Es
kommt nicht mehr allzu häufig vor, dass mich die morgendliche Lektüre von
Zeitungsartikeln auf die Palme treibt. Letzte Woche allerdings geschah das
Unwahrscheinliche gleich zweimal. Dicht hintereinander. Den Anfang machte
Kerstin Wenk, VPOD-Sekretärin und SP-Grossrätin, mit einem Rundumschlag gegendie Bildungspolitik des Basler Erziehungsdepartements unter dem liberalenVorsteher Christoph Eymann. (BaZ, 2.11.2017) Die harten Vorwürfe hätten
natürlich markant an Glaubwürdigkeit gewonnen, wenn sie nicht erst nach der
16-jährigen Amtszeit des Erziehungsdirektors geäussert worden wären.
«Nachtreten» ist keine besonders mutige Tat; im Fussball gäbe es für das Foul
umgehend die rote Karte.
Rote Karten für Nachtreten, Basler Zeitung, 9.11. von Roland Stark
Tatsächlich
wurde die Schulpolitik Christoph Eymanns über all die Jahre von der SP mit
grösster Sympathie begleitet. Weder in der langen Liste parlamentarischer
Vorstösse noch in den zahllosen Presseerklärungen findet sich ein Indiz, dass
die Partei dem Vermessungswahn, den Lernberichten in Kindergärten und
Primarschulen, der teilautonomen Schule, der zunehmenden Verbürokratisierung,
dem Lehrergedränge in den Klassenzimmern oder gar der Abschaffung der
Kleinklassen ablehnend oder wenigstens skeptisch gegenübergestanden wäre.
Neidlos
muss man anerkennen, dass der bürgerliche Regierungsrat – gut beraten, aber
leider öfter auch irregeleitet von linken Einflüsterern – konsequent
sozialdemokratische Bildungspolitik betrieben hat. Da die Sozialdemokraten
selbst das traditionelle Kerngeschäft Bildung und Erziehung sträflich
vernachlässigt haben, ist ihr nur noch die Rolle als fröhlich winkende
Fangemeinschaft am Spielfeldrand übrig geblieben.
Nur
einen Tag nach der Attacke von links packte auch die Basler Zeitung den mächtigen
Vorschlaghammer aus. Ein Werkzeug, das bisher für Hans-Peter Wessels und Urs
Wüthrich reserviert schien. Im Fokus der Abrechnung stand aber nicht Christoph
Eymann (der die Probleme «verschlafen» habe), sondern sein Nachfolger («Klon»)
Conradin Cramer. Die Schonfrist für den liberalen Sonnyboy ist bereits nach
neun Monaten abgelaufen. Ihm fehle der «revolutionäre Geist» (!), um die«Vogel-Strauss-Politik» aufzugeben und unbequeme Entscheide zu fällen. (BaZ,3.11.2017)
In
der Zeit von 2000 bis 2016 genoss der Erziehungsminister in den Medien einen
luxuriösen Wellness-Service. Deutliche Kritik an den toxischen Produkten der
Bildungsbürokratie wurde an Gastkommentatoren oder Kolumnisten ausgelagert. Mit
einem Tritt wird nun das politische Erbe von Christoph Eymann urplötzlich auf
den Abfallhaufen der Geschichte befördert.
Beide
Abschlusszeugnisse hinterlassen einen schalen Nachgeschmack. Man spürt förmlich
das schlechte Gewissen der Autorinnen für das Versäumnis, die Bedenken nicht
rechtzeitig und mit der notwendigen Klarheit ausgesprochen zu haben.
Der
Medienrummel hat aber auch eine positive Seite. Bildung und Erziehung werden
endlich wieder Gegenstand einer kontroversen Debatte. Vielleicht geht das
Regime der von oben nach unten durchgezwängten Konzepte dem Ende entgegen. Das
Thema wird dem allein selig machenden Einfluss der Experten und Bürokraten
entrissen und wieder stärker in die Hände der direkt Betroffenen gelegt.
Hoffentlich
zum Wohl der Schülerinnen und Schüler.
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