Une éducation
publique deviendrait contraire à l’indépendance des opinions
Jean-Marie
Condorcet (1745-1794)
Es war an
einem Maitag vor vier Jahren. Mein 16-jähriger Sohn kam wieder einmal wütend
aus dem Unterricht des Seeland Gymnasiums in Biel nach Hause. Sein
Geografielehrer gab der PAM-Klasse, (PAM= Physik und angewandte Mathematik) eine
Lerneinheit zur drohenden Klimakatastrophe. Mein Sohn erklärte
seinem Lehrer, dass die Temperaturen in den letzten 15 Jahren nicht mehr gestiegen
seien und dies obwohl der CO2-Austoss in diesem Zeitrahmen um 75% zugenommen
habe. „Und heute“,
schnaubte er missmutig, „habe ich ihm die Forschungsergebnisse der NASA als
Beweis mitgebracht, worauf dieser meinte, vielleicht stagniere das Klima ein
bisschen…“
Zweifel unerwünscht, Weltwoche, 18.10. von Alain Pichard
Die Renitenz
meines Sohnes in Sachen „Klimaunterricht“ kommt nicht von ungefähr. In der 5.
Klasse musste er den Film von Al Gore „Eine unbequeme Wahrheit“ über sich
ergehen lassen, zusammen mit 16 Klassenkameraden, alle zwischen 10 und 12 Jahren
alt. Pikant: Nur drei von ihnen brachten Deutsch als Muttersprache mit. Während
die vielen Migrantenkinder deshalb kaum etwas verstanden, fragte er mich zu Hause
immerhin, was CO2 sei.
Ich hiess ihm,
ein kleines Feuer im Garten vorzubereiten. Wir wogen die zu verbrennende
Holzmasse, zündeten das Feuer, fingen den einen Teil des Rauchs auf einer Glasplatte
ab und wogen anschliessend die Asche. «Das ist jetzt alles in der Luft?»,
erkannte er.
Mein Sohn
wurde so mit der Zeit ein Klimaskeptiker, und das mit 13 Jahren. Er vernetzte
sich mit anderen Kritikern und konfrontierte seine beiden verdutzten Eltern
immer wieder mit den neusten Erkenntnissen der kritischen Klimaforschung.
An jenem
Maitag war der inzwischen gestandene Gymnasiast allerdings bereits in der Lage,
anständige Texte zu schreiben. Deshalb beschloss er, selber Initiator einer
Schülerzeitung, in die Stapfen seines Vaters zu treten und schrieb seinen
ersten Artikel für eine richtige Zeitung. Er entschied sich für die Weltwoche, in
welcher auch Henryk M. Broder, sein Vorbild, Kolumnist ist.
In seinem
Artikel war unter anderem zu lesen: „Ich merke,
wie dieser Ökounterricht ohne wissenschaftlichen Background immer mehr das
Gegenteil dessen bewirkt, was er eigentlich will.»
Die Reaktion
im Gymnasium war furchterregend. Es folgte eine mehrstündige Lehrerkonferenz, in
dem die Wogen hochgingen. Der Direktor der Schule rief mich noch am selben
Abend persönlich an und meinte: „Jetzt werde es gefährlich!“
Wir Eltern
erhielten eine Vorladung und mussten bei der Schulleitung mit unserem
16-jährigen Sünder antreten.
Meine Frau
hatte den klugen Gedanken, sich schnell noch die Leitideen der Institution auszudrucken,
wo es unter anderem hiess:
Kritikfähigkeit
Unsere Schule ist ein
Ort kritischen Denkens
Die Schülerinnen und
Schüler lernen, Argumente abzuwägen, unterschiedliche Positionen einzunehmen
und Selbstverständliches zu hinterfragen.
Die Lehrenden sind
Vorbilder in dieser Haltung.
Damit war das
Thema erledigt. Man ermahnte meinen Sohn lediglich noch, das Gespräch zu suchen
und nicht einfach an die Presse zu gehen. Und ja, natürlich die „Weltwoche“,
das sei ja wirklich nicht eine Zeitung für ihn.
Nicht nur mein
jüngster Sohn, sondern auch unsere beiden anderen Zöglinge durften die
Segnungen dieses neuzeitlichen Umweltunterrichts geniessen.
So musste
sein älterer Bruder im Naturkundeunterricht der 4. Klasse im Wald Bäume umarmen
und zu ihnen flüstern.
Ausserdem
erhielt ich von einer Lehrerin auch noch einen mahnenden Brief, fortan das
Pausenbrot nicht mehr in Alufolie zu verpacken. Diese «Schandtat» ist mir
übrigens tatsächlich passiert. Mir war am Morgen die Plastikfolie ausgegangen.
Der Älteste
durfte zu Zitaten aus der Rede des Häuptlings Seattle Bilder malen.
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der
letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass
man Geld nicht essen kann.“
Sie erinnern
sich, diese indianische Predigt wurde vom amerikanischen Filmregisseurs Ted
Perry im Jahre 1972 frei erfunden.
Immerhin, er
hatte als einziger der drei Burschen eine besondere Erfahrung in seinem
Grundstufen-Naturkundeunterricht gemacht. Er hatte eine männliche Lehrperson
und durfte bei diesem – auch das ein pädagogisches Alleinstellungsmerkmal
- so etwas wie einen Stromkreis basteln.
Ich muss hier
einschieben, dass der Schreiber dieser Ereignisse (wie übrigens heute auch sein
Sohn) keineswegs der Meinung ist, dass es keinen Klimawandel gebe. Als
Biologielehrer, der sich durchaus auch Sorgen um die Umwelt macht, der auch
wahrnimmt, dass sich unser Klima verändert, stehen angesichts dieser
Entwicklung aber ganz andere Werte zur Disposition. Dabei geht um
Wissenschaftlichkeit, um Zweifel, um Forschungsgeist, vor allem aber geht es um
Bildung.
Letzthin
geriet mir wieder einmal die BNE-Charta in die Hände. BNE heisst „Bildung für
nachhaltige Entwicklung“. Mitunterzeichnet wurde sie von einem gewissen Herrn
Beat Zemp, Präsident des Schweizerischen Lehrerverbandes. Herr Zemp und die
anderen Unterstützer machen sich Sorgen um die Umwelt. Vor allem der
Wachstumszwang unseres auf Ausbeutung der Umwelt beruhenden Wirtschaftssystems
ist Herrn Zemp ein Dorn im Auge. Das gilt natürlich nicht für das Wachstum der
Löhne, die der Lehrerverband zurzeit wieder tüchtig anmahnt.
Viele
Mitglieder in den Thinktanks diverser Umweltverbände drängen in den florierenden
Bildungsmarkt. Deshalb steht in dieser Charta auch: „Zur Förderung einer Nachhaltigen Entwicklung ist es von zentraler
Bedeutung, BNE im Lehrplan 21 entsprechend zu berücksichtigen.“
Über den Begriff
der Nachhaltigkeit kann man allerdings auch füglich streiten. So schrieben die
Autoren Miersch und Maxeiner: «Es mag
eine kosmische Kränkung sein, aber das Leben ist nicht nachhaltig und die Natur
schon gar nicht. Natur bedeutet ständige Unnachhaltigkeiten und Anpassung an
neue Umstände, ihr Erfolgsprinzip heisst „Evolution“, also permanente
Veränderung. Hätte sich die Natur vor ein paar Millionen Jahren entschieden
nachhaltig zu sein, dann dominierten heute noch die Dinosaurier auf unserem
Planeten.»
Manchmal
lohnt sich ein Blick über die Grenzen. In Frankreich wie auch in der Romandie unterscheidet
man zwischen „instruction“ und „éducation“, also zwischen Bildung und
Erziehung. Diese Haltung geht auf den
Aufklärer und liberalen Denker Jean-Marie Condorcet (1743 – 1794) zurück, der schon
vor über 200 Jahren mahnend schrieb: „L’école doit se borner à l’instruction“
(Die Schule ist der Bildung verpflichtet).
„Erziehung
zielt auf das Ganze, auf den Menschen als solchem; „instruction“, also der
Unterricht ist progressiv, geht von Element zu Element, erzieht natürlich
dadurch, aber nicht den Menschen als Ganzes (parce que
une éducation publique deviendrait contraire à l’indépendance des opinions).
Mit dem Unterricht soll der Schüler befähigt werden, sich zu entwickeln und
autonome Entscheidungen zu fällen.
Die Absicht mit
Unterricht zu indoktrinieren, lehnte Condorcet, ein Revolutionär der ersten
Stunde, ab. Man sollte diesen famosen libertären Geist auch an den
pädagogischen Hochschulen des deutschsprachigen Raums einmal hervornehmen und
ihn mit den angehenden Lehrkräften diskutieren.
Jean-Marie
Condorcet hat im französischen Sprachraum denselben Rang wie Pestalozzi oder
Humboldt bei uns. Seine unbeugsame Haltung gegen die Tyrannei des Denkens und
gegen die Indoktrinierung brachte ihn auch in Opposition zu den wilden
Revolutionären um Robespierre und kostete ihn schliesslich das Leben.
Heute würde
er sagen: «Gesinnung zu erzeugen ist keine Aufgabe einer öffentlichen Schule
und darf deshalb auch kein Lehrplanziel sein. Wird die Bekundung des guten
Willens zudem noch als Kompetenz gehandelt, als prüfbare und messbare Kompetenz
bewertet, dann enden wir bei einem Erziehungsbegriff mit totalitärem Anspruch».
Pikant: In
der Westschweiz ist die Kompetenzorientierung im Lehrplan bei weitem nicht so
dominant enthalten wie in seiner deutschen Variante.
Beim
Durchforsten der Homepage von Education 21 einem Ableger der Agenda 21 kann einem hingegen der kalte Schauer den Rücken
hinunterlaufen. Derart offensichtlich
ist hier der Versuch, kleine Kinder mit ideologiebehafteter Weltrettungsprosa
in einen homini naturae zu verwandeln.
Und was noch
schlimmer ist:
Auf der
Strecke bleiben in der Regel Naturexpeditionen, Morgenspaziergänge, Vogel- und
Wiesenblumenbestimmung, physikalische Experimente, Neugier und Forschergeist. Meine
Söhne haben in der Unterstufe nie eine Blumenwiese betreten, keine Pflanzen
bestimmt, keine Tiere im Klassenzimmer gehalten. Sie wurden mit Arbeitsblättern
und Dok-Filmen bombardiert, mit Unterricht, der keine offene Lösungsstrategie
zulässt, weil er mit massiven Glaubenssätzen behaftet ist.
Es ist eine
Perversion von Unterricht, die sich da abspielt, eine Umkehr aller pädagogischen
Werte. Und es ist zutiefst antiwissenschaftlich, denn die Wissenschaft ist
immer der letzte Stand des Irrtums, Zweifeln und Kritik sind Pflicht. Deprimierend
ist auch, wenn man sieht, dass es offensichtlich Geld gibt, um die vielen lehrenden
Menschen aus dem realen Unterricht wegzulocken, damit sie solche Lernprogramme
in die Welt setzen und mit einem aktiven Lobbying deren Implantierung in den
Unterricht vorantreiben, während die Praxis unter einem chronischen Geldmangel
leidet.
Ein Trost
dabei ist die Erfahrung, dass solche scholastischen Unterrichtsmethoden sich in
der Regel als wirkungslos erweisen. Je älter die Kinder werden, desto mehr
wehren sie sich gegen Bevormundung und Indoktrination.
Heute
studiert mein Sohn in London am Imperial College «Electrical Engineering» und
ist glücklich. Zu einem meiner
Geburtstage schenkten mir die Söhne eine Kiste Bier mit einer Karte: «Erst wenn
die letzte Ölplattform stillgelegt und die letzte Tankstelle dichtgemacht hat,
wirst du merken, dass man bei Greenpeace kein Bier kaufen kann.»
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