Der Kanton Thurgau hat
rasch gehandelt. Am 29. Dezember 2017 publizierte
das Bundesgericht seinen Entscheid, wonach für obligatorische
Schullager nicht mehr als 16 Franken pro Tag verlangt werden dürfen. Da die
Volksschule grundsätzlich unentgeltlich sein muss, dürfen den Eltern pro Kind
nur jene Verpflegungskosten in Rechnung gestellt werden, die durch die
Abwesenheit der Kinder eingespart werden. Jetzt, drei Wochen nach dem Entscheid
aus Lausanne, hat die Thurgauer Regierung die notwendige Anpassung der
Volksschulverordnung bereits vorgenommen. Für Schullager von fünf Tagen dürfen
noch höchstens 80 Franken in Rechnung gestellt werden. Bisher wurden bis zu 300
Franken erhoben.
Der Rotstift gefährdet Schweizer Klassenlager, NZZ, 20.1. von Jörg Krummenacher
Rechtsgrundlagen
anpassen
Schneller hat kein
anderer Kanton reagiert. Denn nicht nur im Thurgau waren bisher die Ansätze zu
hoch, sondern auch in diversen anderen Kantonen: Basel-Stadt verlangte für ein
Skilager bis zu 70 Franken pro Tag, Basel-Landschaft bis zu 40 Franken. Bern
verrechnete Tagessätze bis 30, Zürich bis 22 Franken. Im Aargau, wo der Kanton
keine Vorgaben macht, haben die Gemeinden bisher bis 40 Franken pro Tag
erhoben. Eine Ausnahme stellt St. Gallen dar, das schon bisher so tat, wie vom
Bundesgericht eingefordert: die Eltern nur so weit zu beteiligen, als diesen
Einsparungen erwachsen. Der Beitrag pro Tag wurde hier vor 20 Jahren bei 15
Franken plus Teuerung fixiert.
Die meisten Kantone
halten auf Anfrage fest, dass sie das Bundesgerichtsurteil analysieren und
soweit nötig die Rechtsgrundlagen anpassen werden. Die Konferenz der kantonalen
Erziehungsdirektoren will sich bei nächstmöglicher Gelegenheit über die
Auswirkungen des Entscheids austauschen. Zu spüren wird dieser vor allem in den
für die Volksschule zuständigen Gemeinden sein. Im Thurgau werden sie die nicht
gedeckten Kosten der nun anstehenden Skilager selber tragen müssen.
Lager haben
«positiven Effekt»
Wie sich der
Bundesgerichtsentscheid längerfristig auf bisher obligatorische Lager und
Aktivitäten der Volksschule auswirken wird, ist offen. Die Befürchtung aber ist
gross, dass er zu einem weiteren Rückgang der Klassenlager führen könnte. So
sind im Kantonsparlament von Basel-Landschaft gleich zwei Vorstösse eingereicht
worden, welche die Durchführung von Lager- und Projektwochen sowie von Austauschprogrammen
gefährdet sehen. Solche Anlässe hätten erwiesenermassen «einen positiven Effekt
auf die Entwicklung kultureller und sozialer Kompetenzen», schreibt Landrat Roman
Brunner (sp.) in seiner Interpellation, und auch die CVP/BDP-Fraktion
wehrt sich dafür, dass die Lager «nicht dem Rotstift zum Opfer
fallen».
Gleiches gilt für den
Kanton Bern, wie Regierungspräsident und Erziehungsdirektor Bernhard Pulver
erklärt: «Es wäre sehr bedauerlich, wenn sich die Gemeinden und Schulen künftig
entschliessen würden, auf diese Dienstleistung zu verzichten.» Pulver hofft,
dass die Schulen «ihre pragmatische Vorgehensweise fortsetzen» und weiterhin
Klassenlager anbieten, sei dies doch «eine wichtige Aufgabe mit hohem
pädagogischem, sozialem und gesundheitsförderndem Wert».
Eine Möglichkeit besteht
darin, die Lager nicht mehr als obligatorisch zu erklären und freiwillige
Elternbeiträge einzuziehen, wobei weniger gut betuchte Eltern finanziell
unterstützt werden. Einen kreativen Ansatz verfolgten Primarschüler
im Kanton Aargau, indem sie eine Schülerzeitung realisierten und
verkauften, um das Schullager zu finanzieren. Einen Anreiz setzt auch Groups
Swiss, die Branchenorganisation der Schweizer Gruppenunterkünfte,
die rund 650 Unterkünfte im Land vermittelt. Sie hat bei den Schulklassen einen
Wettbewerb ausgeschrieben: Wer bis zum 31. Januar möglichst originelle
Gruppenunterkünfte zeichnet und einsendet, gewinnt zwölf Gratisaufenthalte.
«Wir spüren, dass die Lehrpersonen mit neuen Buchungsanfragen zuwarten und vor
allem die definitiven Buchungen zurückstellen», sagt Groups-Geschäftsleiterin
Christina Aenishänslin.
Bessere
Verteilung erhofft
Auch im Kanton
Graubünden, wo unzählige Skilager durchgeführt werden, geben diese zu reden,
wenn auch aus einem anderen Grund. Ein Vorstoss
im Grossen Rat beklagt, dass die zeitliche Festlegung der Lager
und Sportwochen in den anderen Kantonen zu wenig koordiniert erfolge. Das führe
in den Wintersportorten zu einer Ballung der Nachfrage vor allem im Februar:
Die Kapazitäten reichten in dieser Zeit nicht aus, während im Januar und März
ein «Loch» entstehe. «Tatsächlich täte schon seit Jahrzehnten eine bessere Staffelung
der Skilager not», sagt auch Christina Aenishänslin. Der Schneemangel habe in
den letzten Jahren eine zusätzliche Konzentration auf die Saisonmitte gebracht.
Die Bündner Regierung
hat sich hinter den Vorstoss gestellt und konstatiert ebenfalls eine «suboptimale
Nutzung der Ressourcen». Sie will die einzelnen Bedürfnisse analysieren und
anschliessend bei der Erziehungsdirektorenkonferenz einen Vorstoss
unternehmen.
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