Die heilpädagogischen Angebote zugunsten von Kindern mit besonderen
Bedürfnissen sind in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von sehr
lebhaften Diskussionen gewesen. Wir stellen über die Jahre hinweg eine
zunehmende Verbesserung der fachlichen Kompetenzen der heilpädagogischen
Fachleute fest und sind immer wieder erstaunt über ihr hohes persönliches
Engagement und möchten dies ausdrücklich anerkennen.
Der gesellschaftliche Wandel – Änderung der Familienstrukturen,
Verbesserung des medizinischen Outcome der Kinder mit schweren angeborenen oder
erworbenen Behinderungen, bessere Erfassung der Kinder mit Verhaltensstörungen
– führt zu einer vermehrten Inanspruchnahme der heilpädagogischen Angebote.
Heilpädagogische Leistungen, NZZ, 26.10. Gastkommentar von Alain Wimmerberger, Arnold Bächler und Cyrill Lüdin
In der deutschsprachigen Schweiz stellen wir eine Schwäche fest –
bedingt durch die föderale Struktur unseres Landes –, die durch die Übertragung
des heilpädagogischen Auftrages von der IV auf die kantonalen Behörden zu
Beginn der 2000er Jahre entstanden ist. Damals wurde durch eine IV-Stelle die
Berechtigung einer heilpädagogischen Betreuung nach schweizweit gleichen Regeln
anerkannt und selbige durchgeführt.
Heute bestimmen die kantonalen schulpsychologischen Dienste den Umfang,
die Indikation und die Bedürfnisse der genannten Kindergruppen. Dabei spielen
die finanziellen Möglichkeiten und die unterschiedlichen Vorgaben der einzelnen
Kantone eine zunehmend limitierende Rolle: Der Verfassungsauftrag (Art. 8,
Verbot der Diskriminierung wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen
Behinderung) wird kantonal unterschiedlich gehandhabt, und es entstehen
zunehmend Ungleichheiten. Beinahe in allen Kantonen werden administrative
Abläufe und Auftragserteilung und -durchführung vermischt:
■ Abklärung und Anerkennung der Behinderung
■ Leistungserbringung (Logopädie, heilpädagogische schulische Angebote, Psychomotorik, sozialpädagogische Familienbetreuung usw.)
■ Qualitätskontrolle und Anerkennung der Leistungen und Leistungserbringer
■ Finanzcontrolling
Die Vermischung dieser Teilaufgaben im Rahmen eines gleichen Dienstes und einer gleichen Instanz führt zu einer Leistungsgutsprache entsprechend den therapeutischen und den finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Dienstes. Ohne dass das therapeutische Angebot zwingend erweitert und optimiert wird, werden die administrativen Abläufe komplizierter und personell aufwendiger. Kantonale Sparübungen führen zu komplexeren administrativen Abläufen und vor allem verminderten Leistungen. Private Leistungserbringer und allenfalls auch Finanzierungsquellen werden nicht voll anerkannt und können so kaum in die entstehende Bresche einsteigen. Die von den kantonalen Gesetzgebern verordneten Kürzungen führen zu komplizierteren administrativen Abläufen und zu einem Verdünnen der Leistungen (späterer Einsatz, grössere Intervalle zwischen den einzelnen Leistungen). Als die IV noch für die heilpädagogischen Leistungen zuständig war, bestanden diese Leistungsunterschiede in einem wesentlich kleineren und deshalb auch erträglicheren Ausmass. Das eidgenössische Parlament sollte sich genau überlegen, ob wir nicht zum alten System mit einer IV-Finanzierung zurückkehren müssen, um dem erwähnten Verfassungsauftrag Genüge zu leisten.
Alain Wimmerberger, Arnold Bächler und Cyrill Lüdin sind ehemalige
Präsidenten der Berufsvereinigung Kinderärzte Schweiz.
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