25. August 2017

Fehlende gesetzliche Grundlage für integrative Schulung

Die Privatschulen im Baselbiet betreuen zahlreiche Kinder, welche die Integration in eine Regelklasse der Volksschule nicht geschafft haben. Die Kantone sind gemäss eidgenössischem Gleichstellungsgesetz dazu verpflichtet, Jugendliche mit Problemen zu integrieren. Wo dies in der Volksschule nicht gelingt, springen die Privatschulen in die Bresche. Doch seit einigen Jahren bezahlt der Kanton Baselland den Privatschulen die dazu nötigen Gelder nicht mehr. Die Leidtragenden sind die Kinder aus einkommensschwachen Familien, die keine Schule finden, die sie aufnimmt.
Kanton profitiert von Privatschulen, Basler Zeitung, 23.8. von Thomas Dähler


Im Kanton Baselland hat das Stimmvolk 2010 entschieden, dem Sonderpädagogik-Konkordat beizutreten. Seither ist die Integration von Kindern mit Problemen oder einer Behinderung in die Volksschule zur Regel geworden. Die Kleinklassen wurden zwar nicht generell abgeschafft, doch Ziel ist es heute, möglichst viele Kinder in einer Regelklasse zu integrieren. Immer noch in die Kleinklassen kommen sozial schwierige Schüler oder solche, die in der Regelklasse Opfer von Mobbing wurden oder dort den Unterricht gestört haben. Die Schulen stellen für schwierige Schüler in den Regelklassen oder den Kleinklassen zahlreiche Zusatzangebote bereit, die von Heilpädagogen, Logopäden oder anderen Integrations-Fachpersonen angeboten werden. Dennoch schaffen es nicht alle Schülerinnen und Schüler.

Kanton bezahlt nur noch selten
Für sie ist oft eine Privatschule die Rettung. In vielen Fällen gelingt die Integration in der speziellen Umgebung einer Privatschule – wenn sich die Eltern denn das Schulgeld leisten können. Das Problem: Seit den Integrationsmassnahmen in der Volksschule leistet der Kanton kaum noch finanzielle Beiträge für Kinder, die in eine Privatschule ausweichen müssen. Dabei würde er sparen. Das kostendeckende Schulgeld in der Schule für Offenes Lernen etwa beträgt 25 000 Franken pro Jahr, ein Primarschüler in einer Kleinklasse des Kantons kostet 29 844 Franken.

Bis vor einigen Jahren war dies anders. Im Rahmen der Speziellen Massnahmen hat der Kanton Kindern und Jugendlichen, denen die Regelschule nicht gerecht wurde, den Besuch einer Privatschule mit spezieller pädagogischer Ausrichtung ermöglicht, indem er das Schulgeld übernommen hat. Heute hat sich dies drastisch reduziert. Gemäss den Angaben der Privatschulen geschieht dies nur noch in absoluten Ausnahmefällen.

Normalerweise schlägt der Kanton, wenn ein Kind die Regelschule verlassen muss, zwei Alternativen vor: den Besuch einer geeigneten Privatschule oder die Beschulung in einer Kleinklasse – in der Hoffnung, dass sich die Eltern für die Erfolg versprechendere Privatschule entscheiden und der Kanton dadurch die Kosten von 7500 Franken pro Jahr einspart, die ein Schüler in der Volksschule durchschnittlich verursacht. Denn finanzieren muss der Kanton den Privatschulbesuch nur, wenn er nicht in der Lage ist, eine Alternative dazu in einer staatlichen Schule anzubieten. Vertreter von Privatschulen werfen dem Kanton gar vor, eine Alternative in einer staatlichen Schule nur auf dem Papier anzubieten, um das Schulgeld nicht bezahlen zu müssen. Eltern sind dann oft nicht bereit, die Leidensgeschichte ihrer Kinder zu verlängern und entscheiden sich auch dann für eine Privatschule, wenn sie das Schulgeld an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten treibt.

Wüthrich im Landrat abgeblitzt
Gesetzlich bewegt sich der Kanton dabei auf unsicherem Terrain. Die Privatschulen sind in Paragraf 19 des Bildungsgesetzes geregelt. Ein neuer Integrationsartikel im Bildungsgesetz aber gibt es nach wie vor nicht. Der Landrat hat den Revisionsentwurf, den Bildungsdirektor Urs Wüthrich kurz vor seinem Ausscheiden aus der Regierung eingebracht hat, zurückgewiesen. Und auch zwei Jahre später hat Nachfolgerin Monica Gschwind keine neue Vorlage in die Vernehmlassung geschickt. Dabei könnte eine solche Vorlage einen praktischen Orientierungsrahmen schaffen, für Rechtssicherheit bei Schülern und Eltern sorgen und die merkwürdigen Manöver bei der Zuteilung von Kindern in Kleinklassen oder in eine Privatschule beenden, ohne dass es für den Kanton finanziell teurer würde.
Zurückgewiesen wurde Wüthrichs Vorlage damals vom Landrat, weil die Bürgerlichen mit dem ungenügenden Einbezug der Eltern in die Entscheidungen der Schulleitungen unzufrieden waren. Wüthrichs Entwurf hatte die Mitsprache der Eltern unpräzise definiert und auf eine inexistente Verordnung gebaut. Eine überarbeitete Version aber gibt es bis heute trotz Rechtsunsicherheit nicht.

Im Gegenteil: Mit der jetzt zur Abstimmung gelangenden Abschaffung der normalen Privatschulbeiträge, die heute allen Privatschülerinnen und -schülern ausbezahlt wird, verschärft sich das Problem zusätzlich. Oft nämlich waren es bisher die ordentlichen Unterstützungsgelder, welche die Eltern dazu bewegt haben, sich auch dann für eine Privatschule zu entscheiden, wenn der Staat das Schulgeld nach dem Ausscheiden aus der Regelschule nicht übernommen hat. Doch wie auch immer die Abstimmung über die Privatschulbeiträge ausgeht: Bildungsdirektorin Gschwind wird die Integrative Schulung gesetzlich regeln müssen. Dabei müsste auch über die Privatschulen diskutiert werden.


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