Unruhig rutschen die Teens
und Twens auf ihren Stühlen hin und her, zupfen an ihren Blusen und werfen
lächelnd das Haar zurück – ihnen gegenüber sitzen die Männer und Frauen
gelassen im Business-Outfit, richten ihre Brillen und kritzeln auf ein Blatt
Papier – bis das Glöckchen klingelt.
Vier Minuten für eine Lehrstelle, Basler Zeitung, 10.11. von Jannette Heidemann
Beim vierten Lehrstellen-Speed-Dating im Campus Unternehmertum im
Dreispitz «daten» sich gerade die kaufmännischen Berufe. Etwa 30
vorselektionierte Lehrstellensuchende von 14 bis 37 Jahren und Berufsbildner
von Unternehmen wie Roche, Coop, Basler Kantonalbank oder Manor haben an
kleinen Tischen in einem grossen und grau-weissen Raum Platz genommen. Innert
vier Minuten erzählen die Firmenvertreter, worum es in ihrem Betrieb geht,
während die Lernenden die Berufsbildner von sich zu überzeugen versuchen. Ist
die Zeit abgelaufen, läuten die Mitarbeitenden des Gewerbeverbands Basel-Stadt,
erkennbar an ihren weissen Blusen und schwarzen Hosenträgern, mit ihren
Glöckchen. Die Lernenden wechseln den Tisch. Auf zum nächsten «Date».
Nicht nur die Lernenden, sondern auch ein paar Berufsbildner, die
zum ersten Mal am Dating teilnehmen, sind gespannt. «Das Gute an diesem
speziellen Speed-Dating ist, dass man in kurzer Zeit viele Eindrücke vom Leben
der jungen Damen und Herren erhält», sagt Coop-Lehrlingsbetreuerin Nina
Burkhalter. Dies ist ganz im Sinne vom Bereichsleiter des Gewerbeverbands
Basel-Stadt, Reto Baumgartner; er ist der Erfinder des
Lehrstellen-Speed-Datings. Die zwei Stunden seien gut investierte Zeit. Während
man bei einer konventionellen Rekrutierung für zehn Bewerber zehn Stunden
brauche, lernen die Firmenvertreter hier innert zwei Stunden 15 Bewerber
kennen.
Grosses Interesse am Dating
Zudem sei die konventionelle Rekrutierung sehr unpersönlich, sagt
er. Normalerweise habe man 200 Dossiers von Leuten, die man aber nicht alle
einladen könne. Nur die Schulnoten und Tests würden entscheiden, wer es in die
engere Wahl schafft. «Mit dem Speed- Dating gehen die Berufsbildner zuerst über
den Menschen, erst dann sehen sie sich die Leistungen an.»
Überrascht ist Baumgartner von der hohen Teilnahmebereitschaft der
Lehrbetriebe. Selbst Grossunternehmen wie Roche, das Universitätsspital und
Novartis seien dabei. Die Lernenden hingegen müsse man eher zu einer Anmeldung
bewegen. Sie würden niemanden kennen, seien nervös und vor allem müssten sie
sich in nur vier Minuten verkaufen können. Das sei viel Druck. Die meisten
Berufsbildner dagegen seien mit der Situation vertraut und entsprechend
lockerer.
Das grosse Interesse der Berufsbildner an der Veranstaltung komme
auch daher, weil die Unternehmen wie die Banken nicht genügend qualifizierte
Bewerber haben, um ihre Lehrstellen zu besetzen. Das Speed-Dating sei ein neuer
Kanal. Dies bestätigt auch Rafael Giobbi von der Basler Kantonalbank. Man suche
nach den Besten. «Die Bank hat hohe Ansprüche, was die Noten und den Multicheck
anbelangt. Letztes Jahr gab es zwar gute Auftritte, doch die Noten zeigten eher
schwächere Profile.»
Mehr Lehrstellen als Lehrlinge
Der Grund dieses Lehrstellenüberangebots liegt laut Bianca Jacob,
Lehrstellenvermittlerin des Gewerbeverbands Basel-Stadt, oft auch an der
Selbstüberschätzung der Bewerber. Viele hegten den Wunsch, in Berufe
einzusteigen, für die sie noch nicht qualifiziert genug seien. Als Alternative
nennt sie die EBA, eine zweijährige berufliche Grundbildung. Und schon sind
weitere vier Minuten vergangen, Jacob düst mit ihrem Glöckchen los.
Auch das Unternehmen Kühne+Nagel, ein international tätiges
Logistik- und Gütertransportunternehmen, sucht hier nach Lehrlingen. «In Basel
ist es für uns schwer, Berufsnachwuchs zu finden, da hier die Chemie- und
Pharmaindustrie sehr stark präsent ist.»
Viele der Berufsbildner sind tatsächlich an ein bis drei Lernenden
interessiert. Aufgrund des Speed-Datings sind schon Lehrverträge abgeschlossen
worden. Selbst wenn sich die Firmen und Lehrlinge nicht auf den ersten Blick
«verlieben» würden, sei es eine gute Erfahrung, um das Selbstbewusstsein der
Lernenden für zukünftige Bewerbungsgespräche zu stärken.
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