11. November 2017

Thun will keinen Schulversuch zu Tagesschulen

Stadtratsmitglieder aus vier Fraktionen forderten, dass der Thuner Gemeinderat eine Teilnahme am kantonalenSchulversuch «Ganztagesschule» prüft. Die Thuner Regierung findet, das derzeitige Tagesschulangebot sei ausreichend.
Thun will bei Schulversuch nicht mitmachen, Berner Zeitung, 10.11. von Michael Gurtner

Das Thema Ganztagesschule macht derzeit Schlagzeilen: En­de Oktober übergab das Eltern­komitee «Familienfreundliche Schule Thun» der Stadt eine Petition mit dem Titel «Schulmodell der Zukunft für Thun». Das Ziel ist die Einführung einer Ganztagesschule, in der «Unterricht und Betreuung unter einem Dach als Einheit gelebt werden».

Dies im Gegensatz zum Tagesschulmodell, bei dem die Kinder den Unterricht und die Tagesschule in unterschied­lichen Gruppen sowie meist an unterschiedlichen Standorten besuchen. Das Thema steht auch auf der Agenda der nächsten Stadtratssitzung vom 16. November. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden über ein Postulat «betreffend kantonalen Schulversuch ‹Ganztagesschule› mit Beteiligung der Stadt Thun» debattieren.

Umsetzung ab 2019
Eingereicht haben den Vorstoss die Fraktionen SP und Grüne sowie Vertreterinnen und Vertreter von BDP und Fraktion der Mitte. Ein flächendeckendes Netz an Tagesschulen sei in Thun Realität. Doch: «Die Einrichtung von Ganztagesschulen wäre für Kinder und Eltern eine grosse Erleichterung und qualitative Verbesserung des Alltags.
Ganztagesschulen sind die konsequente Weiterentwicklung der Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf», heisst es im Postulat. Dieser Entwicklung sei sich auch die Erziehungsdirektion des Kantons Bern bewusst: Sie lanciert einen Schulversuch «Ganztagesschule». Das Pilotprojekt laufe über fünf Jahre, die Umsetzung soll 2019 beginnen.

Das Mitmachen sei für die Eltern freiwillig. Sind sie dabei, können sie ihre Kinder von morgens bis abends durchgehend betreuen lassen. Die Kinder verbringen den Tag in der Ganztagesschule – «ihre Teilnahme ist nicht fakultativ». Die Kosten für den Versuch trägt laut den Postulanten der Kanton, während die teilnehmenden Gemeinden für die In­frastruktur zuständig seien.

Der Stellungnahme des Gemeinderats zum Postulat ist zu entnehmen, dass bisher Bern und Köniz ein Gesuch eingereicht beziehungsweise konkretes Interesse am Schulversuch angemeldet haben. Weiter schreibt die Stadtregierung, die Nachfrage nach «normalen» Tagesschulangeboten habe in den letzten Jahren in Thun kontinuierlich zugenommen. «Auffallend ist, dass die Tagesschulangebote zunehmend selektiv gebucht werden, das heisst, die Kinder werden zielgerichtet für einzelne Betreuungseinheiten angemeldet.»

Weiter beobachten
Für den Gemeinderat ist klar, dass das Bedürfnis der Eltern nach familienexterner Betreuung wächst – entsprechend soll das Tagesschulangebot «weiter bedarfsgerecht ausgebaut werden». Anstehende Entwicklungsschwerpunkte wie die Einführung des Lehrplans 21 oder die Flexibilisierung des 9. Schuljahrs würden die Schule in Zukunft stark beanspruchen.

Hinzu kämen hohe Investitions- und Unterhaltskosten für die Schulanlagen. «Der Gemeinderat sieht daher von einer Teilnahme am kantonalen Schulversuch ‹Ganztagesschule› ab», heisst es in den Stadtratsunterlagen. Das modulare Tagesschulangebot sei zurzeit ausreichend.

Bedarfs- und Angebotsentwicklung von Ganztagesschulen sollen jedoch weiter beobachtet werden: «Der ­Gemeinderat ist bereit, die Einführung eines Ganztagesschulangebots in Thun zu gegebener Zeit erneut zu prüfen.» Da das Anliegen der Postulanten geprüft worden sei, beantragt die Regierung dem Parlament, den Vorstoss in der Stadtratssitzung vom 16. November anzunehmen und gleichzeitig als «erfüllt» abzuschreiben.


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