Stadtratsmitglieder aus vier
Fraktionen forderten, dass der Thuner Gemeinderat eine Teilnahme am kantonalenSchulversuch «Ganztagesschule» prüft. Die Thuner Regierung findet, das
derzeitige Tagesschulangebot sei ausreichend.
Thun will bei Schulversuch nicht mitmachen, Berner Zeitung, 10.11. von Michael Gurtner
Das Thema Ganztagesschule macht derzeit Schlagzeilen: Ende Oktober
übergab das Elternkomitee «Familienfreundliche Schule Thun» der Stadt eine
Petition mit dem Titel «Schulmodell der Zukunft für Thun».
Das Ziel ist die Einführung einer Ganztagesschule, in der «Unterricht und
Betreuung unter einem Dach als Einheit gelebt werden».
Dies im Gegensatz zum Tagesschulmodell, bei dem die Kinder den
Unterricht und die Tagesschule in unterschiedlichen
Gruppen sowie meist an unterschiedlichen Standorten besuchen. Das Thema steht
auch auf der Agenda der nächsten Stadtratssitzung vom 16. November. Die
Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden über ein Postulat «betreffend
kantonalen Schulversuch ‹Ganztagesschule› mit Beteiligung der Stadt Thun»
debattieren.
Umsetzung ab 2019
Eingereicht haben den Vorstoss die Fraktionen SP und Grüne sowie
Vertreterinnen und Vertreter von BDP und Fraktion der Mitte. Ein
flächendeckendes Netz an Tagesschulen sei in Thun Realität. Doch: «Die
Einrichtung von Ganztagesschulen wäre für Kinder und Eltern eine grosse
Erleichterung und qualitative Verbesserung des Alltags.
Ganztagesschulen sind die konsequente Weiterentwicklung der
Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf», heisst es im Postulat.
Dieser Entwicklung sei sich auch die Erziehungsdirektion des Kantons Bern
bewusst: Sie lanciert einen Schulversuch «Ganztagesschule». Das Pilotprojekt
laufe über fünf Jahre, die Umsetzung soll 2019 beginnen.
Das Mitmachen sei für die Eltern freiwillig. Sind sie dabei, können sie
ihre Kinder von morgens bis abends durchgehend betreuen lassen. Die Kinder
verbringen den Tag in der Ganztagesschule – «ihre Teilnahme ist nicht
fakultativ». Die Kosten für den Versuch trägt laut den Postulanten der Kanton,
während die teilnehmenden Gemeinden für die Infrastruktur zuständig seien.
Der Stellungnahme des Gemeinderats zum Postulat ist zu entnehmen, dass
bisher Bern und Köniz ein Gesuch eingereicht beziehungsweise konkretes
Interesse am Schulversuch angemeldet haben. Weiter schreibt die Stadtregierung,
die Nachfrage nach «normalen» Tagesschulangeboten habe in den letzten Jahren in
Thun kontinuierlich zugenommen. «Auffallend ist, dass die Tagesschulangebote
zunehmend selektiv gebucht werden, das heisst, die Kinder werden zielgerichtet
für einzelne Betreuungseinheiten angemeldet.»
Weiter beobachten
Für den Gemeinderat ist klar, dass das Bedürfnis der Eltern nach familienexterner
Betreuung wächst – entsprechend soll das Tagesschulangebot «weiter
bedarfsgerecht ausgebaut werden». Anstehende Entwicklungsschwerpunkte wie die
Einführung des Lehrplans 21 oder die Flexibilisierung des 9. Schuljahrs würden
die Schule in Zukunft stark beanspruchen.
Hinzu kämen hohe Investitions- und Unterhaltskosten für die
Schulanlagen. «Der Gemeinderat sieht daher von einer Teilnahme am kantonalen
Schulversuch ‹Ganztagesschule› ab», heisst es in den Stadtratsunterlagen. Das
modulare Tagesschulangebot sei zurzeit ausreichend.
Bedarfs- und Angebotsentwicklung von Ganztagesschulen sollen jedoch
weiter beobachtet werden: «Der Gemeinderat ist bereit, die Einführung eines
Ganztagesschulangebots in Thun zu gegebener Zeit erneut zu prüfen.» Da das Anliegen
der Postulanten geprüft worden sei, beantragt die Regierung dem Parlament, den
Vorstoss in der Stadtratssitzung vom 16. November anzunehmen und gleichzeitig
als «erfüllt» abzuschreiben.
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