Übertrittstests korrigieren die Lehrer im
Baselbiet nicht mehr selber. 70 000 Franken zahlt der Kanton Baselland jährlich
dafür, dass das Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich die
Arbeit übernimmt. Es sind jene Tests, die absolviert werden können, wenn der
Zeugnisschnitt in der Primarschule nicht fürs progymnasiale Niveau reicht oder
nicht für die Sekundarschule und wenn Differenzen zwischen Lehrer und Eltern in
Bezug auf die Schulzuteilung entstehen. Im vergangenen Jahr sind im Baselbiet 302
Schüler für einen solchen Übertrittstest angetreten. Rund 230 Franken zahlt
folglich der Kanton Baselland für das nach Zürich ausgelagerte Korrigieren
eines Prüfungsbogens.
Note ungenügend für Bildungsinstitut, Basler Zeitung, 25.8. von Daniel Wahl
Man
könnte in Anbetracht dieses Betrags und des gesicherten jährlichen Staatsauftrags
eine solide Korrekturarbeit vom Zürcher Uni-Institut erwarten. Zumal das
Prüfungsergebnis Karriere-entscheidend sein kann. Aber das Gegenteil ist der
Fall. Das zeigen Rückmeldungen der Sekundarschulen, und das belegt auch der
Fall der Familie von Sandra B. aus Zwingen.
Lange
keine Klarheit
Weil
das Ergebnis des Übertrittstests mit der Note 5,16 knapp war (nötig fürs Niveau
P wäre die Note 5,25), liess sich die Mutter den Test aushändigen. Und siehe
da: Er war derart lausig korrigiert, dass Sandra B. zusammen mit der
Sekundarschule in Laufen nicht in der Lage war, die Korrekturen
nachzuvollziehen. Mehrfach musste der erfahrene Sekundarschulleiter Guido
Rabaglio, der die Prüfungen an seinem Standort in Laufen durchführte und bis zu
seiner Pensionierung Anfang August im Amt war, beim Amt für Volksschule (AVS)
telefonisch und per Mail rückfragen, um Klarheit zu erhalten. Da wurden Punkte
verteilt, wo es keine zu holen gab. Umgekehrt ging bei richtigen Lösungen die
Punktevergabe vergessen. Zu alledem wurde noch falsch addiert, wie die
Universität Zürich letztlich in einem Schreiben einräumen musste.
Ausgelagert
hat der Kanton diese Korrekturarbeiten mit Einführung von Harmos – der
Umstellung des Schulsystems auf sechs Jahre Primar- und drei Jahre Sekundarschule.
«Wir haben im Rahmen der Neugestaltung der bikantonalen Übertrittsprüfung den
Korrekturprozess neu organisiert, dabei wurde entschieden, die Prüfung extern
korrigieren zu lassen», schreibt die Kommunikationsverantwortliche der
Baselbieter Bildungsdirektion, Petra Schmidt. Das Institut für
Bildungsevaluation in Zürich durfte im Zuge von Harmos auch vier grosse
Leistungsvergleichs-Checks für 3,4 Millionen Franken entwickeln, die mit
jährlichen Korrektur-Folgekosten von rund einer halben Million Franken im
Kanton Baselland zu Buche schlagen. Dieses «Millionengeschäft mit
Bildungsreformen» wird von Landrat Jürg Wiedemann denn auch harsch kritisiert.
In
einem an die Mutter gerichteten Schreiben erläutert Schulleiter Rabaglio das
Problem, das sich ergibt, wenn der Kanton solche Arbeiten auslagert: «Mit einem
Rekurs werden die absolut berechtigten Einwände gegen die Prüfung nicht an
derjenigen Stelle deponiert, wo sie hingehörten.» Denn das hat er selber
erlebt: Mit dem Bildungsinstitut konnte er nicht in Kontakt treten, alles lief
über das Amt für Volksschule in Liestal, das sich wiederum in Zürich erkundigen
musste. Wertvolle Zeit ging verloren, die für einen beschleunigten Rekurs
notwendig gewesen wäre. Dieses Postbotenregime im AVS wird von der Bildungsdirektion
denn auch bestätigt: «Das Institut für Bildungsevaluation in Zürich steht nicht
in direktem Kontakt zu den Erziehungsberechtigten.»
Ausser
Spesen nichts gewesen
Nicht
zuletzt wegen des Hin und Her machte Schulleiter Rabaglio Sandra B. keine
grossen Hoffnungen: «Es besteht die Gefahr, dass Sie für einen abgewiesenen
Rekurs eine Rechnung erhalten und sagen müssen: ausser Spesen nichts gewesen.»
Er sei zwar mit der Einschätzung der Sachlage grösstenteils absolut einig. Aber
zwischen recht haben und recht bekommen bestehe oft ein grosser Unterschied.
Die Mutter entschied sich dennoch für den Rekursweg, weil sie sicher glaubte,
ihrer Tochter stünden zwei Punkte zu.
Der
Rechtsdienst gibt der Mutter grundsätzlich recht: «Die Bewertung der
Übertrittsprüfung ist für Aussenstehende schwer nachvollziehbar.» Aber man
schrieb ihr aufgrund der Nachkontrolle in Zürich «nur» einen Punkt zu. Der
Notenschnitt der Tochter erhöhte sich auf 5,2. Das Kind verpasste den Übertritt
ins höhere Niveau um 0,05 Punkte. Infolgedessen wies der Regierungsrat die
Beschwerde ab und stellte eine Rechnung von 400 Franken.
Mehrfache
Kritik an Uni Zürich
Gemäss
einem internen Schreiben mussten sich mehrere Schulleitungen beim AVS über
Modalitäten der Übertrittsprüfungen beschwert haben, denn die Leiterin der
Abteilung Pädagogik schreibt an den Rechtsdienst des Regierungsrats: «Aufgrund
von entsprechenden Rückmeldungen von Schulleitungen, unter anderem aus
Erkenntnissen bei der Prüfungseinsichtnahme, haben wir das Institut für
Bildungsevaluation beauftragt, eine kundenfreundlichere Bewertungsübersicht zu
erstellen. Offiziell heisst es beim AVS: «Aufgrund von berechtigten Hinweisen
veranlassten wir, dass übersichtlichere und zur Punktevergabe besser
verständliche Dokumente erstellt werden.» Ferner werde man «ein besonderes
Augenmerk auf die Korrekturen halten».
Für
Sandra B. und ihr Kind kommt die Erkenntnis zu spät. Während die
Schulzuteilungen längst gemacht waren und alle Gspänli wussten, wo und mit wem
sie im Klassenzimmer unterrichtet werden, stand die Tochter Ende Mai immer noch
im Ungewissen.
So
entschied sich die Mutter, nicht zuletzt wegen erneuter Kosten und bleibender
Ungewissheit bis weit in die Sommerferien, auf eine weiterführende Beschwerde
zu verzichten. Dafür kann sie jetzt die Faust im Sack machen: «Es wurde nur auf
die Hälfte meiner Kritikpunkte eingegangen. Ich werde den Verdacht nicht los,
dass das Ganze mit Absicht geschah, damit man mir die Rechnung stellen kann und
die Schulzuteilung nicht geändert werden musste.»
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