19. Dezember 2017

Gezielt angestrebter Paradigmenwechsel

In allen Zeitungen war es dieser Tage zu lesen: Der Regierungsrat des Kantons Zürich will also nach wie vor den Lehrplan 21, der über Jahre mit strengster Geheimhaltung unter Verschluss gehalten wurde, auf den nächsten Sommer hin verbindlich für alle Schulen einführen. Damit bleiben die involvierten Amtsstellen, Entscheidungsgremien und Bildungspolitiker dabei, dass die kantonale Schulhoheit in so wichtigen und grundlegenden Fragen nur noch Sache der Obrigkeit sein soll und nicht mehr gut schweizerisch-demokratisch, zusammen mit dem betroffenen Volk, diskutiert oder gar entschieden werden soll. Der gewählte amtliche Verordnungsweg verunmöglicht denn auch weitgehend, sowohl gegen das obrigkeitliche Vorgehen, also die geplante diskussionslose Einführung, als auch gegen inhaltliche Fragwürdigkeiten der Vorlage Einsprache zu erheben.
Zur Einführung des Lehrplans 21 im Kanton Zürich, 19.12. von Kurt Scherrer


Die Tatsache, dass der Lehrplan 21 zwar eine besonders happige und grundlegend umwälzende, aber keineswegs die erste Reform im Bildungswesen ist, die ursprünglich in wesentlichen Punkten aus der Küche der OECD stammt, können selbst namhafte Schweizer Bildungspolitiker nicht mehr länger bestreiten, seitdem die NZZ diese Zusammenhänge kürzlich zweifelsfrei aufgedeckt hat. Damit ist endlich klar belegt, dass tatsächlich viele der im grossen Stil in diversen Ländern teils geplanten, teils bereits umgesetzten Umwälzungen im Bildungsbereich nicht einfach logische Fortsetzungen sind von historisch gewachsenen Entwicklungen, sondern gezielt angestrebte Paradigmenwechsel von einseitigen und mächtigen wirtschaftlichen Interessengruppierungen. Wirtschaftliche Interessen, sprich Geld, Macht und Gewinnmaximierung möchten das Zepter übernehmen. Nicht mehr bestmöglich ausgebildete Kinder mit breitem Allgemeinwissen und kritischem Denken, die als spätere mündige Bürger die demokratische Basis der politischen Arbeit und des Sozialstaates bilden sollen, stehen im Vordergrund –– so wie es einst die Gründerväter des Schulobligatoriums für alle postuliert hatten. Wer weiss denn heute überhaupt noch, dass das erklärte Ziel des eingeführten allgemeinen Schulobligatoriums darin bestand, die künftigen Bürger dahingehend zu bilden und zu schulen, dass sie befähigt werden, sich in Sachvorlagen wie politischen Fragen eine eigene, unabhängige Meinung bilden zu können, um so ihre Aufgabe und Mitverantwortung als Staatsbürger wahrnehmen zu können. Aber nein, offensichtlich sind heute nicht mehr Denken, schon gar nicht mehr kritisches, und nicht mehr Argumentieren und Mitreden gefragt. Auch stehen augenfällig nicht mehr politische Fragen und Sachvorlagen eigenständig und unabhängig zu prüfen, zu hinterfragen und notfalls ablehnen zu können im Vordergrund. Nein, vor allem Funktionieren sollen die kommenden Generationen von Werktätigen und Konsumenten. Eine kleinere Kaste gut geschulter, elitärer Gruppierungen von macht- und geldgierigen Profiteuren werden dann die Massen schon richtig führen.

Ein pessimistisches Zukunftsbild? Die Zeichen der Zeit sind da: Die Schere der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede öffnet sich seit Jahren, Privatschulen boomen, viele Eltern beobachten schon lange mit Unbehagen die zunehmenden Qualitätsmängel in den öffentlichen Schulen, viele Lehrerinnen und Lehrer werden eingedeckt mit fragwürdigen Aufgaben und Arbeiten, werden in der Ausübung ihres Bildungsauftrags und Kerngeschäfts bezüglich Unterrichten sowie Schüler- und Elternarbeit massiv behindert und reiben sich zunehmend auf, der Sozialstaat kommt langsam an seine Grenzen, usw., um nur einige Beispiele zu nennen.

Darum: Das Volk soll am 4. März an die Urne und mit der Annahme der Mitsprache- und Mitbestimmungsinitiative in Bildungsfragen seinen Anspruch auf die verbrieften Bürgerrechte unterstreichen und einfordern. Warum nur möchte denn der Regierungsrat und mit ihm die Bildungsbehörden die längst fällige öffentliche Diskussion und demokratische Volksbefragung zu grundlegenden Fragen des öffentlichen Bildungswesens verhindern? Wirklich gut Ding will nach wie vor Weil haben, die Einführung eines neuen Lehrplanes eilt doch überhaupt nicht! Oder was soll denn diesmal nicht öffentlich auf den Tisch kommen? Volksschule heisst nicht nur: Eine Schule fürs Volk. Es bedeutet ebenso auch: Die Schule des Volkes!


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