Die Privatschulen im Baselbiet betreuen zahlreiche Kinder, welche die
Integration in eine Regelklasse der Volksschule nicht geschafft haben. Die
Kantone sind gemäss eidgenössischem Gleichstellungsgesetz dazu verpflichtet,
Jugendliche mit Problemen zu integrieren. Wo dies in der Volksschule nicht
gelingt, springen die Privatschulen in die Bresche. Doch seit einigen Jahren
bezahlt der Kanton Baselland den Privatschulen die dazu nötigen Gelder nicht
mehr. Die Leidtragenden sind die Kinder aus einkommensschwachen Familien, die
keine Schule finden, die sie aufnimmt.
Kanton profitiert von Privatschulen, Basler Zeitung, 23.8. von Thomas Dähler
Im
Kanton Baselland hat das Stimmvolk 2010 entschieden, dem
Sonderpädagogik-Konkordat beizutreten. Seither ist die Integration von Kindern
mit Problemen oder einer Behinderung in die Volksschule zur Regel geworden. Die
Kleinklassen wurden zwar nicht generell abgeschafft, doch Ziel ist es heute,
möglichst viele Kinder in einer Regelklasse zu integrieren. Immer noch in die
Kleinklassen kommen sozial schwierige Schüler oder solche, die in der Regelklasse
Opfer von Mobbing wurden oder dort den Unterricht gestört haben. Die Schulen
stellen für schwierige Schüler in den Regelklassen oder den Kleinklassen
zahlreiche Zusatzangebote bereit, die von Heilpädagogen, Logopäden oder anderen
Integrations-Fachpersonen angeboten werden. Dennoch schaffen es nicht alle
Schülerinnen und Schüler.
Kanton
bezahlt nur noch selten
Für
sie ist oft eine Privatschule die Rettung. In vielen Fällen gelingt die
Integration in der speziellen Umgebung einer Privatschule – wenn sich die
Eltern denn das Schulgeld leisten können. Das Problem: Seit den
Integrationsmassnahmen in der Volksschule leistet der Kanton kaum noch
finanzielle Beiträge für Kinder, die in eine Privatschule ausweichen müssen.
Dabei würde er sparen. Das kostendeckende Schulgeld in der Schule für Offenes
Lernen etwa beträgt 25 000 Franken pro Jahr, ein Primarschüler in einer
Kleinklasse des Kantons kostet 29 844 Franken.
Bis
vor einigen Jahren war dies anders. Im Rahmen der Speziellen Massnahmen hat der
Kanton Kindern und Jugendlichen, denen die Regelschule nicht gerecht wurde, den
Besuch einer Privatschule mit spezieller pädagogischer Ausrichtung ermöglicht,
indem er das Schulgeld übernommen hat. Heute hat sich dies drastisch reduziert.
Gemäss den Angaben der Privatschulen geschieht dies nur noch in absoluten
Ausnahmefällen.
Normalerweise
schlägt der Kanton, wenn ein Kind die Regelschule verlassen muss, zwei
Alternativen vor: den Besuch einer geeigneten Privatschule oder die Beschulung
in einer Kleinklasse – in der Hoffnung, dass sich die Eltern für die Erfolg
versprechendere Privatschule entscheiden und der Kanton dadurch die Kosten von
7500 Franken pro Jahr einspart, die ein Schüler in der Volksschule
durchschnittlich verursacht. Denn finanzieren muss der Kanton den
Privatschulbesuch nur, wenn er nicht in der Lage ist, eine Alternative dazu in
einer staatlichen Schule anzubieten. Vertreter von Privatschulen werfen dem
Kanton gar vor, eine Alternative in einer staatlichen Schule nur auf dem Papier
anzubieten, um das Schulgeld nicht bezahlen zu müssen. Eltern sind dann oft
nicht bereit, die Leidensgeschichte ihrer Kinder zu verlängern und entscheiden
sich auch dann für eine Privatschule, wenn sie das Schulgeld an die Grenzen
ihrer finanziellen Möglichkeiten treibt.
Wüthrich
im Landrat abgeblitzt
Gesetzlich
bewegt sich der Kanton dabei auf unsicherem Terrain. Die Privatschulen sind in
Paragraf 19 des Bildungsgesetzes geregelt. Ein neuer Integrationsartikel im
Bildungsgesetz aber gibt es nach wie vor nicht. Der Landrat hat den
Revisionsentwurf, den Bildungsdirektor Urs Wüthrich kurz vor seinem Ausscheiden
aus der Regierung eingebracht hat, zurückgewiesen. Und auch zwei Jahre später
hat Nachfolgerin Monica Gschwind keine neue Vorlage in die Vernehmlassung
geschickt. Dabei könnte eine solche Vorlage einen praktischen
Orientierungsrahmen schaffen, für Rechtssicherheit bei Schülern und Eltern
sorgen und die merkwürdigen Manöver bei der Zuteilung von Kindern in
Kleinklassen oder in eine Privatschule beenden, ohne dass es für den Kanton
finanziell teurer würde.
Zurückgewiesen
wurde Wüthrichs Vorlage damals vom Landrat, weil die Bürgerlichen mit dem
ungenügenden Einbezug der Eltern in die Entscheidungen der Schulleitungen
unzufrieden waren. Wüthrichs Entwurf hatte die Mitsprache der Eltern unpräzise
definiert und auf eine inexistente Verordnung gebaut. Eine überarbeitete
Version aber gibt es bis heute trotz Rechtsunsicherheit nicht.
Im
Gegenteil: Mit der jetzt zur Abstimmung gelangenden Abschaffung der normalen
Privatschulbeiträge, die heute allen Privatschülerinnen und -schülern
ausbezahlt wird, verschärft sich das Problem zusätzlich. Oft nämlich waren es
bisher die ordentlichen Unterstützungsgelder, welche die Eltern dazu bewegt
haben, sich auch dann für eine Privatschule zu entscheiden, wenn der Staat das
Schulgeld nach dem Ausscheiden aus der Regelschule nicht übernommen hat. Doch
wie auch immer die Abstimmung über die Privatschulbeiträge ausgeht:
Bildungsdirektorin Gschwind wird die Integrative Schulung gesetzlich regeln
müssen. Dabei müsste auch über die Privatschulen diskutiert werden.
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