Das neue Sprachenkonzept Passepartout lässt
die meisten Lehrer, Schüler und Eltern verzweifeln: Der Aufbau sei ohne System
und Logik, sagen sie; auch nach zwei Jahren Unterricht finde man sich in
einfachen Alltagssituationen nicht zurecht. Die Lehrmittel seien unbrauchbar, monierten
auch gestern viele Leser als Reaktion auf den BaZ-Artikel über das
Frühfranzösisch. Es müsse einen sofortigen Halt geben, das neue Konzept
gestoppt werden. «Mir tun die Kinder leid, die nun alle mit schlechteren
Chancen in die Welt starten, nur weil weltfremde Pädagogen ein schlechtes
Konzept konstruiert haben und das Scheitern nicht zugeben wollen», schreibt
beispielsweise Max Bader in einem Online-Kommentar auf baz.ch. Zu Hause müsse man fast
täglich ausbessern und den Kindern sei Französisch als Sprache durch ständigen
Frust versaut worden.
Teure, unbeliebte Franz-Lehrbücher, Basler Zeitung, 9.1. von Franziska Laur
«Monica
Gschwind ist meines Wissens die einzige Bildungsdirektorin in den sechs
Passepartoutkantonen, welche die Problematik rechtzeitig erkannt hat», sagt
Philipp Loretz, Geschäftsleitungsmitglied des Lehrervereins Baselland. Sie habe
Ende 2017 Hearings eingeleitet. Die Auswertung sei zwar noch im Gange, klar ist
jedoch: Die Lehrmittel müssten substanziell überarbeitet werden.
Teuerstes
Lehrmittel
«Das
ist das teuerste Lehrmittel, das es je gegeben hat», sagt Loretz. Einerseits
seien die Herstellungskosten hoch, andererseits handle es sich um ein
Wegwerf-Lehrmittel. Hinzu kämen zahlreiche Nachbesserungen, die weitere
finanzielle Ressourcen verschlängen. Was auch ins Geld geht: Die Baselbieter
Lehrer müssen mit zwölf Tagen eine unverhältnismässig lange Weiterbildung
absolvieren, um überhaupt mit den Lehrbüchern «Mille Feuilles», «Clin d’œil» in
Französisch und «New World» in Englisch umgehen zu können. Auch in Basel-Stadt
mussten über 300 Lehrpersonen zwölf Tage pro Fach eine Fortbildung besuchen –
etwas, das es noch bei keinem Lehrmittel gegeben hat.
Auf
Anraten des Lehrervereins gab Monica Gschwind Anfang 2016 zu den
Fortbildungskursen eine Umfrage in Auftrag. Fazit: Rund drei Viertel der
Pädagogen fanden die Kurse und deren Inhalte unangemessen. Die Dauer wurde
mittlerweile von 24 auf 17 Halbtage gekürzt, die Kursinhalte wurden angepasst
und die Kurse werden nur noch von Personal, das über eigene Erfahrung mit dem
Fremdsprachenunterricht auf der Sek I verfügt, durchgeführt.
Es
bleibt viel zu tun
Ein
Teilsieg für die Baselbieter Lehrer also, doch es bleibt noch viel zu tun. Der
Prozess der Überarbeitung der Lehrmittel dürfte Jahre dauern: «Wir befinden uns
bereits im siebten Passepartout-Jahr. Dass die Projektverantwortlichen und der
Schulverlag erst nach Jahren der Dauerkritik bereit sind, zumindest gewisse
Mängel ihres neuartigen Lehrmittels zu beheben, stimmt nachdenklich», sagt
Loretz. Vor allem aber zeige diese Trägheit, dass das Controlling des
millionenschweren Projekts – die Kosten alleine für den Kanton Baselland
belaufen sich auf 12,5 Millionen Franken – gründlich versagt hat. «Das
Passepartout-Management kommt mir vor wie ein Autokonzern, der Jahre nach der
Lancierung eines angeblich revolutionären Wunderwagens verkündet, dass man
aufgrund der Rückmeldungen der Kundschaft bereit sei, das Auto nun doch mit
vier Rädern auszustatten.»
Angst
vor der Abstimmung
Auch
Jürg Wiedemann, Vorstandsmitglied der Starken Schule beider Basel, ist sauer:
«Es ist schäbig, dass den Passepartout-Promotoren ihre Fremdsprachen-Ideologie
wichtiger ist als das Wohl der Schulkinder.» So würden die Schüler «brutal
verheizt». Die Starke Schule erhalte fast täglich Anrufe und E-Mails von
besorgten Eltern und Lehrpersonen. Viele Kinder kämen in Bezug auf Französisch
«abgelöscht» von der Primar- in die Sekundarschule. Doch er zweifle daran, dass
die angekündigte «Schein-Überarbeitung» viel bringt. «Die
Passepartout-Promotoren «versuchen zu retten, was nicht zu retten ist.»
Immerhin
ist in jüngerer Vergangenheit vom Passepartout-Kurskader bezüglich des
Sprachenkonzepts mehr Entgegenkommen wahrzunehmen. So räumte man ein, dass es
sich dabei selbstverständlich um kein Sprachbad handle und man gezielt und
häufig üben müsse. Das sind neue Töne. Denn als man das Konzept vor sechs
Jahren einführte, war von «büffeln» noch keine Rede. Und plötzlich lassen die
Verantwortlichen den Pädagogen auch mehr Freiheiten: Die Lehrmittel- und
Methodenfreiheit seien grundsätzlich gegeben; man dürfe ergänzend auch andere
Lehrmittel einsetzen.
Wiedemann
vermutet denn auch, dass die von der Starken Schule lancierte Abstimmung die
Bildungsbürokraten weicher stimmt. Die Initiativen, die im Juni zur Abstimmung
kommen, verlangen einerseits, dass Baselland aus dem 2012 gestarteten
sechskantonalen Fremdsprachen-Projekt Passepartout aussteigt, und zweitens,
dass Englisch wieder in die Sekundarstufe verschoben wird.
Doch
vielleicht haben sich die Verantwortlichen auch von Zürich inspirieren lassen.
Dort hat die Bildungsdirektion das Problem elegant mit der Lehrmittelfreiheit
gelöst. Es stehen mehrere Fremdsprachen-Lehrbücher zur Verfügung und den
Pädagogen steht offen, mit welchen sie arbeiten wollen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen