2. September 2017

Steiner: "Kein Grund, die Alarmglocken zu läuten"

In den vergangenen Monaten ist der Sprachenstreit abgeflaut. Ein Entscheid des Zuger Kantonsparlaments gegen das Frühfranzösisch könnte diesem nun neue Nahrung geben.
Frühfranzösisch: Der Kanton Zug stört die Ruhe, Luzerner Zeitung, 31.8. von Tobias Bär


Innenminister Alain Berset wird keine Freude gehabt haben an der Nachricht, die ihn gestern aus dem Kanton Zug erreichte. Das dortige Parlament hat eine Motion zur Abschaffung des Frühfranzösisch an die Kantonsregierung überwiesen. Zwar sind die Würfel damit noch längst nicht gefallen. Zunächst muss nun die Zuger Regierung eine Vorlage ausarbeiten, danach entscheidet wieder das Parlament in erster und zweiter Lesung.

Doch inhaltlich überschreitet das Zuger Parlament mit seinem Beschluss die rote Linie, die Berset Ende des vergangenen Jahres gezogen hat: Eine Intervention des Bundes müsse dann wieder geprüft werden, wenn ein Kanton beschliesse, eine zweite Landessprache nicht mehr durchgehend ab der Primarstufe und bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit zu unterrichten. Vorderhand verzichtete der Bundesrat aber darauf, in den Sprachenstreit einzugreifen – nachdem er mehr oder weniger weit gehende Varianten für eine Intervention zur Diskussion gestellt hatte. Berset steckte die Rute also wieder zurück in den Sack. Allerdings nicht ohne die Kantone zu warnen, die Situation gegebenenfalls neu zu beurteilen.

Entscheide im Sinne von Berset
Bis gestern verhielten sich die Kantone im Sinne des SP-Bundesrats und allen anderen Verfechtern des Frühfranzösisch: Im Mai lehnte das Zürcher Stimmvolk eine Initiative ab, die den Französischunterricht auf der Primarstufe in Frage gestellt hätte. Mit besonderer Erleichterung wurde wenig später die Kehrtwende des Thurgauer Kantonsparlaments zur Kenntnis genommen: Dieses sprach sich im Juni doch noch für die Beibehaltung des Frühfranzösisch aus und kam auf einen früheren Entscheid zurück.

Bereits im vergangenen Jahr gingen mehrere kantonale Abstimmungen nach dem Gusto der Verfechter des Sprachenkompromisses aus. Dieser lautet: Die erste Fremdsprache wird spätestens ab dem dritten Schuljahr, eine zweite spätestens ab dem fünften Schuljahr unterrichtet. Eine der beiden Fremdsprachen ist eine zweite Landessprache, die andere ist Englisch. Dass nun der Kanton Zug von diesem Modell abrücken könnte, kommt beim Westschweizer SP-Nationalrat und Bildungspolitiker Mathias Reynard gar nicht gut an: «Der Entscheid geht in die komplett falsche Richtung.»

Der Vorstoss stehe quer zum derzeitigen Trend hin zu einer Konsolidierung des Sprachenkompromisses. Als die Pläne zur Abschaffung des Frühfranzösisch im Thurgau im vergangenen Jahr konkret wurden, da sprach Reynard von einer «Eskalation des Sprachenstreits». So weit will der Unterwalliser im Fall von Zug nicht gehen, schliesslich handle es sich erst um eine überwiesene Motion. «Wir Westschweizer Parlamentarier müssen aber klar und deutlich festhalten: So geht es nicht.» Auf dem Spiel stehe der nationale Zusammenhalt, deshalb sei die Ausgestaltung des Fremdsprachenunterrichts eben auch nicht alleinige Sache der Kantone.

Betont gelassen gibt sich die Präsidentin der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Silvia Steiner: «Ich bin überzeugt, dass es in Zug ähnlich laufen wird wie in den anderen Kantonen und dass man am Ende auch dort die Vorteile des Frühfranzösisch erkennt.» Verschiebe man den Französischunterricht auf die Oberstufe, dann gehe dies zu Lasten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, sagt die CVP-Regierungsrätin. «Das würde den Übergang in die Berufslehre erschweren.» Zwar seien in mehreren Kantonen Initiativen hängig, die auf den Sprachenkompromiss zielten. So entscheidet das Luzerner Stimmvolk am 24. September über die Initiative «Eine Fremdsprache auf der Primarstufe». Insgesamt seien die Kantone bei der Harmonisierung des Sprachenunterrichts aber gut unterwegs, sagt Steiner. «Es besteht kein Grund, die Alarmglocken zu läuten.»


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