Die
Bildungsverantwortlichen des VPOD verlangen die Anstellung zusätzlicher
Heilpädagogen, um die Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten, die nach dem Modell
der Integrativen Schule unterrichten. (Das Leiden der Lehrer, BaZ 12.12.17) Wie
sich jedoch gezeigt hat, verursacht die Aufstockung des Lehrkörpers für die
Klassenlehrperson vielmehr zusätzliche Mehrarbeit. Die Klassenlehrerin ist es
nämlich, die der Heilpädagogin den Unterrichtsstoff für die zu betreuenden
Schüler erstellen und erläutern muss.
Gescheitertes Schulmodell, Basler Zeitung, 19.12. von Arnold Fröhlich
Je
mehr Heilpädagogen in die Klasse kommen, um mit jenen Kindern zu arbeiten, die
dem normalen Unterricht nicht ohne zusätzliche Hilfe folgen können, desto mehr
Absprachen und Ausarbeitungen individueller Stoffprogramme fallen für die
Klassenlehrperson an. Ganz abgesehen davon, dass jene Schüler die basalen
Unterrichtsinhalte verpassen, die mit der Klasse während der Zeit durchgenommen
werden, in der die Heilpädagogin mit ihnen arbeitet. Das Defizit der
schwächeren Schüler verringert sich daher nicht. Was, logische Folge, noch zu
mehr sonderpädagogi-schen Massnahmen und ergo dem Ruf nach noch mehr
Lehrpersonal führt.
Zudem
wird das Problem mit verhaltensauffälligen Schülern, die den Unterricht
konstant stören, mit vielleicht zwei wöchentlichen heilpädagogischen
Separatstunden keineswegs gelöst. Diese Schüler stellen im Normalunterricht für
die Klassenlehrerin nach wie vor eine grosse zusätzliche Belastung dar. Wie
eine Befragung von Lehrpersonen, die das Handtuch geworfen haben, ergeben hat,
stellen die der Integrativen Schule zuzurechnenden Belastungen einen Hauptgrund
für den Ausstieg aus dem Lehrberuf dar.
Statt
noch mehr «pädagogisches Personal» in einer Schulklasse intervenieren zu
lassen, müsste zugegeben werden, wie eines der ursprünglichen ideologischen
Ziele der Integrativen Schule nicht nur verfehlt, sondern in sein Gegenteil
verkehrt worden ist: Kein lernbehindertes Kind sollte sich ausgeschlossen,
sondern im Sinne der Chancengleichheit vielmehr als gleichwertig integriert
fühlen. Das war die Botschaft einer egalitären pädagogischen Philosophie. Die angesichts
der manifesten pädagogischen Schwierigkeiten nun erhobene Forderung nach einer
weiteren Aufstockung des Lehrpersonals ist letztlich das Eingeständnis des
Scheiterns dieser Schulreform.
Denn
in der Regelklasse wird einem Kind mit Lernschwierigkeiten durch die
Absonderung während der Zeit mit der Heilpädagogin sein Status als
«Spezialfall» erst recht bewusst. Nicht selten erlebt dieses Kind sein Defizit
im Vergleich mit den Schulkameraden in mehr Fachbereichen, als das in einer
Kleinklasse der Fall ist. In einer Kleinklasse gehört ein lernbehinderter
Schüler vielleicht in einem Fach zu den Besten. In der Integrativen Klasse
hingegen empfindet er sich in den Augen der Mitschüler oft einfach als der
Dumme, was dem Selbstwertgefühl Abbruch tut. Schülerinnen und Schüler sollen
gemäss ihren geistigen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten und Defiziten
geschult werden. In der Integrativen Schule ihren individuellen Bedürfnissen
mit noch mehr Lehrpersonal gerecht werden zu wollen, ist illusorisch und ideologisch
verblendet. Dieses in der Praxis gescheiterte pädagogische Modell gehört
abgeschafft.
Dr.
Arnold Fröhlich war Dozent im Fachbereich Pädagogik an der Universität Freiburg
(CH ) und zuletzt an der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz in Luzern.
Und wieder ein pensionierter PH-Dozent, der sich getraut, die Dinge beim Namen zu nennen.
AntwortenLöschen