Es ist
ja kein Geheimnis, dass ich der Lehrplaninitiative zustimmen und es bedarf auch
keiner besonderen Wahrsagerkunst, dass ich damit in einer Woche zu den
Verlierern gehören werde. Und trotz dieser voraussehbaren Niederlage ist die
Empörung bei den designierten Siegern ziemlich gross. Das hat weniger mit
meinen Argumenten zu tun, sondern mit der Tatsache, dass auch konservative und klerikale
Kreise diese Initiative unterstützen, ja schlimmer noch, sie initiiert haben.
Guilt by association, Bieler Tagblatt, 26.2. von Alain Pichard
Einer
meiner ältesten und besten Freunde schrieb mir: «Jetzt tust du dich noch mit
diesen Klerikalen zusammen, das wird Auswirkungen auf unsere Freundschaft
haben!»
Nun bei
aller Aufregung muss man nüchtern festhalten, dass es in der Geschichte der
politischen Auseinandersetzungen immer wieder zu sogenannten unheiligen
Allianzen gekommen ist. Die säkularen Franzosen sprechen hier mit etwas weniger
Furor von «alliance contre nature». Ich erwähne das, weil in Frankreich ein
ähnlicher Kampf um die Bildung tobt, allerdings auf einem ganz anderen
intellektuellen Niveau. Die sogenannten „pédagogistes“ sind Anhänger der
Kompetenzorientierung. Viele von ihnen sind von der Reformpädagogik geprägt und
auch eher links ausgerichtet. Ihnen gegenüber stehen die „anti-pédagogistes“
die sich für einen klassischen Unterricht einsetzen. Sie nennen sich
„républicains“ und unterteilen sich in zwei Lager: Einerseits stark links ausgerichtete
Persönlichkeiten wie Frau Badinter, anderseits „les nouveaux philosophes“ wie
Finkelkraut, die sehr rechtslastig sind. Es gibt übrigens noch eine weitere
Gruppe, zu der ich mich hingezogen fühle: Die «didacticiens», die einen
Mittelweg suchen. In Frankreich käme es niemandem in den Sinn, Frau Badinter
aufgrund dieser Tatsache als eine Rechte zu bezeichnen.
Und ich
werfe meinem Freund, der in Berlin gegen die Globalisierung und das TTIP
demonstriert hatte, schliesslich auch nicht vor, er mache gemeinsame Sache mit
Trump, einem ebenfalls erklärten Gegner des Vertragswerks.
"Guilt by association" heißt im
Englischen die Verunglimpfung über das Herstellen von Nähe. Dagegen gibt es
keine Schiedsstelle, die man anrufen kann.
Zu
meiner Schande muss ich aber zugestehen, dass auch ich einmal diesem Muster
verfiel. Vor 26 Jahren anlässlich der EWR-Abstimmung warf ich dem damaligen JUSO-Präsidenten
Andreas Gross, der den Vertrag mit linken Argumenten bekämpfte, auf einem
Podium vor, er mache gemeinsame Sache mit Blocher. Seine herablassende Antwort:
«Alain, ist das ein Argument?»
Ich
weiss nicht, wie Sie es so halten, liebe Leserinnen und Leser, aber ich glaube
er hatte Recht. Man fährt immer noch am besten damit, die «association» eines
Menschen weniger wichtig zu nehmen als seine Argumente. In Wuppertal konnte ich
kürzlich meine Überlegungen vor 500 Leuten an der Universität darlegen, ohne
dass man fragte, ob auch Klerikale dies denken. Zugegeben, Deutschland hat auch
bei der Umgestaltung des Bildungssystems einen Vorsprung. Und darum sassen im
Hörsaal auch mehrheitlich ernüchterte Linke.
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