Die Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht (VV) des
Kantonsgerichts sorgte gestern Nachmittag für eine Überraschung. Einstimmig mit
fünf zu null hat sie den Entscheid des Landrats auf Teilungültigkeit der
Initiative des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB) «Stopp dem Abbau
an den öffentlichen Schulen!» aufgehoben und die entsprechende Beschwerde der
Initiantinnen und Initianten gutgeheissen. Das Gericht kam zum Schluss, dass
der vom Landrat auf Antrag der Regierung für rechtsungültig erklärte Teil des
Volksbegehrens mitnichten «offensichtlich rechtswidrig» sei. Aber nur dann,
oder wenn eine Initiative Unmögliches verlangt, kann sie laut Kantonsverfassung
vom Landrat für ungültig erklärt werden.
Lehrer-Initiative ist gültig, Basler Zeitung, 25.1. von Thomas Gubler
Baselbieter Kantonsgericht pfeift Landrat zurück, SRF Regional, 25.1.
Baselbieter Kantonsgericht pfeift Landrat zurück, SRF Regional, 25.1.
Das Kantonsgericht hat mit diesem Entscheid
seine Praxis unter dem Einfluss des Bundesgerichts liberalisiert und den
Grundsatz «in dubio pro populo – im Zweifelsfalle für das Volk» weiter als bis
anhin interpretiert.
Am
19. Oktober des vergangenen Jahres hat der Landrat die sogenannte
Lehrervereins-Initiative mit 70 zu 4 Stimmen teilweise für ungültig erklärt.
Der von der Ungültigkeit betroffene Textteil der Gesetzesinitiative sieht vor,
dass das Kantonsparlament mit einer Zweidrittelmehrheit per Dekret die
Lektionenzahl bestimmter Fächer sowie die Vor- und Nachbearbeitung dafür
festlegen soll. In der parlamentarischen Debatte war von mehreren Votanten
kritisiert worden, dass die Initianten damit in unzulässiger Weise in das auf
Verfassungsebene verbriefte Dekretsrecht des Landrats eingreifen würden. Es sei
nicht statthaft, dem Landrat vorzuschreiben, wie er ein solches Dekret, das
nicht dem Referendum unterliegt, zu gestalten habe.
Fast
alle Landratsfraktionen hatten sich damals für die Teilungültigkeit der
Initiative ausgesprochen. Lediglich Jürg Wiedemann (GU) verteidigte die
Initianten und wollte das ganze Volksbegehren für rechtsgültig erklären. Dieses
beinhalte, so der Grüne-Unabhängige, keine «offensichtliche» Rechtsverletzung.
Andere, wie der Grünliberale Matthias Häuptli, wollten demgegenüber sogar die
ganze Initiative für ungültig erklären, also auch den Teil, der für
Landratsentscheide zu bestimmten Bereichen der Bildung ein Zweidrittelsmehr im
Parlament verlangt. Doch so weit wollte der Landrat nicht gehen.
Das
Volk soll entscheiden
Der
referierende Richter Stefan Schulthess bezeichnete die Haltung der Regierung,
wonach sich die Stimmberechtigten nicht die Rolle des Dekretgebers «anmassen»
dürfen, als «ziemlich legalistisch». Man befinde sich bei Initiativen nicht
selten «in einem Spannungsfeld zwischen Demokratie und Legalitätsprinzip». Und
es sei auch nicht so, dass Gesetzesinitiativen nur Grundsätzliches zum
Gegenstand haben dürfen. Auch die Regelung von Details würde auf diese Weise
angestossen. Zwar könne das Volk kein Dekret schaffen, aber indirekt über das
Gesetz den Dekretinhalt beeinflussen.
Unter
diesem Aspekt könne von «offensichtlicher Rechtswidrigkeit» der Initiative
nicht die Rede sein. Und auch das deutliche Abstimmungsresultat im Landrat
liess Schulthess nicht als Indiz für die Offensichtlichkeit gelten. «Der
demokratischen Willensbildung soll möglichst der Lauf gelassen werden. Also
soll das Volk entscheiden», sagte der Referent. Und die andern vier Richter
schlossen sich dieser Meinung an. Den Beschwerdeführern wurde eine Parteientschädigung
zugesprochen.
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