universität St.Gallen.
ONLINE - KOMMENTAR
AntwortenLöschenDer Vorwurf der Staatspropaganda ist nicht neu. Schon bei der Abstimmung zur Volksinitiative zum Ausstieg aus dem Harmos-Konkordat waren die Stimmbürger mit massiver konzertierter Behördenpropaganda konfrontiert worden (irreführende Plakate, Diffamierung der Gegner, Verhinderung einer inhaltlichen Diskussion, verschweigen der Grundlagen des Lehrplans 21, einseitige Beeinflussung der Eltern und Lehrpersonen durch Schulorgane usw.) Das ist einer der Hauptgründe, warum der Bildungsabbau aufgrund der radikalen Reformen im Kanton St. Gallen vorerst nicht gestoppt werden konnte. Trotzdem war es ein grosser Erfolg, dass so viele Stimmbürger der irreführenden Abstimmungskampagne nicht auf den Leim gegangen sind. Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht gemäss Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Deshalb muss der Kampf für das Recht auf Bildung bzw. gegen den Bildungsabbau schon unserer Kinder zuliebe weitergeführt werden.