Nicole
Hauser unterrichtet in der Zürcher Gemeinde Wädenswil eine Abschlussklasse der
Sekundarschule in der höchsten Leistungsstufe. Vor dem Eintritt in die
Berufslehre erarbeiten die 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schüler im
Rahmen eines klassenübergreifenden Schwerpunktes das Thema Geld. Ein
Bestandteil des Pflichtprogramms wird das im Kanton Zürich und in vielen
anderen Kantonen erst mit der Einführung des Lehrplans 21. «Es ist gut, dass
der Umgang mit Geld thematisiert wird», sagt Nicole Hauser rückblickend auf
ihre 17-jährige Tätigkeit als Lehrerin.
"Die Schule darf das Thema Geld nicht ausblenden", Basellandschaftliche Zeitung, 13.7. von Daniel Zulauf
Wie viel Vorwissen haben die
Jugendlichen in den Unterricht mitgebracht?
Nicole Hauser: Manche wussten schon
viel, andere fast gar nichts. Nach meiner Beobachtung ist der Wissensstand
stark abhängig davon, ob eine Schülerin oder ein Schüler im täglichen Leben
schon Geld zur Verfügung hat und den Umgang damit lernt.
Wie viel Geld haben
Ihre Schülerinnen und Schüler zur Verfügung?
In meiner dritten Sekundarklasse
beziehen drei von 20 Schülern einen Jugendlohn. Sie erhalten 140 Franken bis
180 Franken pro Monat auf ein Konto und müssen mit dem Geld vordefinierte
Ausgaben selber bestreiten. Demgegenüber erhalten etwa ein Drittel der
Schülerinnen und Schüler kein regelmässiges Taschengeld. Diese Jugendlichen
müssen mit jedem Konsumwunsch zu den Eltern gehen, die dann situativ zahlen.
Mehr als die Hälfte erhalten ein Taschengeld auf monatlicher Basis. Der Betrag
bewegt sich zwischen 50 Franken und 60 Franken.
Wie und wo verwalten die
Jugendlichen ihr Geld?
Einige aus meiner Klasse verfügen schon seit einiger
Zeit zusätzlich zu ihrem Jugendkonto über eine eigene Debitkarte. Etwa ein
Drittel der Schülerinnen und Schüler haben in der jüngeren Vergangenheit, mit
Blick auf den Beginn der Berufslehre nach den Sommerferien, ein Konto eröffnet.
In diesen Paketen ist oft auch schon eine Kreditkarte integriert. Ich würde
sagen, etwa ein Viertel meiner Klasse besitzt eine Kreditkarte. Konsum auf
Kredit ist heutzutage ein fester Bestandteil vieler Jugendlicher auch in
unserer Schule.
Was verstehen Sie unter Konsum auf Kredit?
Alle meine
Schülerinnen und Schüler haben schon selber Bestellungen online getätigt.
Meistens versuchen sie, auf Rechnung zu kaufen – im eigenen Namen. Nach dem
Alter fragt niemand.
Das tönt besorgniserregend.
Ja. Als Erwachsene sehe ich
hier natürlich sofort die Gefahr der Schuldenfalle – die Jugendlichen könnten
beim Konsum überborden. Aber interessanterweise sehen die Jungen selber keine
Gefahr darin.
Entweder fehlt ihnen das Problembewusstsein oder sie haben ihr
Budget im Kopf. Was ist wahrscheinlicher?
Ich habe den Eindruck, dass sie ihre
Limiten kennen und beim Konsum mental auch präsent haben. Ich erlebe die
Jugendlichen in finanziellen Belangen als sehr realistisch.
Fakt ist, dass Geld
die Menschen gierig machen und sie in die Schuldenfalle treiben kann. Wie
erleben Sie das mit Ihrer Klasse?
Ich erlebe alle meine Schülerinnen und
Schüler als sehr vernünftig. Sie sparen durchweg. Es kommt mir vor, als wäre
Sparen eine Art Grundbedürfnis. Es ist einfach selbstverständlich. Wir haben
Budgets erstellt. Dort ist der Posten Sparen für alle ein fester Bestandteil.
Wirkt sich der Besitz von eigenem Geld auf das Finanzwissen der Jugendlichen
aus? Das würde ich aus meiner Erfahrung klar bestätigen. Ich merke, wie die
Jugendlichen gut Bescheid wissen, wenn sie die Verantwortung für ihre Finanzen
selber tragen. Ich würde sagen, diese Jugendlichen wissen etwa gleich viel über
den praktischen Umgang mit Geld wie wir Erwachsene. Das hätte ich selber nicht
erwartet.
Und die anderen?
Jugendliche, denen die Eltern keine finanzielle
Autonomie gewähren, haben sich nach meiner Erfahrung selber gedanklich noch
kaum mit dem Thema Geld auseinandergesetzt.
Erkennen Sie familiäre Muster bei
der finanziellen Erziehung?
Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung sagen,
dass besonders verwöhnte Jugendliche, die beispielsweise auch im Haushalt kaum
Verantwortung übernehmen müssen, eher wenig finanzielle Autonomie geniessen und
dementsprechend auch weniger Finanzwissen mitbringen. Ich vermute, dass hinter
dem Konsum dieser Jugendlichen oft auch das Streben der Eltern nach sozialem
Status steht. Anders kann ich mir nicht erklären, dass gerade diese
Jugendlichen oft die teuersten Anschaffungen machen.
Jugendliche, die ein
grösseres Taschengeld erhalten, kommen ihre Familien also nicht unbedingt
teurer zu stehen, als jene ohne Taschengeld?
Ja, das entspricht meiner
Erfahrung.
Finanzielle Erziehung wird erst im Lehrplan 21 ein fester Bestandteil
des schulischen Programms. Warum machen Sie mehr?
Die Schule darf das Thema
Geld nicht ausblenden. Es ist einfach zu wichtig in unserer Gesellschaft. Ich
erachte es als unsere Aufgabe, die Jungen möglichst breit auch auf praktische
Aspekte des späteren Erwachsenenlebens vorzubereiten.
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