Fremdsprachen
würden auf der Primarschulstufe auf Kosten anderer Fächer unterrichtet: Mit
dieser Aussage in der «Südostschweiz» vom 1. März sorgte die Felsbergerin
Marianne Manzanell für viel Diskussionsstoff. Was der Verwaltungsrätin der
Freymatic AG besonders sauer aufstösst: Vor allem die Mint-Fächer würden heute
negativ beeinflusst, weil die Primarschüler für den frühen
Fremdsprachenunterricht einen zu grossen Aufwand betreiben müssten. Zu den
Mint-Fächern gehören alle Fächer, in denen Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften und Technik unterrichtet werden.
Der Lehrplan 21 lässt die Mint-Verfechter hoffen, Südostschweiz, 10.3. von Corinne Raguth Tscharner
Mehr Zeit
für andere Fächer
«Ich gebe
Frau Manzanell schon recht», sagt Cornelia Märchy-Caduff. Die Emser
CVP-Grossrätin und Präsidentin der grossrätlichen Kommission für Bildung und
Kultur unterrichtet selbst als Primarlehrerin die erste bis dritte Klasse der
«Scola Bilingua» in Domat/Ems. «Die Kinder sind mit dem Lernen der
Frühfremdsprachen sehr beschäftigt und können dadurch weniger Zeit in andere
Fächer investieren», so Märchy-Caduff. Man überhäufe die Primarschulkinder mit
Lernstoffen, die sie zu einem späteren Zeitpunkt viel besser aufnehmen könnten.
«Die Zeit,
welche Kinder ins Lernen der Fremdsprachen stecken, sollte zuerst für die
Muttersprache eingesetzt werden, damit die Schüler die Grundlagen haben», so
Märchy-Caduff weiter. Denn Textverständnis, Wort und Schrift hätten auch auf
die Mint-Fächer einen positiven Einfluss.
Wirksamkeit
wird untersucht
Auch Sandra
Locher Benguerel sieht sich oft mit solchen Fragen konfrontiert. «Die
Wirksamkeit des frühen Fremdsprachenunterrichts wird kontrovers diskutiert –
auch in der Forschung», sagt die Präsidentin des Verbands Lehrpersonen
Graubünden. Man werde voraussichtlich mehr wissen, wenn die Schweizerische
Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren im nächsten Jahr eben diese
Wirksamkeit evaluiere.
Laut Locher
Benguerel hat die Bildung einen ganzheitlichen Auftrag. Dazu gehöre der
Mint-Bereich genauso wie die Fremdsprachen. «Es ist wenig sinnvoll, die Fächer
gegeneinander auszuspielen», sagt die SP-Grossrätin.
Auch Gian-Paolo
Curcio, Rektor der Pädagogischen Hochschule Graubünden, teilt diese Meinung.
Wie er sagt, können Schülerinnen und Schüler nicht einfach den Kategorien
«sprachbegabt» oder «mathematikbegabt» zugeordnet werden.
Lehrplan
21 bringt Besserung
Mit dem
Lehrplan 21, der ab August im Kanton umgesetzt wird, dürfte sich in der
Primarschule manches ändern. «Er bringt die Chance, dass die Mint-Fächer
wirklich aufgewertet werden», sagt Märchy-Caduff.
Auch Locher
Benguerel findet, dass der Lehrplan 21 den Mint-Bereich stärken werde und dass
dies durchaus Sinn mache. «Der Lehrplan 21 bewegt etwas in Graubünden», sagt
sie. Erstmals seien im Kindergarten und in der Primarschule im Bereich Natur
und Technik klare Kompetenzziele definiert. «Das sind mitunter ganz einfache
Sachen – zum Beispiel, dass man im Unterricht experimentiert.» Zudem sei es ein
Fortschritt, dass neu auch das Fach Medien und Informatik bereits auf
Primarschulstufe unterrichtet werde, so Locher Benguerel. «Das alles wird nicht
auf Kosten der Frühfremdsprachen gehen.»
Unternehmerin
Manzanell wiederum sieht mit dem Lehrplan 21 die Gefahr, dass man den Kindern
damit nur noch mehr aufhalse und sie überfordere. «Man kann nicht einfach mehr
machen, ohne irgendwo etwas zu kürzen», sagt sie und verweist erneut auf den
frühen Fremdsprachenunterricht, der zu einem passenderen Zeitpunkt durchgeführt
werden könne.
Übrigens,
Manzanell hat auf ihren Vorschlag ausschliesslich positive Reaktionen erhalten,
wie sie sagt. «Ich wurde auf der Strasse von Lehrern angesprochen, die fanden:
‘Endlich sagt mal jemand, wie es ist’.» Diese Reaktionen «von der Front» würden
zeigen, dass etwas gemacht werden müsse, ist Manzanell überzeugt.
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