Für Schüler mit Lernschwächen und
Verhaltensauffälligkeit sind im Volksschulgesetz spezielle Fördermassnahmen in
der von den Gemeinden getragenen Regelschule verankert. Für die
Sonderpädagogik, die Sonderschulen und Heime für Schüler mit einer Behinderung,
die den Besuch der Regelschule nicht zulässt, ist der Kanton verantwortlich.
Grosse Umverteilungsübung: Kanton will Kosten der Sonderpädagigk übernehmen, Schweiz am Wochenende, 2.7. von Urs Moser
Aber die Gemeinden müssen sich mit einem Schulgeld
an den sonderpädagogischen Massnahmen beteiligen: 2000 Franken monatlich,
24'000 Franken pro Schuljahr. Das kann das Budget recht erheblich belasten,
wenn es in einer kleinen Gemeinde mehrere Fälle gibt. Seit bald zehn Jahren
sind die Gemeinden deshalb angehalten, unter sich einen Lastenausgleich im
Verhältnis der Einwohnerzahl ähnlich wie für die Sozialhilfekosten zu
organisieren.
Das hat bis heute nicht geklappt. Wenn Landammann
und Bildungsdirektor Remo Ankli nächsten Freitag die Vernehmlassung zu
Gesetzesanpassungen im Zusammenhang mit der speziellen Förderung eröffnet, wird
er auch darüber berichten, dass die Regierung und der Verband der
Einwohnergemeinden übereingekommen sind, den Lastenausgleich für die
Sonderpädagogik endgültig als gescheitert zu erklären.
Der Regierungsrat hat diese Woche den
Schlussbericht der Arbeitsgruppe «optiSO» beraten, die vor zwei Jahren
eingesetzt worden war, um den unbefriedigenden Zustand endlich zu klären. Er
schloss sich ihrem Antrag an, auf den Lastenausgleich zu verzichten und die Finanzierung
im Bereich Sonderpädagogik zu «entflechten».
Kanton zahlt allein
Das hat weitreichende Konsequenzen, denn es
bedeutet nichts anderes als: Die Schulgelder der Gemeinden sollen entfallen,
der Kanton die Kosten der Sonderpädagogik allein tragen. Dabei geht es um ein
Volumen von 80 Millionen Franken jährlich, davon waren bisher 20 Millionen
durch die Schulgelder der Gemeinen gedeckt. Der Regierungsrat hat sich diese
Woche schon erfolglos dagegen gewehrt, dass der Kantonsrat die Gemeinden ohne
Kompensation von ihrer Beteiligung am Kantonsstrassenbau im Umfang von 6 bis 9
Millionen befreit.
Noch einmal 20 Millionen Mehrausgaben für die
Sonderpädagogik, das kann sich der Kanton schlicht nicht leisten. Eine
Kostenverschiebung in dieser Grössenordnung «kann nicht isoliert geplant und
vollzogen werden», heisst es im Regierungsbeschluss zum «optiSO»-Bericht. Der
Umstand, dass ein Lastenausgleich unter den Gemeinden bei der Finanzierung der
Sonderpädagogik nicht realisierbar erscheint, soll zum Anlass für eine neue
Gesamtbetrachtung der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden genommen
werden.
Der Regierungsrat nimmt das strategische Projekt
«Prüfung von Aufgaben- und Finanzierungsentflechtungen» als
departementübergreifendes Legislaturziel in den Legislaturplan 2017-21 auf.
Dabei ist, was die Sonderpädagogik betrifft, klar: Die Mehrbelastung des
Kantons ist «durch geeignete Massnahmen auf Seiten der Einwohnergemeinen» zu
kompensieren.
Abschiebeeffekt befürchtet
Es wurden verschiedene Varianten geprüft. Den Status
quo einfach beibehalten, da es ja an sich ganz gut funktioniert. Oder doch noch
einen Anlauf für einen Lastenausgleich unter den Gemeinden im Verhältnis der
Einwohnerzahl nehmen, wie es die aktuell gültige Gesetzgebung eigentlich
vorschreiben würde. Unter dem Strich scheint die konsequente Entflechtung der
Finanzierung am logischsten, sie entspricht der seit 2014 in der Verfassung
festgeschriebenen Zuständigkeit der Gemeinden für die Regelschule und des
Kantons für die Sonderpädagogik. Damit werde das Prinzip umgesetzt, dass der
verantwortliche Leistungsbesteller auch die ausgelösten Kosten trägt, wie der
Regierungsrat etwas vornehmer umschreibt, wozu der Volksmund «wer zahlt,
befiehlt» sagt.
Ein Risiko sieht man auf der Seite des Kantons:
Dass die Gemeinden versucht sein könnten, möglichst viele ihrer anspruchsvollen
Schüler in die kantonal finanzierte Sonderpädagogik zu «exportieren». Der
Bericht der «optiSO»-Gruppe, in welcher der Kanton wie die Gemeinden vertreten
waren, liefert Ansätze, wie die Mehrbelastung des Kantons abgefedert und dem
Abschiebeeffekt begegnet werden könnte:
Kanton und Gemeinden einigen sich auf eine
verbindliche Quote für Schüler mit einem sonderpädagogischen Bedarf. Sie lag in
den letzten Jahren konstant zwischen 3,6 und 4 Prozent. Die Mehrbelastung des
Kantons könnte durch eine Senkung des Kantonsbeitrags bei den Schülerpauschalen
der Regelschule kompensiert werden. Bei geschätzten Kosten von rund 20
Millionen würde das heute eine Senkung des Beitragssatzes von 38 auf 30 Prozent
bedeuten.
Opportun scheint das aber kaum, auch weil es den
innerkantonalen Finanzausgleich aus der Balance bringen würde. Für eine
Aufgabenbereinigung stattdessen denkbar: Bei Anordnungen der Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde könnten die gesamten Schul- und Platzierungskosten für
Schulkinder von der Sozialhilfe (und damit den Gemeinden) übernommen werden
statt nur die Platzierungskosten.
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