26. Februar 2018

Unheilige Allianzen

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich der Lehrplaninitiative zustimmen und es bedarf auch keiner besonderen Wahrsagerkunst, dass ich damit in einer Woche zu den Verlierern gehören werde. Und trotz dieser voraussehbaren Niederlage ist die Empörung bei den designierten Siegern ziemlich gross. Das hat weniger mit meinen Argumenten zu tun, sondern mit der Tatsache, dass auch konservative und klerikale Kreise diese Initiative unterstützen, ja schlimmer noch, sie initiiert haben.
Guilt by association, Bieler Tagblatt, 26.2. von Alain Pichard


Einer meiner ältesten und besten Freunde schrieb mir: «Jetzt tust du dich noch mit diesen Klerikalen zusammen, das wird Auswirkungen auf unsere Freundschaft haben!»
Nun bei aller Aufregung muss man nüchtern festhalten, dass es in der Geschichte der politischen Auseinandersetzungen immer wieder zu sogenannten unheiligen Allianzen gekommen ist. Die säkularen Franzosen sprechen hier mit etwas weniger Furor von «alliance contre nature». Ich erwähne das, weil in Frankreich ein ähnlicher Kampf um die Bildung tobt, allerdings auf einem ganz anderen intellektuellen Niveau. Die sogenannten „pédagogistes“ sind Anhänger der Kompetenzorientierung. Viele von ihnen sind von der Reformpädagogik geprägt und auch eher links ausgerichtet. Ihnen gegenüber stehen die „anti-pédagogistes“ die sich für einen klassischen Unterricht einsetzen. Sie nennen sich „républicains“ und unterteilen sich in zwei Lager: Einerseits stark links ausgerichtete Persönlichkeiten wie Frau Badinter, anderseits „les nouveaux philosophes“ wie Finkelkraut, die sehr rechtslastig sind. Es gibt übrigens noch eine weitere Gruppe, zu der ich mich hingezogen fühle: Die «didacticiens», die einen Mittelweg suchen. In Frankreich käme es niemandem in den Sinn, Frau Badinter aufgrund dieser Tatsache als eine Rechte zu bezeichnen.

Und ich werfe meinem Freund, der in Berlin gegen die Globalisierung und das TTIP demonstriert hatte, schliesslich auch nicht vor, er mache gemeinsame Sache mit Trump, einem ebenfalls erklärten Gegner des Vertragswerks.

 "Guilt by association" heißt im Englischen die Verunglimpfung über das Herstellen von Nähe. Dagegen gibt es keine Schiedsstelle, die man anrufen kann.

Zu meiner Schande muss ich aber zugestehen, dass auch ich einmal diesem Muster verfiel. Vor 26 Jahren anlässlich der EWR-Abstimmung warf ich dem damaligen JUSO-Präsidenten Andreas Gross, der den Vertrag mit linken Argumenten bekämpfte, auf einem Podium vor, er mache gemeinsame Sache mit Blocher. Seine herablassende Antwort: «Alain, ist das ein Argument?»


Ich weiss nicht, wie Sie es so halten, liebe Leserinnen und Leser, aber ich glaube er hatte Recht. Man fährt immer noch am besten damit, die «association» eines Menschen weniger wichtig zu nehmen als seine Argumente. In Wuppertal konnte ich kürzlich meine Überlegungen vor 500 Leuten an der Universität darlegen, ohne dass man fragte, ob auch Klerikale dies denken. Zugegeben, Deutschland hat auch bei der Umgestaltung des Bildungssystems einen Vorsprung. Und darum sassen im Hörsaal auch mehrheitlich ernüchterte Linke.

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