11. Dezember 2017

Fachliche Lehramtsausbildung besser an der Universität

Seit einiger Zeit ist die jahrzehntelang ansteigende Welle der Neopädagogik am Abflachen. Das finnische Wallfahrtsziel der strenggläubigen Reformisten ist zum schnöden … Reformfall geworden. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, auch sie durchreformiert und in den Klassierungen vom Besenwagen bedrängt, suchen nach Auswegen. Frankreich, nach einem Vierteljahrhundert verheerender Versuche am (immer weniger) lebenden Schulkörper hat nun einen Schwenk hin zur Vernunft vollzogen.
Bildung: Zurück zur Realität, Basellandschaftliche Zeitung, 11.12. von André Vanoncini

In der deutschen Schweiz, wo die neopädagogische Harfe besonders inbrünstig gezupft wurde, gibt es ebenfalls Zeichen einer Neubesinnung. In einigen Kantonen, allen voran Baselland, ist der Lehrplan 21 schultauglicher gemacht worden (klare Stoffinhalte, Jahresziele, Leistungsniveaus, Einzel- statt Kombifächer). Das «Passepartout»-Projekt mit seinen Lehrmitteln Mille feuilles und Clin d’oeil ist, nachdem die Nerven von Eltern und Kindern blank liegen, in eine «Verbesserungsphase» eingetreten, bevor es hoffentlich im Schreckenskabinett der Reformgeschichte Platz findet. Bedenkt man, welche menschlichen und finanziellen Opfer auf dem Altar der Neopädagogik dargebracht wurden, so erschauert man. Seit über 30 Jahren wird allein die Region Basel mit einem Trommelfeuer von Reformen überzogen. Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft wurden zu Geiseln von theoriefixierten Experten, die sich von der Unterrichtspraxis entfernt oder sie gar nie beherrscht hatten. Frustration, Burnout, aber auch (berechtigte) Ansätze zur Rebellion sind die Folgen. Ganz schlimm trifft es die Lehrpersonen, dass ihnen Gehalt und Pension gekürzt wurden, nachdem sie zuschauen mussten, wie Hunderte von Millionen im Schlund der Expertokratie verschwanden.

Die grössten Kostentreiber waren und sind dabei die pädagogischen Hochschulen (PH). Sie haben im Zug der sogenannten «Tertiarisierung» nicht nur ihr Personal massiv ausgebaut, akademisiert und entsprechend verteuert, sondern auch sämtliche Reformprojekte angestossen und administriert. Ihren Kernauftrag, die Ausbildung von Lehrpersonen zur Praxistauglichkeit, haben sie vernachlässigt und dabei in Konkurrenz zur Universität Pädagogik theoretischer Art betrieben. Einzelfachwissen und Unterrichtserfahrung wurden dabei als lästige Anhängsel empfunden. Die ETH-Professorin Elsbeth Stern spricht den PHs ihr grundsätzliches Misstrauen aus. Sie fordert, die Lehrpersonenausbildung aller Stufen, inklusive Primarstufe (!), der Universität zu übertragen: «Meiner Meinung nach sollten alle angehenden Lehrpersonen die Universität statt die pädagogische Hochschule besuchen» («Lehrpersonen sollten sehr intelligent sein», Klett Rundgang 04 / 2017, von Yvonne Bugmann). Richtig ist gewiss, dass angehende Lehrpersonen über ein vertieftes und von der Universität vermitteltes Fachwissen sowie über praktische Kompetenz verfügen sollten.

Eine nüchterne Lagebeurteilung ist notwendig und muss zu zukunftsfähigen Lösungen führen. In der Region Basel haben wir die günstigsten Voraussetzungen dazu:

■ Die fachliche Lehramtsausbildung, zumindest ab Stufe Sek I, soll an der Universität stattfinden. Unsere Volluniversität verfügt über die nötigen Kompetenzen und Ressourcen in sämtlichen Schulfächern. Da sie bereits jetzt ein 3-Fächer-Studium auf Bachelor-Stufe anbietet, ist sie auf eine Integration der rein PH-Studierenden vorbereitet. Letztere kämen zudem in den Genuss eines Universitäts-Studiums mit Anschlussmöglichkeiten.

■ Die PH sorgt für die praktische Unterrichtstauglichkeit der Lehrpersonen (siehe Genfer Modell). Sie verbessert die Praxistauglichkeit ihrer Ausbildungsgänge. Für theoretische Arbeiten und Forschung soll das von der Universität mitgetragene Institut für Bildungswissenschaften zuständig sein. Auf diese Weise könnte der leerlaufende Schulreformmotor gebremst und saniert werden.

■ Durch eine solche Verlagerung könnten bedeutende Mittel eingespart oder teilweise für die Universität eingesetzt werden. Damit könnten die von beiden Basel für die Universität bewilligten Gelder ohne Zusatzkosten erhöht werden.


■ Da Basel-Stadt und Baselland als Hochschulkantone mit Universität und PH grosse Lasten zu stemmen haben, sind Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Es gilt daher, die spezifischen Qualitäten von Universität und PH gezielt zu nutzen und die Zusammenarbeit beider Institutionen zu stärken. In den Verhandlungen der Nordwestschweizer Kantone sollten die beiden Basel ihre Interessen ebenso konsequent wie Aargau und Solothurn durchsetzen. Es ist nicht einzusehen, warum die Universität genauso wie die PH nicht auch von vier Kantonen getragen wird. 

Der Autor war Titularprofessor für Französistik an der Universität Basel und Mitglied der Gruppe für eine bessere SekundarlehrerAusbildung (GBS).

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