In allen Zeitungen war es dieser Tage zu lesen: Der Regierungsrat des
Kantons Zürich will also nach wie vor den Lehrplan 21, der über Jahre mit
strengster Geheimhaltung unter Verschluss gehalten wurde, auf den nächsten
Sommer hin verbindlich für alle Schulen einführen. Damit bleiben die
involvierten Amtsstellen, Entscheidungsgremien und Bildungspolitiker dabei,
dass die kantonale Schulhoheit in so wichtigen und grundlegenden Fragen nur
noch Sache der Obrigkeit sein soll und nicht mehr gut schweizerisch-demokratisch,
zusammen mit dem betroffenen Volk, diskutiert oder gar entschieden werden soll.
Der gewählte amtliche Verordnungsweg verunmöglicht denn auch weitgehend, sowohl
gegen das obrigkeitliche Vorgehen, also die geplante diskussionslose
Einführung, als auch gegen inhaltliche Fragwürdigkeiten der Vorlage Einsprache
zu erheben.
Zur Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Zürich, 19.12. von Kurt Scherrer
Die Tatsache, dass der Lehrplan 21 zwar eine besonders happige und
grundlegend umwälzende, aber keineswegs die erste Reform im Bildungswesen ist,
die ursprünglich in wesentlichen Punkten aus der Küche der OECD stammt, können
selbst namhafte Schweizer Bildungspolitiker nicht mehr länger bestreiten,
seitdem die NZZ diese Zusammenhänge kürzlich zweifelsfrei aufgedeckt hat. Damit
ist endlich klar belegt, dass tatsächlich viele der im grossen Stil in diversen
Ländern teils geplanten, teils bereits umgesetzten Umwälzungen im
Bildungsbereich nicht einfach logische Fortsetzungen sind von historisch
gewachsenen Entwicklungen, sondern gezielt angestrebte Paradigmenwechsel von
einseitigen und mächtigen wirtschaftlichen Interessengruppierungen.
Wirtschaftliche Interessen, sprich Geld, Macht und Gewinnmaximierung möchten
das Zepter übernehmen. Nicht mehr bestmöglich ausgebildete Kinder mit breitem
Allgemeinwissen und kritischem Denken, die als spätere mündige Bürger die
demokratische Basis der politischen Arbeit und des Sozialstaates bilden sollen,
stehen im Vordergrund –– so wie es einst die Gründerväter des
Schulobligatoriums für alle postuliert hatten. Wer weiss denn heute überhaupt
noch, dass das erklärte Ziel des eingeführten allgemeinen Schulobligatoriums
darin bestand, die künftigen Bürger dahingehend zu bilden und zu schulen, dass
sie befähigt werden, sich in Sachvorlagen wie politischen Fragen eine eigene,
unabhängige Meinung bilden zu können, um so ihre Aufgabe und Mitverantwortung
als Staatsbürger wahrnehmen zu können. Aber nein, offensichtlich sind heute
nicht mehr Denken, schon gar nicht mehr kritisches, und nicht mehr
Argumentieren und Mitreden gefragt. Auch stehen augenfällig nicht mehr politische
Fragen und Sachvorlagen eigenständig und unabhängig zu prüfen, zu hinterfragen
und notfalls ablehnen zu können im Vordergrund. Nein, vor allem Funktionieren
sollen die kommenden Generationen von Werktätigen und Konsumenten. Eine
kleinere Kaste gut geschulter, elitärer Gruppierungen von macht- und
geldgierigen Profiteuren werden dann die Massen schon richtig führen.
Ein pessimistisches Zukunftsbild? Die Zeichen der Zeit sind da: Die
Schere der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede öffnet sich seit Jahren,
Privatschulen boomen, viele Eltern beobachten schon lange mit Unbehagen die
zunehmenden Qualitätsmängel in den öffentlichen Schulen, viele Lehrerinnen und
Lehrer werden eingedeckt mit fragwürdigen Aufgaben und Arbeiten, werden in der
Ausübung ihres Bildungsauftrags und Kerngeschäfts bezüglich Unterrichten sowie
Schüler- und Elternarbeit massiv behindert und reiben sich zunehmend auf, der
Sozialstaat kommt langsam an seine Grenzen, usw., um nur einige Beispiele zu
nennen.
Darum: Das Volk soll am 4. März an die Urne und mit der Annahme der
Mitsprache- und Mitbestimmungsinitiative in Bildungsfragen seinen Anspruch auf
die verbrieften Bürgerrechte unterstreichen und einfordern. Warum nur möchte
denn der Regierungsrat und mit ihm die Bildungsbehörden die längst fällige
öffentliche Diskussion und demokratische Volksbefragung zu grundlegenden Fragen
des öffentlichen Bildungswesens verhindern? Wirklich gut Ding will nach wie vor
Weil haben, die Einführung eines neuen Lehrplanes eilt doch überhaupt nicht!
Oder was soll denn diesmal nicht öffentlich auf den Tisch kommen? Volksschule
heisst nicht nur: Eine Schule fürs Volk. Es bedeutet ebenso auch: Die Schule
des Volkes!
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