Entrüstet
wird zurückgewiesen, Grundschule habe auf weiterführende Schulen vorzubereiten.
Nein, Grundschule sei kindgerechte Schule schlechthin. Eine nur auf’s Kindsein
gerichtete Schule raubt dem Kind die Zukunft, weil es in einer Kind-Gegenwart
einkerkert.
In der Grundschule Abgründe von Nichtkönnen, 14.10. von Josef Kraus, Quelle: www.tichyseinblick.de/kolumnen/josef-kraus-lernen-und-bildung/in-der-grundschuleabgruende-von-nichtkoennen/
Manchmal
kommt die Wahrheit über die desaströsen Folgen «progressiver» Schulpolitik,
pädagogischer Schwärmerei und rot-grüner Ideologie doch noch ans Licht. So
geschehen jetzt durch eine Leistungsstudie des Berliner Instituts zur
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Mit dieser Studie sollte im
Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK) untersucht werden, inwieweit
Grundschüler Mindeststandards erreichen. An den Tests waren 29.259 Viertklässler
aus 1.508 Grund- und Förderschulen beteiligt.
Hier drei markante Ergebnisse:
Erstens:
Die Leistungen der Grundschüler haben sich seit 2011 im Rechnen und Lesen
deutlich verschlechtert. In einzelnen Bundesländern fällt der Trend besonders
stark aus. Reichlich groß ist der Leistungsabfall bei den Grundschülern in dem
seit 2011 führend «grün» reagierten BadenWürttemberg. Das frühere Vorzeigeland
liegt gerade noch knapp vor Bremen, das traditionell schlecht abschneidet.
Zweitens:
Bundesweit erreichen im Bereich Lesen nur knapp 66 Prozent den Mindeststandard,
beim Zuhören 68 Prozent und in der Orthografie 54 Prozent. Das sind jeweils
sechs bis zehn Prozentpunkte weniger als bei der Studie 2011.
Drittens:
Die Ergebnisse unterscheiden sich je nach Bundesland erheblich. Bayern, Sachsen
und Schleswig- Holstein stehen beim Lesen und Zuhören vorne, Bayern und
Saarland in der Orthografie. Schlusslicht in allen Bereichen ist Bremen, und
Berlin ist stets unter den letzten drei.
Nun,
von nix kommt nix! Solche miserablen Bilanzen sind die Folge einer
fortwährenden Heiligsprechung der Grundschule. Zum Mantra grün-roter
Bildungspolitik gehört es nämlich seit Jahrzehnten, gerade der Grundschule eine
reformerische Pilot-Funktion zuzuweisen: Grundschulen seien die «Zentren pädagogischer
Reformen», so heißt es; ihre Arbeit strahle in die weiterführenden Schulen aus.
Das kann man wohl sagen. Entrüstet wird gar der Anspruch zurückgewiesen,
Grundschule habe auf weiterführende Schulen vorzubereiten. Nein, wird betont,
Grundschule sei kindgerechte Schule schlechthin. Vergessen wird dabei, dass
eine nur noch auf das Kindsein ausgerichtete Schule dem Kind die Zukunft raubt,
weil es dieses Kind in einer ewigen Kind-Gegenwart einkerkert.
Und so
kamen Reformen über Reformen über die Grundschule, Deformationen über
Deformationen: Keine Diktate mehr, nur noch 700 Wörter Grundwortschatz
(«Schatz»!), keine Ziffernnoten in den ersten Klassen, «Schreiben nach Gehör»,
«innovative Unterrichtskultur» (Freiarbeit, Materialtheke), unsinniges Früh-Englisch
zulasten von Deutschstunden und .... und .... und. Kurz: Jeder Schüler macht,
was er will. Aber: Die Kinder werden damit der Täuschung ausgesetzt, Wissen und
Können ließen sich ohne Anstrengung, Ausdauer und gelegentliche Enttäuschungen
erwerben. Ob die nachfolgende Aussage wirklich von einem Grundschüler stammt
oder nur von einem Kritiker treffend erfunden wurde, sei dahingestellt: «Frau
Lehrerin, dürfen wir heute wieder machen, was wir sollen, oder müssen wir
wieder machen, was wir wollen?»
Trotzdem
gilt «reformierte» Grundschule als sakrosankt. Gymnasien, Mittelschulen,
Realschulen, Hauptschulen – alle kriegen sie laufend «ihr Fett» ab. Kritische
Diskussion über Grundschule indes gilt als Tabubruch. Denn die Grundschule sei
ja eine «Schule für alle» (also das Urbild der Einheitsschule), und sie habe es
mit ach so zerbrechlichen Kindern zu tun. Und so hat in der Folge in den
vergangenen dreißig bis vierzig Jahren in der Grundschule der unter allen
Schulformen wohl weitestreichende Wandel stattgefunden: von der ergebnis- zur
erlebnisorientierten Schule; von der lernenden und einübenden Schule zur
spielerischen Schule; von der benotenden Schule zur Schule ohne Noten ...
Zugegebenermaßen haben diese Entwicklungen je nach Bundesland eine
unterschiedliche Dynamik erfahren. Dies jedoch hat dazu geführt, dass bereits
am Ende der 4. Klasse ein bundesweit erhebliches Leistungsgefälle von bis zu
einem halben Jahr festzustellen ist. Es gab dazu übrigens nicht erst 2011,
sondern bereits vor 15 Jahren Studien, die dies belegten, die aber bald im
Papierkorb verschwanden.
Man
darf fast darauf wetten, dass wieder keine Konsequenzen gezogen werden. Erste
Ausreden liegen ebenfalls schon vor. Das unschöne Ergebnis habe mit der
zunehmenden Heterogenität (vulgo: mit dem erhöhten Immigrantenanteil der
Schüler) zu tun. Das mag ja sein, aber es darf kein Grund sein, deswegen die
Standards herunterzufahren.
Der
Umgang mit der durchschlagenden Erfolglosigkeit der Gesamt- und
Gemeinschaftsschulen lässt ein «weiter so!» befürchten. Letztere Schulen fahren
seit Jahrzehnten schlechteste Zeugnisse ein, und das trotz einer gegenüber den
herkömmlichen Schulen luxuriösen Ausstattung. Aber sie bleiben das Hätschelkind
«moderner» Schulpolitik und «progressiver» Pädagogik. Und so wird es nach der
aktuellen Grundschulstudie auch bleiben. Kaum jemand wird den Mumm aufbringen,
die Irrwege der Grundschule zu verlassen. Wichtig und richtig wäre es aber,
Grundschüler sukzessive wieder an die Prinzipien Anstrengung und Leistung zu
gewöhnen. Eine eindeutige Leistungsmessung gehört dazu. Vor allem aber gehört
eine erhebliche Steigerung des Anteils der Fächer Deutsch und Rechnen dazu.
Diese sollten die Hälfte der Stundentafel ausmachen. Gerade diese beiden Fächer
vermitteln in besonderer Weise das Beherrschen der Kulturtechniken: Lesen,
Schreiben, Sprechen, Wortschatz, Orthographie, Grammatik, Syntax,
Sprachbetrachtung; Umgang mit Zahlen und Größen, Grundrechenarten, Sachrechnen,
geometrische Grunderfahrungen.
Hoffen
wir wenigstens auf eines: Dass die schlauen Reformer jetzt nicht wieder auf die
Idee kommen, anlässlich der aktuellen Leistungsbilanz müsse man eben die
Grundschule von vier auf sechs Jahre verlängern. Bloß nicht! Denn dann würde
nicht nur vier Jahre gekuschelt, sondern sechs. Berlin und Brandenburg mit
ihren sechs Jahren Grundschule rangieren wohl auch deshalb bei jeder
Leistungsstudie auf den hinteren Plätzen.
Josef
Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde
mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als «Titan der Bildungspolitik»
bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werkhat den Titel «Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt»
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