Es
heisst, Klischees halten sich so lange, weil sie immer ein Stück Wahrheit
enthalten. Schoggi, Käse, Pünktlichkeit – die Klischees der Welt über die
Schweiz sind bekannt. Weniger bekannt sind Klischees über die Bildungswelt.
Eines lautet: Schweizer Kinder sind deutlich reifer als ihre Altersgenossen aus
anderen Ländern. Wo sonst wissen schon 15-Jährige, was sie ein Leben lang
machen wollen? Eben. Egal ob die Bildungsexperten und Staatsminister aus
England, den USA oder Australien anreisen, alle sind begeistert, wenn sie
unsere Lehrlingen treffen. Sie blicken halb fasziniert, halb neidisch auf die
Schweizer Berufslehre. Zu Recht, denn die Jugendarbeitslosigkeit ist im
internationalen Vergleich extrem tief.
Absurde Spätfolgen der Frühförderung, Schweiz am Wochenende, 11.11. von Yannick Nock
Doch so reif manche Jugendliche mit 15
Jahren sind, die Schulen und Lehrbetriebe müssen aufpassen, dass die Stärke nicht
zu einer Schwäche verkommt. Wegen der immer früheren Einschulung sind die
Jugendlichen heute jünger, wenn sie aus der Schule kommen. Vor Jahren waren sie
16, heute sind sie 15 und morgen? Absurde Züge hat die Frühförderung im Kanton
Luzern angenommen. 2015 mussten die Behörden für 83 Schulabgänger eine
Sonderbewilligung erteilen, damit sie ihre Lehre beginnen konnten. Der Grund:
Sie waren mit 14 Jahre schlicht zu jung für einen offiziellen Arbeitsvertrag.
Dass Luzern reagiert hat und die Kinder seit einem Jahr wieder später
einschult, zeigt vor allem eines: Die Spirale ist ausgereizt. Selbst
Mittzwanziger haben Mühe, ihr Leben zu planen. Wie soll das ein 14-Jähriger
können? Eltern, Lehrer und Lehrmeister können helfen, die Biologie lässt sich
allerdings nicht austricksen. Anstatt alles auf die Frühförderung zu setzen,
sollten auch die Spätfolgen bedacht werden. Ansonsten wird bei den Lehrlingen
aus dem Stück Wahrheit eines Klischees ein Stück Lüge.
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