Es ist einfach da, das
Smartphone.
Ob wir wollen oder nicht. Es ist deshalb nur richtig, dass die kleinen
Wunderdinger der Technik auch Einzug in die Klassenzimmer halten. Die Schule
muss in der heutigen Zeit mehr Kompetenzen vermitteln, als nur das kleine
Einmaleins oder die korrekte Kommasetzung. Schulen sind Orte, die auf das Leben
vorbereiten sollen – und Erlebnisse aus dem Alltag der Schüler kritisch
widerspiegeln müssen. Und dazu gehören eben auch die Smartphones.
Medienkompetenz statt Technik-Glaube, Zürichsee Zeitung, 8.9. von Conradin Knabenhans
Fraglich ist aber, wie gross der
pädagogische Nutzen von Smartphones und Tablets wirklich ist. Was hat man
didaktisch davon, wenn Schüler ein kleines Video von fliegenden Vögeln drehen
oder Selfies mit einer App bearbeiten, um das Klassenzimmer zu verschönern? Ich
habe meine Schulkarriere zu einem Zeitpunkt absolviert, als die Computer schon
zur Grundausstattung eines Klassenzimmers gehörten. Zur Belohnung durften wir
in der Primarschule eine kleine Runde Mathespiele ausprobieren oder ab und zu
eine kleine «Recherche» mit Google tätigen.
Im Gymnasium dann war der Einsatz
der Computer als Ergänzung zu den Lehrbüchern gedacht: Informationsquelle für
Hausarbeiten aber auch Hilfsmittel für Vorträge. Nicht jeder dieser Einsätze
von Computern war sinnvoll, oft wussten Schüler besser über die Geräte Bescheid
als Lehrer. Technisch hat sich seit meiner Schulzeit einiges verändert: Die
Computer wurden durch Tablets und Smartphones abgelöst, das Internet kommt
drahtlos ins Gerät statt via Kabel. Und mit dem kleiner werden der Geräte kam in
den Schulen auch die Hoffnung auf, sich noch moderner präsentieren zu können.
Vielleicht könnten die digitalen Hilfen dereinst sogar Schulbücher ersetzen,
war eine oft gehörte Vision.
Diese Hoffnung hat sich
nicht erfüllt. An einer Zürcher Kantonsschule hat man eben einen Versuch
mit Klassen beendet, in denen alle Schüler mit Tablets ausgerüstet waren. Die
Schüler selbst haben in einer Evaluation das grosse Ablenkungspotenzial
kritisiert und die Lehrer konnten die Geräte nicht immer sinnvoll einsetzen. Für
den privaten Gebrauch mögen zwar Smartphones die «eierlegende Wollmilchsau»
sein, für den Unterricht sind sie das aber nicht. Moderne Medien werden deshalb
an der angesprochenen Kanti nur noch dann eingesetzt, wenn es den Lehrpersonen
sinnvoll erscheint. Zum Beispiel kann man das Handy als Wörterbuch nutzen. Im
Vergleich zum gedruckten Diktionär bieten entsprechende Apps auch gleich eine
Übersicht der korrekten Konjugationsformen. Hier ist das Smartphone tatsächlich
auch ein Gewinn.
Problematisch ist, dass Smartphones
mehr sind als digitale Helfer. Sie öffnen auch Tür und Tor für gefährliche
Dinge. Schnell ist ein Selfie verschickt, auf dem man zu viel Haut zeigt – oder
man wird mit intimen Bildern von Fremden konfrontiert, die man eigentlich nicht
sehen möchte oder gar verstörend sind. «Cybermobbing» darf nicht zum Tabu
werden. Aus meiner Sicht ist dieser unangenehme Aspekt von Smartphones für den
Schulunterricht noch viel wichtiger, als die diversen Apps, die man im
Klassenzimmer zum traditionellen Wissenserwerb einsetzen könnte. Natürlich ist
bei Cybermobbing und Co. auch das Elternhaus in der Pflicht, Kinder
aufzuklären. Die Schule bietet aber den richtigen Rahmen, diese schwierige
Seite unter gleichaltrigen zu thematisieren.
Kennen Sie Jodel, Kik,
Snapchat oder Instagram? Diese Apps sind unter Jugendlichen gerade der letzte
Schrei. Mit ihnen kamn man sich anonym kennenlernen und langsam persönliche
Beziehungen aufbauen. Ich bin überzeugt, dass sich alle Lehrpersonen – aber
auch Eltern – mit diesen Progrämmchen vertraut machen müssen. Zugegeben, es ist
auch als technikinteressierter Mensch schwierig, den Überblick zu behalten -
ohnehin, wenn man altersmässig noch weit auseinanderliegt, wie bei Lehrern und
Schülern in der Regel üblich. Im Aargau wurde eine Lehrerin kürzlich heftig vom
kantonalen Lehrerverband kritisiert, weil sie sich privat - teilweise im Bikini
- auf der Bilderplattform Instagram präsentiert. Eine Kritik, die ich nicht
nachvollziehen kann. Niemand kann besser als sie mit ihren Schülern über
Erfahrungen, Chancen und Risiken von Smartphones und Social Media sprechen.
Moderne Medienkompetenz beginnt dort, wo der Umgang mit Technik unverkrampft
wird.
Die OECD hat die Daten aus dem Jahr 2012 unter der Frage ausgewertet, in welchem Zusammenhang der Wissensstand fünfzehn Jahre alter Schüler mit dem Gebrauch von Informationstechnologie im Unterricht steht. Die Ergebnisse sind ernüchternd. „Wo Computer in Klassenzimmern genutzt werden, sind ihre Auswirkungen auf die Leistung von Schülern bestenfalls gemischt“, stellt der OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher fest. Zwar können Schüler, die in der Schule Computer maßvoll nutzen, bessere Lernergebnisse vorweisen als solche, die sie kaum einsetzen. Schüler allerdings, bei denen Computer sehr häufig im Unterricht zum Einsatz kommen, schneiden deutlich schlechter ab. Selbst Länder, die bereits viel in den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie im Unterricht investiert haben, weisen keinen merklichen Leistungsvorsprung in den Bereichen Lesen, Mathematik oder Naturwissenschaften aus. Umgekehrt helfen Grundlagen in den klassischen Disziplinen Lesen und Mathematik den Schülern besser, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden, als teure High-Tech-Ausstattungen und -Angebote. Die bei der Pisa-Studie erhobenen Kompetenzen wachsen durch den Einsatz von Bildungstechnologie nur, wenn dadurch die Zeit zunimmt, die sich die Schüler mit dem Stoff und seiner Einübung beschäftigen.
AntwortenLöschenganzer Artikel: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/familie/oecd-erste-pisa-erhebung-zu-digitalen-kompetenzen-13804857.html