«Schämt euch», «Huere Sauerei» und «Pfui» lauteten einige der Kommentare
auf der Facebookseite der «Schaffhauser Nachrichten». Adressaten dieser
Hasstiraden: die Kindergartenlehrpersonen.
Auslöser für den Shitstorm war eine Mitteilung des Lehrervereins. Am
Montag hatte der Verein bekannt gegeben, dass die Kindergartenlehrpersonen der
Stadt Schaffhausen in diesem Jahr auf die Organisation der traditionellen Räbeliechtli-Umzüge
verzichten. Beim Räbeliechtli-Umzug handelt es sich um eine Zusatzleistung,
welche die Kindergartenlehrpersonen bisher freiwillig und unentgeltlich
erbracht haben. Die Absage der Umzüge sei die Antwort darauf, dass der
Kantonsrat den Lehrpersonen die vor Jahren versprochene Entlastungslektion im
Sommer verweigert hat, heisst es in der Mitteilung.
Der Schaffhauser Erziehungsdirektor Christian Amsler zeigte sich «not
amused» und schrieb: «Bei allem Verständnis für die Ungeduld auf dem mühsam
langen Weg der Forderung Entlastungslektion: Solche Massnahmen auf dem Buckel
der Kinder widerstreben (…) meinem Pädagogenherz.»
Endlich wehren sie sich, Schaffhauser AZ, 26.10. Kommentar von Jimmy Sauter
Wir halten fest: Ja, hier wird Politik auf dem Buckel der Kinder
betrieben. Das ist traurig. Doch jetzt kommt das grosse Aber:
Warum sollten die Kindergartenlehrpersonen in ihrer Freizeit gratis
einen Räbeliechtli-Umzug organisieren? Den Kindern zuliebe? Warum organisiert
nicht Christian Amsler spätabends nach einem anstrengenden Arbeitstag einen
Räbeliechtli-Umzug, anstatt in der Kammgarn Piano zu spielen? Warum machen das
nicht die Eltern (es sind ja schliesslich ihre Kinder und nicht jene der
Kindergartenlehrpersonen) oder all jene, die nun auf die Lehrer einprügeln?
Keine Zeit? Kein Bock?
Das Problem ist, dass es viele Leute inzwischen als selbstverständlich
erachten, was die Lehrer alles an freiwilligen Zusatzaufgaben neben ihrem
eigentlichen Job erledigen. Nur, anständig entlasten oder bezahlen will man sie
dafür nicht. Im Gegenteil, mehrere Kindergartenlehrpersonen müssen gegen ihren
eigenen Arbeitgeber, den Kanton, sogar vor Gericht für faire Löhne kämpfen.
Dass nun ausgerechnet jener beklagt, hier werde Politik «auf dem Buckel
der Kinder» gemacht, der kürzlich denselben Kindern ein halbes Schuljahr
streichen wollte, ist scheinheilig und deplatziert.
Die Kindergartenlehrpersonen hingegen haben genau richtig gehandelt. Die
Absage der Räbeliechtli-Umzüge ist eine sehr harmlose, aber medienwirksame
Massnahme. Wenn sie keine Wirkung erzielt, sollten sie sogar noch einen Schritt
weitergehen und auch Schultheater, aufwendige Lager und weitere freiwillige
Projekte streichen. Wenn all das plötzlich fehlt, realisiert der wütende Mob
vielleicht wieder, was die Lehrpersonen alles nebenbei machen. Das erfordert
Mut und bedeutet, dass man einen Shitstorm aushalten muss. Aber – wie heisst es
so schön – wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Zuletzt bleibt festzuhalten: Schuld daran, dass die Räbeliechtli-Umzüge
ausfallen, sind nicht die Kindergartenlehrpersonen, sondern jene, die FDP und
SVP gewählt haben. Es waren Politiker dieser Parteien, welche den Lehrpersonen
die Entlastungslektion verweigert haben. Auf sie sollte ein Shitstorm
einprasseln.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen