Für die Aargauer Regierung gilt: Der Lehrplan 21 muss konstenneutral zu
haben sein. Der aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband hält dies für
verfehlt.
Aargauer Regierung will den Lehrplan 21 kostenneutral – die Lehrer halten dies für einen Irrtum, Aargauer Zeitung, 29.8. von Jörg Meier
Im November wird der Regierungsrat den Anhörungsbericht zum Lehrplan 21
präsentieren. Der Bericht soll aufzeigen, was alles zum neuen Aargauer Lehrplan
gehört und wie er umgesetzt werden soll. Doch bereits jetzt ist klar, was am
meisten zu diskutieren geben wird: Der Regierungsrat geht davon aus, dass der
neue Lehrplan kostenneutral eingeführt und umgesetzt wird. Der aargauische
Lehrerinnen- und Lehrerverband (alv) hält diese Vorgabe für völlig verfehlt und
unrealistisch.
Am 12. Februar 2017 haben die Aargauerinnen und Aargauer die Initiative,
welche die Einführung des Lehrplans 21 im Aargau verhindern wollte, mit einem
Neinstimmen-Anteil von 69,2 Prozent deutlich abgelehnt. Seither
laufen die Vorbereitungsarbeiten für die aargauspezifische Version des
Lehrplans 21.
Dabei hat der Regierungsrat sein Versprechen wahr gemacht und betroffene
Kreise von den Landfrauen bis hin zum Gewerbeverband eingeladen und befragt;
zurzeit werden Fächer- und Fächergruppen definiert und die Stundetafeln für die
einzelnen Stufen und Klassen ausgearbeitet.
Im November wird eine erste Version des Lehrplans vorgestellt, es folgt
eine freiwillige Anhörung. 2018 wird der Regierungsrat unter Einbezug des
Erziehungsrates entscheiden. Es folgt die Vorbereitung der Einführung. Dazu
gehören etwa die Weiterbildung der Lehrpersonen, die Überprüfung der
Lehrmittel, die Vorbereitung der Schulen vor Ort. Nach dem neuen Lehrplan soll
ab dem Schuljahr 2020/21 unterrichtet werden.
Lehrplan 21 ist nicht gratis
Auch wenn die Regierung erst im Herbst über die Details informieren
will; der Lehrerverband hält es für einen Irrtum zu glauben, der neue Lehrplan
verursache keine Mehrkosten. Er hat dafür gute Gründe: Im Aargau gehen heute
die Kinder deutlich weniger zur Schule als in den meisten andern Kantonen.
Nimmt man die Harmonisierung zwischen den Kantonen ernst, dann muss der Aargau
vor allen an der Unterstufe und der Realschule die Anzahl der Pflichtlektionen
pro Woche deutlich erhöhen. Und das kostet Geld.
«Auch Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen für die neuen
Anforderungen, die der kompetenzorientierte Unterricht stellt, sind nicht
gratis zu haben», sagt Elisabeth Abbassi, Präsidentin des alv.
Beharrt die Regierung darauf, dass der neue Lehrplan keine zusätzlichen
Kosten verursachen darf, dann rechnet der alv mit verschiedene Szenarien: So
könnte die Regierung das Projekt redimensionieren und darauf verzichten, die
Pflichtlektionen anzuheben. Damit wäre die verlangte Harmonisierung nur zum
Teil umgesetzt. Oder man könnte zusätzliche Lektionen schaffen, und zwar auf
Kosten des Halbklassenunterrichts. Oder man spart anderswo, setzt die Aus- und
Weiterbildung auf ein Minimum. Für Elisabeth Abbassi ist klar:
Kostenneutralität als oberstes Prinzip bei der Umsetzung eines neuen Lehrplans
ist der falsche Weg. «Wir werden uns gegen den neuen Lehrplan wehren, wenn er
die Unterrichtsqualität einschränkt und den Lehrpersonen erst noch Mehrarbeit
im Übermass bringt.»
Wie der neue Lehrplan letztlich die angestrebte Kostenneutralität
erreichen will, darüber kann Simone Strub, Leiterin Kommunikation beim Bildungsdepartement,
noch keine Auskunft geben. Sie verweist auf den Anhörungsbericht, der im
November erscheint und auch auf diese offenen Fragen Antworten liefern werde.
Die Positionen sind bezogen.
Nachdem das Aargauer Stimmvolk die Volksinitiative gegen den Lehrplan 21 verworfen hat, lässt die Aargauer Regierung jetzt die Katze aus dem Sack. Hat man der Bevölkerung, Eltern und Lehrern etwas vorgegauckelt? Sogar die Präsidentin des Aargauischen Lehrerverbandes – einst eine scharfe Gegnerin der Volksinitiative - scheint jetzt nicht mehr sicher zu sein, ob die Initianten der Volksinitiative mit ihrer Kritik am Lehrplan 21 nicht doch Recht hatten: «Wir werden uns gegen den neuen Lehrplan wehren, wenn er die Unterrichtsqualität einschränkt und den Lehrpersonen erst noch Mehrarbeit im Übermass bringt.»
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