Die «Schulzeit», die jüngste
Publikation aus dem Bildungsdepartement, wird für SVP-Regierungsrat Stefan
Kölliker zum Bumerang. Kritiker werfen ihm vor, damit eine überflüssige
Imagekampagne zu betreiben. Sogar die eigene Partei ist verärgert.
Die Frontseite der "Schulzeit", Erziehungsdepartement SG |
Propagandavorwurf gegen Kölliker, St. Galler Tagblatt, 7.9. von Regula Weik und Andri Rostetter
Stefan Kölliker hat sich ein Problem geschaffen. Zu Beginn des
Schuljahres flatterte die «Schulzeit», das neue Info-Magazin des
Bildungsdepartements, unaufgefordert in alle Haushalte im Kanton – 250'000
Exemplare, 32 Seiten dick. Die Kritik kam postwendend: Eine kostspielige
Werbebroschüre des Bildungschefs, so der Tenor. Kölliker wiegelte ab. Nun holt
ihn die Kritik erneut ein. Die Kantonsräte Guido Etterlin (SP) und Sandro Hess,
(CVP) nehmen die Broschüre in einem parlamentarischen Vorstoss in die Zange.
Etterlin ist Stadtrat und Schulratspräsident in Rorschach, Hess Schulleiter in
Altstätten. Der Titel ihrer Einfachen Anfrage: «Schulzeitung: der Kanton neu
als Medienhaus?» Etterlins Haltung ist klar: «Grundsätzlich ist es nicht
Aufgabe eines Departements, im redaktionellen Business aktiv zu werden. Wo
kämen wir hin, wenn alle Departemente und schliesslich auch die Regierung
eigene Zeitschriften herausgeben würden?» Auch Andreas Widmer,
Fraktionspräsident von CVP und Grünliberalen, wird ziemlich deutlich, wenn es
um Köllikers Broschüre geht: «Die ‹Schulzeit› geht weit über die
Informationspflicht der Regierung hinaus und ist in der Kategorie
Staatspropaganda anzusiedeln.» Für Widmer ist klar: Die «Schulzeit» ist eine
«total überflüssige Imagekampagne».
Dass die einzelnen Departemente ihren Informationsauftrag gegenüber der
Öffentlichkeit «bisweilen freizügig interpretieren, ist problematisch, aber
leider nicht neu», sagt FDP-Fraktionspräsident Beat Tinner. Er erinnert an die
Medienarbeit der Regierung im Vorfeld der Spitalabstimmungen. «Damals wurde –
noch vor der Beratung der Vorlagen im Kantonsparlament – mehr oder weniger
unverblümt Abstimmungspropaganda betrieben, unter Beizug einer externen
PR-Agentur, finanziert mit Steuermitteln», sagt Tinner. Im Fall der «Schulzeit»
bestehe kein direkter Zusammenhang mit einer Abstimmungsvorlage. «Da geht der
Vorwurf der Behördenpropaganda wohl zu weit.»
Noch sei die «Schulzeit» kein Propagandainstrument der Behörde; sie
könnte aber jeder Zeit zu einem werden, sagt SP-Präsident Max Lemmenmeier. Die
Publikation sei problematisch, da der Kanton damit «seinen bisherigen Rahmen
der sachlichen und objektiven Information» ausdehne. «Der Kanton wird mit der
‹Schulzeit› auf einen Schlag Medienhaus. Das ist nicht im Sinne unserer
demokratischen Ordnung.»
Medienexperte: «Diese Art von PR ist
verpönt»
Das Bildungsdepartement habe zum Lehrplan 21 gute Publikationen gemacht,
lobt Etterlin. «Das lief mustergültig.» Er zweifelt deshalb auch an der
Notwendigkeit der «Schulzeit»: «Die Schulgemeinden im Kanton nehmen ihre
Informationspflicht wahr – und zwar täglich.» Das sagt auch Lemmenmeier: «Diese
zusätzliche Informationsoffensive schafft Doppelspurigkeiten, ist unnötig und
verärgert Bürgerinnen und Bürger.» FDP-Fraktionschef Tinner gibt zu bedenken:
«Es stellt sich die Frage, wie weit die Schulträger in die Kommunikation
eingebunden werden sollen. Diese wären problemlos in der Lage,
adressatengerecht informieren.»
Erstaunt über die Publikation zeigt sich auch Heinz Bonfadelli,
emeritierter Professor für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich.
«Die sogenannte Corporate Communication hat zwar in den letzten Jahren stark
zugenommen; Firmen versuchen damit gegen aussen ein positives Image von sich zu
vermitteln. Aber für den staatlichen Bereich ist diese Art der Public Relations
in der Schweiz sehr unüblich und eigentlich verpönt.» Beim Lesen habe er sich gefragt,
welche bildungspolitischen Zielsetzungen hinter der Publikation stünden.
«Dazu findet man im Editorial leider nur einige eher nichtssagende
Informationen und zur Zusammensetzung der Redaktion oder der redaktionellen
Linie gar nichts. Gibt es wenigstens eine externe Begleitgruppe, die das Heft
kritisch evaluiert?»
Wird «Schulzeit» ein Fall für die
Finanzkommission?
90'000 Franken hat die erste Ausgabe gekostet – «hauptsächlich über
Inserate finanziert», wie Kölliker betonte (Ausgabe vom 16. August). Der
fehlende Betrag werde dem Kommunikationsbudget für den neuen Lehrplan
Volksschule entnommen; das Thema wird auch in der «Schulzeit» behandelt. Der
hohe Anteil an Werbung ist auch Bonfadelli ins Auge gefallen: «Da fragt man
sich, inwieweit die ‹Schulzeit› für die Anliegen der Inserenten ein möglichst
positives Umfeld bereitstellen muss.»
Und wie kommt die Bildungszeitung bei Köllikers eigener Partei an? Man
habe im Vorfeld Bedenken geäussert, sagt SVP-Fraktionschef Michael Götte.
Köllikers Erklärung zur Finanzierung genügt Götte nicht: «Wer sind die
Inserenten? Staatliche und staatsnahe Betriebe.» Und so meint Götte weiter:
«Das Ganze dürfte ein Fall für die Finanzkommission des Parlaments werden.»
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