Unterdurchschnittliche Leistungen,
schwierige Lehrer-Schüler-Beziehungen, überforderte Lehrer: Die Befunde der
Pilotstudie zur integrativen Förderung legen die Schwachstellen der Schulreform
offen. Sie dürften Wasser auf die Mühlen der Kritiker sein, die in immer mehr
Kantonen zum politischen Widerstand aufrufen. Ihr Ziel: Die Integration
schwieriger Schüler in Regelklassen soll rückgängig gemacht, Klein- und
Sonderklassen sollen wieder vermehrt möglich werden.
Lasst die Lehrer nicht allein, Tages Anzeiger, 22.11. Kommentar von Raphaela Birrer
Es lohnt sich jedoch, auch die anderen Ergebnisse der Studie zu
beachten. Die Kinder fühlen sich nach eigenen Angaben wohl in integrativen
Schulen – sowohl jene mit Förderbedarf als auch jene ohne. Damit scheint ein
Ziel der Reform erreicht: Beide Schülergruppen sollen profitieren; die einen
von der Normalität in der Regelklasse, die anderen vom Umgang mit Diversität.
Die Studie zeigt aber deutlich, wer die Hauptlast derart
heterogener Klassen trägt: die Lehrer. Sie müssen heute fremdsprachige,
behinderte, verhaltensauffällige und lernschwache Kinder gleichzeitig
unterrichten. Dafür werden sie nur punktuell unterstützt – in nahezu jeder
zweiten Klasse von Personen, die nicht für diese Aufgabe ausgebildet sind. Vor
diesem Hintergrund erstaunt es wenig, dass die Lehrer die Entwicklung
integrierter Schüler pessimistischer beurteilen als die Kinder selbst. Und dass
die meisten über mangelnde Ressourcen klagen, um allen Kindern gerecht zu
werden.
Die Haltung der Lehrer sollte nicht als grundsätzlicher Widerstand
gegen die Inklusion missverstanden werden. Viele befürworten den
Gesetzesauftrag – aber nicht unter diesen Bedingungen. Die Reform wurde den
Schulen 2004 politisch übergestülpt, ohne sie mit ausreichend Mitteln
auszustatten. In Zeiten klammer Kantonsbudgets wird sich das nicht ändern. Ein
gefährliches Versäumnis: Wenn der Systemwechsel die Lehrer verheizt, leiden auch
die stärkeren Schüler. Ein Indiz dafür könnten die Testresultate der Studie
sein. Dieser Zusammenhang muss aber breiter geprüft werden.
Soll die Reform langfristig gelingen, müssen endlich ihre
Geburtsfehler korrigiert werden. Nicht nur mit Investitionen in die
Lehrerbildung, wie die Studie fordert. Sondern vor allem in deren Unterstützung
durch ausgebildete Experten.
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