10. November 2017

Lehrstellen-Speed-Dating

Unruhig rutschen die Teens und Twens auf ihren Stühlen hin und her, zupfen an ihren Blusen und werfen lächelnd das Haar zurück – ihnen gegenüber sitzen die Männer und Frauen gelassen im Business-Outfit, richten ihre Brillen und kritzeln auf ein Blatt Papier – bis das Glöckchen klingelt.
Vier Minuten für eine Lehrstelle, Basler Zeitung, 10.11. von Jannette Heidemann


Beim vierten Lehrstellen-Speed-Dating im Campus Unternehmertum im Dreispitz «daten» sich gerade die kaufmännischen Berufe. Etwa 30 vorselektionierte Lehrstellensuchende von 14 bis 37 Jahren und Berufsbildner von Unternehmen wie Roche, Coop, Basler Kantonalbank oder Manor haben an kleinen Tischen in einem grossen und grau-weissen Raum Platz genommen. Innert vier Minuten erzählen die Firmenvertreter, worum es in ihrem Betrieb geht, während die Lernenden die Berufsbildner von sich zu überzeugen versuchen. Ist die Zeit abgelaufen, läuten die Mitarbeitenden des Gewerbeverbands Basel-Stadt, erkennbar an ihren weissen Blusen und schwarzen Hosenträgern, mit ihren Glöckchen. Die Lernenden wechseln den Tisch. Auf zum nächsten «Date».

Nicht nur die Lernenden, sondern auch ein paar Berufsbildner, die zum ersten Mal am Dating teilnehmen, sind gespannt. «Das Gute an diesem speziellen Speed-Dating ist, dass man in kurzer Zeit viele Eindrücke vom Leben der jungen Damen und Herren erhält», sagt Coop-Lehrlingsbetreuerin Nina Burkhalter. Dies ist ganz im Sinne vom Bereichsleiter des Gewerbeverbands Basel-Stadt, Reto Baumgartner; er ist der Erfinder des Lehrstellen-Speed-Datings. Die zwei Stunden seien gut investierte Zeit. Während man bei einer konventionellen Rekrutierung für zehn Bewerber zehn Stunden brauche, lernen die Firmenvertreter hier innert zwei Stunden 15 Bewerber kennen.

Grosses Interesse am Dating
Zudem sei die konventionelle Rekrutierung sehr unpersönlich, sagt er. Normalerweise habe man 200 Dossiers von Leuten, die man aber nicht alle einladen könne. Nur die Schulnoten und Tests würden entscheiden, wer es in die engere Wahl schafft. «Mit dem Speed- Dating gehen die Berufsbildner zuerst über den Menschen, erst dann sehen sie sich die Leistungen an.»

Überrascht ist Baumgartner von der hohen Teilnahmebereitschaft der Lehrbetriebe. Selbst Grossunternehmen wie Roche, das Universitätsspital und Novartis seien dabei. Die Lernenden hingegen müsse man eher zu einer Anmeldung bewegen. Sie würden niemanden kennen, seien nervös und vor allem müssten sie sich in nur vier Minuten verkaufen können. Das sei viel Druck. Die meisten Berufsbildner dagegen seien mit der Situation vertraut und entsprechend lockerer.

Das grosse Interesse der Berufsbildner an der Veranstaltung komme auch daher, weil die Unternehmen wie die Banken nicht genügend qualifizierte Bewerber haben, um ihre Lehrstellen zu besetzen. Das Speed-Dating sei ein neuer Kanal. Dies bestätigt auch Rafael Giobbi von der Basler Kantonalbank. Man suche nach den Besten. «Die Bank hat hohe Ansprüche, was die Noten und den Multicheck anbelangt. Letztes Jahr gab es zwar gute Auftritte, doch die Noten zeigten eher schwächere Profile.»

Mehr Lehrstellen als Lehrlinge
Der Grund dieses Lehrstellenüberangebots liegt laut Bianca Jacob, Lehrstellenvermittlerin des Gewerbeverbands Basel-Stadt, oft auch an der Selbstüberschätzung der Bewerber. Viele hegten den Wunsch, in Berufe einzusteigen, für die sie noch nicht qualifiziert genug seien. Als Alternative nennt sie die EBA, eine zweijährige berufliche Grundbildung. Und schon sind weitere vier Minuten vergangen, Jacob düst mit ihrem Glöckchen los.
Auch das Unternehmen Kühne+Nagel, ein international tätiges Logistik- und Gütertransportunternehmen, sucht hier nach Lehrlingen. «In Basel ist es für uns schwer, Berufsnachwuchs zu finden, da hier die Chemie- und Pharmaindustrie sehr stark präsent ist.»

Langsam legt sich die Nervosität der Lernenden und das Speed-Dating neigt sich dem Ende zu. Das Apéro beginnt. Jetzt ergibt sich die Gelegenheit, Kontaktdaten auszutauschen. Einige von den Jungen stehen scheu am Buffet und wirken erleichtert. «Man hat am Anfang ein flaues Gefühl, aber die Leute sind nett drauf», sagt eine junge und zierliche Frau mit blondem Haar.

Viele der Berufsbildner sind tatsächlich an ein bis drei Lernenden interessiert. Aufgrund des Speed-Datings sind schon Lehrverträge abgeschlossen worden. Selbst wenn sich die Firmen und Lehrlinge nicht auf den ersten Blick «verlieben» würden, sei es eine gute Erfahrung, um das Selbstbewusstsein der Lernenden für zukünftige Bewerbungsgespräche zu stärken.


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