25. Januar 2018

Das Volk soll entscheiden

Die Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (VV) des Kantonsgerichts sorgte gestern Nachmittag für eine Überraschung. Einstimmig mit fünf zu null hat sie den Entscheid des Landrats auf Teilungültigkeit der Initiative des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB) «Stopp dem Abbau an den öffentlichen Schulen!» aufgehoben und die entsprechende Beschwerde der Initiantinnen und Initianten gutgeheissen. Das Gericht kam zum Schluss, dass der vom Landrat auf Antrag der Regierung für rechtsungültig erklärte Teil des Volksbegehrens mitnichten «offensichtlich rechtswidrig» sei. Aber nur dann, oder wenn eine Initiative Unmögliches verlangt, kann sie laut Kantonsverfassung vom Landrat für ungültig erklärt werden.
Lehrer-Initiative ist gültig, Basler Zeitung, 25.1. von Thomas Gubler
Baselbieter Kantonsgericht pfeift Landrat zurück, SRF Regional, 25.1. 

Das Kantonsgericht hat mit diesem Entscheid seine Praxis unter dem Einfluss des Bundesgerichts liberalisiert und den Grundsatz «in dubio pro populo – im Zweifelsfalle für das Volk» weiter als bis anhin interpretiert.

Am 19. Oktober des vergangenen Jahres hat der Landrat die sogenannte Lehrervereins-Initiative mit 70 zu 4 Stimmen teilweise für ungültig erklärt. Der von der Ungültigkeit betroffene Textteil der Gesetzesinitiative sieht vor, dass das Kantonsparlament mit einer Zweidrittelmehrheit per Dekret die Lektionenzahl bestimmter Fächer sowie die Vor- und Nachbearbeitung dafür festlegen soll. In der parlamentarischen Debatte war von mehreren Votanten kritisiert worden, dass die Initianten damit in unzulässiger Weise in das auf Verfassungsebene verbriefte Dekretsrecht des Landrats eingreifen würden. Es sei nicht statthaft, dem Landrat vorzuschreiben, wie er ein solches Dekret, das nicht dem Referendum unterliegt, zu gestalten habe.

Fast alle Landratsfraktionen hatten sich damals für die Teilungültigkeit der Initiative ausgesprochen. Lediglich Jürg Wiedemann (GU) verteidigte die Initianten und wollte das ganze Volksbegehren für rechtsgültig erklären. Dieses beinhalte, so der Grüne-Unabhängige, keine «offensichtliche» Rechtsverletzung. Andere, wie der Grünliberale Matthias Häuptli, wollten demgegenüber sogar die ganze Initiative für ungültig erklären, also auch den Teil, der für Landratsentscheide zu bestimmten Bereichen der Bildung ein Zweidrittelsmehr im Parlament verlangt. Doch so weit wollte der Landrat nicht gehen.

Das Volk soll entscheiden
Der referierende Richter Stefan Schulthess bezeichnete die Haltung der Regierung, wonach sich die Stimmberechtigten nicht die Rolle des Dekretgebers «anmassen» dürfen, als «ziemlich legalistisch». Man befinde sich bei Initiativen nicht selten «in einem Spannungsfeld zwischen Demokratie und Legalitätsprinzip». Und es sei auch nicht so, dass Gesetzesinitiativen nur Grundsätzliches zum Gegenstand haben dürfen. Auch die Regelung von Details würde auf diese Weise angestossen. Zwar könne das Volk kein Dekret schaffen, aber indirekt über das Gesetz den Dekretinhalt beeinflussen.

Unter diesem Aspekt könne von «offensichtlicher Rechtswidrigkeit» der Initiative nicht die Rede sein. Und auch das deutliche Abstimmungsresultat im Landrat liess Schulthess nicht als Indiz für die Offensichtlichkeit gelten. «Der demokratischen Willensbildung soll möglichst der Lauf gelassen werden. Also soll das Volk entscheiden», sagte der Referent. Und die andern vier Richter schlossen sich dieser Meinung an. Den Beschwerdeführern wurde eine Parteientschädigung zugesprochen.



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