8. September 2017

Heikle Publikation

Die «Schulzeit», die jüngste Publikation aus dem Bildungsdepartement, wird für SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker zum Bumerang. Kritiker werfen ihm vor, damit eine überflüssige Imagekampagne zu betreiben. Sogar die eigene Partei ist verärgert.
Die Frontseite der "Schulzeit", Erziehungsdepartement SG
Propagandavorwurf gegen Kölliker, St. Galler Tagblatt, 7.9. von Regula Weik und Andri Rostetter



Stefan Kölliker hat sich ein Problem geschaffen. Zu Beginn des Schuljahres flatterte die «Schulzeit», das neue Info-Magazin des Bildungsdepartements, unaufgefordert in alle Haushalte im Kanton – 250'000 Exemplare, 32 Seiten dick. Die Kritik kam postwendend: Eine kostspielige Werbebroschüre des Bildungschefs, so der Tenor. Kölliker wiegelte ab. Nun holt ihn die Kritik erneut ein. Die Kantonsräte Guido Etterlin (SP) und Sandro Hess, (CVP) nehmen die Broschüre in einem parlamentarischen Vorstoss in die Zange. Etterlin ist Stadtrat und Schulratspräsident in Rorschach, Hess Schulleiter in Altstätten. Der Titel ihrer Ein­fachen Anfrage: «Schulzeitung: der Kanton neu als Medienhaus?» Etterlins Haltung ist klar: «Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe eines Departements, im redaktionellen Business aktiv zu werden. Wo kämen wir hin, wenn alle Departemente und schliesslich auch die Regierung eigene Zeitschriften herausgeben würden?» Auch Andreas Widmer, Fraktionspräsident von CVP und Grünliberalen, wird ziemlich deutlich, wenn es um Köllikers Broschüre geht: «Die ‹Schulzeit› geht weit über die Informationspflicht der Regierung hinaus und ist in der Kategorie Staatspropaganda ­anzusiedeln.» Für Widmer ist klar: Die «Schulzeit» ist eine «total überflüssige Imagekampagne».

Dass die einzelnen Departemente ihren Informationsauftrag gegenüber der Öffentlichkeit «bisweilen freizügig interpretieren, ist problematisch, aber leider nicht neu», sagt FDP-Fraktionspräsident Beat Tinner. Er erinnert an die Medienarbeit der Regierung im Vorfeld der Spitalabstimmungen. «Damals wurde – noch vor der Beratung der Vorlagen im Kantonsparlament – mehr oder we­niger unverblümt Abstimmungspropa­ganda betrieben, unter Beizug einer ­externen PR-Agentur, finanziert mit Steuermitteln», sagt Tinner. Im Fall der «Schulzeit» bestehe kein direkter Zusammenhang mit einer Abstimmungsvorlage. «Da geht der Vorwurf der Behördenpropaganda wohl zu weit.»
 
Noch sei die «Schulzeit» kein Propagandainstrument der Behörde; sie könnte aber jeder Zeit zu einem werden, sagt SP-Präsident Max Lemmenmeier. Die Publikation sei problematisch, da der Kanton damit «seinen bisherigen Rahmen der sachlichen und objektiven Information» ausdehne. «Der Kanton wird mit der ‹Schulzeit› auf einen Schlag Medienhaus. Das ist nicht im Sinne unserer demokratischen Ordnung.»

Medienexperte: «Diese Art von PR ist verpönt»
Das Bildungsdepartement habe zum Lehrplan 21 gute Publikationen gemacht, lobt Etterlin. «Das lief mustergültig.» Er zweifelt deshalb auch an der Notwendigkeit der «Schulzeit»: «Die Schulgemeinden im Kanton nehmen ihre Informationspflicht wahr – und zwar täglich.» Das sagt auch Lemmenmeier: «Diese zusätzliche Informationsoffensive schafft Doppelspurigkeiten, ist unnötig und verärgert Bürgerinnen und Bürger.» FDP-Fraktionschef Tinner gibt zu bedenken: «Es stellt sich die Frage, wie weit die Schulträger in die Kommunikation eingebunden werden sollen. Diese wären problemlos in der Lage, adressatengerecht informieren.»

Erstaunt über die Publikation zeigt sich auch Heinz Bonfadelli, emeritierter Professor für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich. «Die sogenannte Corporate Communication hat zwar in den letzten Jahren stark zugenommen; Firmen versuchen damit gegen aussen ein positives Image von sich zu vermitteln. Aber für den staatlichen Bereich ist diese Art der Public Relations in der Schweiz sehr unüblich und eigentlich verpönt.» Beim Lesen habe er sich ­gefragt, welche bildungspolitischen ­Zielsetzungen hinter der Publikation ­stünden. «Dazu findet man im Editorial ­leider nur einige eher nichtssagende Informationen und zur Zusammensetzung der Redaktion oder der redaktionellen Linie gar nichts. Gibt es wenigstens eine externe Begleitgruppe, die das Heft kritisch evaluiert?»

Wird «Schulzeit» ein Fall für die Finanzkommission?
90'000 Franken hat die erste Ausgabe gekostet – «hauptsächlich über Inserate finanziert», wie Kölliker betonte (Ausgabe vom 16. August). Der fehlende Betrag werde dem Kommunikationsbudget für den neuen Lehrplan Volksschule entnommen; das Thema wird auch in der «Schulzeit» behandelt. Der hohe Anteil an Werbung ist auch Bonfadelli ins Auge gefallen: «Da fragt man sich, inwieweit die ‹Schulzeit› für die Anliegen der Inserenten ein möglichst positives Umfeld bereitstellen muss.»

Und wie kommt die Bildungszeitung bei Köllikers eigener Partei an? Man habe im Vorfeld Bedenken geäussert, sagt SVP-Fraktionschef Michael Götte. Köllikers Erklärung zur Finanzierung genügt Götte nicht: «Wer sind die Inserenten? Staatliche und staatsnahe Betriebe.» Und so meint Götte weiter: «Das Ganze dürfte ein Fall für die Finanzkommission des Parlaments werden.»


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