25. August 2017

Schlamperei bei Institut für Bildungsevaluation

Übertrittstests korrigieren die Lehrer im Baselbiet nicht mehr selber. 70 000 Franken zahlt der Kanton Baselland jährlich dafür, dass das Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich die Arbeit übernimmt. Es sind jene Tests, die absolviert werden können, wenn der Zeugnisschnitt in der Primarschule nicht fürs progymnasiale Niveau reicht oder nicht für die Sekundarschule und wenn Differenzen zwischen Lehrer und Eltern in Bezug auf die Schulzuteilung entstehen. Im vergangenen Jahr sind im Baselbiet 302 Schüler für einen solchen Übertrittstest angetreten. Rund 230 Franken zahlt folglich der Kanton Baselland für das nach Zürich ausgelagerte Korrigieren eines Prüfungsbogens.
Note ungenügend für Bildungsinstitut, Basler Zeitung, 25.8. von Daniel Wahl


Man könnte in Anbetracht dieses Betrags und des gesicherten jährlichen Staatsauftrags eine solide Korrekturarbeit vom Zürcher Uni-Institut erwarten. Zumal das Prüfungsergebnis Karriere-entscheidend sein kann. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das zeigen Rückmeldungen der Sekundarschulen, und das belegt auch der Fall der Familie von Sandra B. aus Zwingen.

Lange keine Klarheit
Weil das Ergebnis des Übertrittstests mit der Note 5,16 knapp war (nötig fürs Niveau P wäre die Note 5,25), liess sich die Mutter den Test aushändigen. Und siehe da: Er war derart lausig korrigiert, dass Sandra B. zusammen mit der Sekundarschule in Laufen nicht in der Lage war, die Korrekturen nachzuvollziehen. Mehrfach musste der erfahrene Sekundarschulleiter Guido Rabaglio, der die Prüfungen an seinem Standort in Laufen durchführte und bis zu seiner Pensionierung Anfang August im Amt war, beim Amt für Volksschule (AVS) telefonisch und per Mail rückfragen, um Klarheit zu erhalten. Da wurden Punkte verteilt, wo es keine zu holen gab. Umgekehrt ging bei richtigen Lösungen die Punktevergabe vergessen. Zu alledem wurde noch falsch addiert, wie die Universität Zürich letztlich in einem Schreiben einräumen musste.

Ausgelagert hat der Kanton diese Korrekturarbeiten mit Einführung von Harmos – der Umstellung des Schulsystems auf sechs Jahre Primar- und drei Jahre Sekundarschule. «Wir haben im Rahmen der Neugestaltung der bikantonalen Übertrittsprüfung den Korrekturprozess neu organisiert, dabei wurde entschieden, die Prüfung extern korrigieren zu lassen», schreibt die Kommunikationsverantwortliche der Baselbieter Bildungsdirektion, Petra Schmidt. Das Institut für Bildungsevaluation in Zürich durfte im Zuge von Harmos auch vier grosse Leistungsvergleichs-Checks für 3,4 Millionen Franken entwickeln, die mit jährlichen Korrektur-Folgekosten von rund einer halben Million Franken im Kanton Baselland zu Buche schlagen. Dieses «Millionengeschäft mit Bildungsreformen» wird von Landrat Jürg Wiedemann denn auch harsch kritisiert.

In einem an die Mutter gerichteten Schreiben erläutert Schulleiter Rabaglio das Problem, das sich ergibt, wenn der Kanton solche Arbeiten auslagert: «Mit einem Rekurs werden die absolut berechtigten Einwände gegen die Prüfung nicht an derjenigen Stelle deponiert, wo sie hingehörten.» Denn das hat er selber erlebt: Mit dem Bildungsinstitut konnte er nicht in Kontakt treten, alles lief über das Amt für Volksschule in Liestal, das sich wiederum in Zürich erkundigen musste. Wertvolle Zeit ging verloren, die für einen beschleunigten Rekurs notwendig gewesen wäre. Dieses Postbotenregime im AVS wird von der Bildungsdirektion denn auch bestätigt: «Das Institut für Bildungsevaluation in Zürich steht nicht in direktem Kontakt zu den Erziehungsberechtigten.»

Ausser Spesen nichts gewesen
Nicht zuletzt wegen des Hin und Her machte Schulleiter Rabaglio Sandra B. keine grossen Hoffnungen: «Es besteht die Gefahr, dass Sie für einen abgewiesenen Rekurs eine Rechnung erhalten und sagen müssen: ausser Spesen nichts gewesen.» Er sei zwar mit der Einschätzung der Sachlage grösstenteils absolut einig. Aber zwischen recht haben und recht bekommen bestehe oft ein grosser Unterschied. Die Mutter entschied sich dennoch für den Rekursweg, weil sie sicher glaubte, ihrer Tochter stünden zwei Punkte zu.
Der Rechtsdienst gibt der Mutter grundsätzlich recht: «Die Bewertung der Übertrittsprüfung ist für Aussenstehende schwer nachvollziehbar.» Aber man schrieb ihr aufgrund der Nachkontrolle in Zürich «nur» einen Punkt zu. Der Notenschnitt der Tochter erhöhte sich auf 5,2. Das Kind verpasste den Übertritt ins höhere Niveau um 0,05 Punkte. Infolgedessen wies der Regierungsrat die Beschwerde ab und stellte eine Rechnung von 400 Franken.

Mehrfache Kritik an Uni Zürich
Gemäss einem internen Schreiben mussten sich mehrere Schulleitungen beim AVS über Modalitäten der Übertrittsprüfungen beschwert haben, denn die Leiterin der Abteilung Pädagogik schreibt an den Rechtsdienst des Regierungsrats: «Aufgrund von entsprechenden Rückmeldungen von Schulleitungen, unter anderem aus Erkenntnissen bei der Prüfungseinsichtnahme, haben wir das Institut für Bildungsevaluation beauftragt, eine kundenfreundlichere Bewertungsübersicht zu erstellen. Offiziell heisst es beim AVS: «Aufgrund von berechtigten Hinweisen veranlassten wir, dass übersichtlichere und zur Punktevergabe besser verständliche Dokumente erstellt werden.» Ferner werde man «ein besonderes Augenmerk auf die Korrekturen halten».

Für Sandra B. und ihr Kind kommt die Erkenntnis zu spät. Während die Schulzuteilungen längst gemacht waren und alle Gspänli wussten, wo und mit wem sie im Klassenzimmer unterrichtet werden, stand die Tochter Ende Mai immer noch im Ungewissen.
So entschied sich die Mutter, nicht zuletzt wegen erneuter Kosten und bleibender Ungewissheit bis weit in die Sommerferien, auf eine weiterführende Beschwerde zu verzichten. Dafür kann sie jetzt die Faust im Sack machen: «Es wurde nur auf die Hälfte meiner Kritikpunkte eingegangen. Ich werde den Verdacht nicht los, dass das Ganze mit Absicht geschah, damit man mir die Rechnung stellen kann und die Schulzuteilung nicht geändert werden musste.»


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