Jeder kennt sie, viele drücken sich vor
ihnen und so mancher erinnert sich mit Schrecken: Die Rede ist von
Hausaufgaben. Bereits Generationen von Schülern waren es
gewohnt, in der Freizeit diese unangenehme Pflicht zu erledigen. Angesichts
neuer pädagogischer Ansätze und Unterrichtsformen stellt sich jedoch zunehmend
die Frage, ob Hausaufgaben noch sinnvoll sind. Zugegeben: Es gibt eine Reihe
bedenkenswerter Argumente, die gegen das Einfordern von Hausaufgaben sprechen.
Vor allem drei Argumente sind es, die von den Gegnern von Hausaufgaben, fast
durchwegs von Bildungsforschern und Reformpädagogen, immer wieder angeführt werden.
Hausaufgaben sind eine Schule fürs Leben. St. Galler Tagblatt, 7.2. von Mario Andreotti
Da ist zunächst der Vorwurf der mangelnden
Chancengleichheit: Hausaufgaben, so heisst es dann etwa,
würden die soziale Ungleichheit in Bildungsprozessen verstärken, denn manche
Schüler, vor allem aus gut situiertem Hause, bekämen Hilfe von ihren Eltern,
während andere auf sich alleine gestellt seien und entsprechend mehr Mühe
hätten. Dazu kommt die viel geäusserte Ansicht, Hausaufgaben stellten für
Schüler und Eltern eine reine Schikane dar. Schliesslich wird auch der
Lerneffekt von Hausaufgaben bezweifelt: Sie seien für den Lernerfolg nur von
geringem Nutzen, würden im Gegenteil demotivierend wirken.
Das sind durchaus happige Vorwürfe an ein
uraltes pädagogisches Instrument. Aber sie beruhen
teilweise auf falschen Annahmen. Zum einen überzeugt das Argument, Hausaufgaben
wirkten selektionierend, förderten die Chancenungleichheit, nur halb, denn
Eltern, die ihr Kind in seinem Lernprozess unterstützen wollen, würden dies
auch ohne Hausaufgaben tun. Einmal abgesehen davon, dass eine absolute
Chancengleichheit in der Bildung, wie sie sich vor allem politisch links
stehende Kreise gerne erträumen, eine Illusion ist. Und zum andern ist der
Vorwurf, Hausaufgaben hätten nur einen geringen Lerneffekt, wirkten vielmehr
demotivierend, eine unzulässige Verallgemeinerung.
Denn Hausaufgaben können durchaus
Erfolgserlebnisse beinhalten, vorausgesetzt, dass sie von der Lehrperson
sinnvoll ausgewählt werden und nicht in tägliche stundenlange Plackerei
ausarten. Zudem kann im Unterricht Gelerntes in neue Zusammenhänge gebracht und
so vom Schüler erst richtig verinnerlicht werden, wenn es nicht nur vom Lehrer
vorgezeigt wurde. Dazu kommt, dass Wiederholungen erwiesenermassen eine
äusserst wirksame Methode sind, Lerninhalte zu festigen. Diese Form des Lernens
funktioniert am besten zu Hause in möglichst ungestörter Umgebung. Nicht
zuletzt stellen Hausaufgaben eine Verbindung zwischen der Schule und dem
Elternhaus her. Oder wie es in einem Merkblatt des Kantons Luzern heisst:
«Hausaufgaben sind ein Fenster zur Schule und geben den Eltern Einblick, was
dort läuft.»
Man wird den Verdacht nicht ganz los, dass die Gegner von Hausaufgaben mit ihrem Dauergerede von den gestressten
Schülern, mehr oder weniger offen, die Schule, indem sie ihr Anspruchsniveau
herunterfahren, zu einer Wohlfühloase umgestalten möchten. «Das ist ein Griff
in die Klamottenkiste der Kuschelpädagogik.» So lautet der Kommentar von Josef
Kraus, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes. Wenn das römische
Sprichwort «Non scholae, sed vitae discimus» in der Pädagogik weiterhin gelten
soll, muss die Schule alles daransetzen, die jungen Menschen auf das Leben nach
der Schulzeit vorzubereiten.
Dazu gehören nun einmal auch Hausaufgaben. Können die Schüler an ihnen doch Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen,
aber auch die Fähigkeit üben, Probleme selbstständig zu lösen. Schliesslich
birgt auch das Erwachsenenleben, das Leben in Familie und Beruf, gerade in der
heutigen, zunehmend digitalen Wirtschaftswelt, eine Reihe unangenehmer und
schwieriger Aufgaben, die erledigt werden müssen.
Daher darf auch Schule anstrengend sein, vorausgesetzt, dass den Schülern genügend Freizeit zu Erholung und Spiel
bleibt. Mit einer Kuschelpädagogik, die den Schülern alles vermeintlich
Unangenehme, zu dem auch Hausaufgaben gehören mögen, abnehmen will, kommen wir
nicht weiter.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen