In den vergangenen Monaten ist der
Sprachenstreit abgeflaut. Ein Entscheid des Zuger Kantonsparlaments gegen das
Frühfranzösisch könnte diesem nun neue Nahrung geben.
Frühfranzösisch: Der Kanton Zug stört die Ruhe, Luzerner Zeitung, 31.8. von Tobias Bär
Innenminister Alain Berset wird keine Freude gehabt haben an der
Nachricht, die ihn gestern aus dem Kanton Zug erreichte. Das dortige Parlament
hat eine Motion zur Abschaffung des Frühfranzösisch an die Kantonsregierung
überwiesen. Zwar sind die Würfel damit noch längst nicht gefallen. Zunächst
muss nun die Zuger Regierung eine Vorlage ausarbeiten, danach entscheidet
wieder das Parlament in erster und zweiter Lesung.
Doch inhaltlich überschreitet das Zuger Parlament mit seinem Beschluss
die rote Linie, die Berset Ende des vergangenen Jahres gezogen hat: Eine
Intervention des Bundes müsse dann wieder geprüft werden, wenn ein Kanton
beschliesse, eine zweite Landessprache nicht mehr durchgehend ab der
Primarstufe und bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit zu unterrichten.
Vorderhand verzichtete der Bundesrat aber darauf, in den Sprachenstreit
einzugreifen – nachdem er mehr oder weniger weit gehende Varianten für eine
Intervention zur Diskussion gestellt hatte. Berset steckte die Rute also wieder
zurück in den Sack. Allerdings nicht ohne die Kantone zu warnen, die Situation
gegebenenfalls neu zu beurteilen.
Entscheide im Sinne
von Berset
Bis gestern verhielten sich die Kantone im Sinne des SP-Bundesrats und
allen anderen Verfechtern des Frühfranzösisch: Im Mai lehnte das Zürcher
Stimmvolk eine Initiative ab, die den Französischunterricht auf der Primarstufe
in Frage gestellt hätte. Mit besonderer Erleichterung wurde wenig später die
Kehrtwende des Thurgauer Kantonsparlaments zur Kenntnis genommen: Dieses sprach
sich im Juni doch noch für die Beibehaltung des Frühfranzösisch aus und kam auf
einen früheren Entscheid zurück.
Bereits im vergangenen Jahr gingen mehrere kantonale Abstimmungen nach
dem Gusto der Verfechter des Sprachenkompromisses aus. Dieser lautet: Die erste
Fremdsprache wird spätestens ab dem dritten Schuljahr, eine zweite spätestens
ab dem fünften Schuljahr unterrichtet. Eine der beiden Fremdsprachen ist eine
zweite Landessprache, die andere ist Englisch. Dass nun der Kanton Zug von
diesem Modell abrücken könnte, kommt beim Westschweizer SP-Nationalrat und
Bildungspolitiker Mathias Reynard gar nicht gut an: «Der Entscheid geht in die
komplett falsche Richtung.»
Der Vorstoss stehe quer zum derzeitigen Trend hin zu einer
Konsolidierung des Sprachenkompromisses. Als die Pläne zur Abschaffung des
Frühfranzösisch im Thurgau im vergangenen Jahr konkret wurden, da sprach
Reynard von einer «Eskalation des Sprachenstreits». So weit will der
Unterwalliser im Fall von Zug nicht gehen, schliesslich handle es sich erst um
eine überwiesene Motion. «Wir Westschweizer Parlamentarier müssen aber klar und
deutlich festhalten: So geht es nicht.» Auf dem Spiel stehe der nationale
Zusammenhalt, deshalb sei die Ausgestaltung des Fremdsprachenunterrichts eben
auch nicht alleinige Sache der Kantone.
Betont gelassen gibt sich die Präsidentin der kantonalen
Erziehungsdirektoren (EDK), Silvia Steiner: «Ich bin überzeugt, dass es in Zug
ähnlich laufen wird wie in den anderen Kantonen und dass man am Ende auch dort
die Vorteile des Frühfranzösisch erkennt.» Verschiebe man den
Französischunterricht auf die Oberstufe, dann gehe dies zu Lasten der
mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, sagt die CVP-Regierungsrätin. «Das
würde den Übergang in die Berufslehre erschweren.» Zwar seien in mehreren
Kantonen Initiativen hängig, die auf den Sprachenkompromiss zielten. So
entscheidet das Luzerner Stimmvolk am 24. September über die Initiative «Eine
Fremdsprache auf der Primarstufe». Insgesamt seien die Kantone bei der
Harmonisierung des Sprachenunterrichts aber gut unterwegs, sagt Steiner. «Es
besteht kein Grund, die Alarmglocken zu läuten.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen