Nun ist es raus, das gutgehütete Geheimnis zu Alternativen
für die abgeschaffte Einführungsklasse (EK) in Riehen: Eine Option auf ein
drittes Kindergartenjahr soll entwicklungsverzögerten Kindern den Einstieg in
die Primarschule ermöglichen.
Drittes Kindergartenjahr soll's richten, bz Basel, 29.6. von Samuel Hufschmid
Gegen diese Pläne, zu denen sich der Riehener
Gemeinderat noch nicht äussern will, regt sich heftiger Widerstand. Wie die bz
am Montag berichtete, ist eine Unterschriftensammlung
für die Wiedereinführung der EK in Vorbereitung. Und in der
zuständigen Einwohnerratskommission hat sich gemäss bz-Informationen eine
Subkommission formiert, die am Montag ihre erste Sitzung hatte.
SVP-Einwohnerrat und Subkommissionspräsident Peter
A. Vogt sagt: «Persönlich halte ich ein drittes Kindergartenjahr für keine
zielführende Alternative zur Einführungsklasse. In Einzelfällen allerdings kann
dies durchaus der Fall sein und als Kommissionspräsident werde ich
selbstverständlich offene Ohren für die Befürworter haben.»
Als ehemaliger EK-Lehrer glaube er nicht, dass auf
Kindergartenstufe in Bezug auf die schulische Bildung der Kinder dasselbe
geleistet werden könne wie in einer Einführungsklasse mit spezialisierten
Lehrerinnen und Lehrern. «Der vorliegende Konzeptentwurf wirft etliche Fragen
auf, die in der Subkommission besprochen werden sollen. Und auch die
Kostenfrage soll genau durchleuchtet werden.»
Kindergärtler bleiben sitzen
Kritisch zu den Riehener Plänen äussert sich auch
der Basler Grossrat und Kadermitarbeiter im Erziehungsdepartement Thomas
Grossenbacher (Grünes Bündnis). Er sagt: «Ein drittes Kindergartenjahr als
Variante zur Einführungsklasse – das ist falsch. Die Möglichkeit des Aufschubs
des Schuleintritts macht nur Sinn, wenn diese der Reifung dienen kann. Kinder,
die jedoch bereit sind und sich auf die Schule freuen, bleiben so quasi im
Kindergarten sitzen, während ihre Gspänli eingeschult werden.»
Es sei grundsätzlich nicht nachvollziehbar, wie die
Basler Regierung den klaren Auftrag des Parlaments verschleppe und den Willen
einer überwältigenden Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ignoriere. «Solange
die Einführungsklasse, wie andere Kantone beweisen, mit dem
Sonderpädagogikkonkordat vereinbar ist, müssen wir als Volksvertreter auf
Kantonsebene weiter für diese sinnvolle Einrichtung kämpfen», sagt
Grossenbacher. Kämpfende Kantonsparlamentarier gibt es auch im Bündnerland:
Dort hat vergangenen Winter das Parlament mit 113 zu einer Stimme von der
Regierung die Wiedereinführung der EK verlangt. «Der Auftrag ist bindend, ein
entsprechender Vorschlag wird ausgearbeitet werden», sagt Dany Bazzell, Leiter
des Amts für Volksschule und Sport Graubünden.
Gar nicht erst abgeschafft, sondern normal
weitergeführt, werden die Einführungsklassen in Baselland. Aufs neue Schuljahr
steigt deren Zahl von 39 auf neu 42 Klassen, in der Kreisschule Diegten wird
sogar ein neuer EK-Standort eröffnet. «Wir sind beim Umsetzen von Reformen
vermutlich etwas zurückhaltender, weil wir ein sehr dezentrales System haben
und der Aufwand entsprechend grösser wäre», sagt Marianne Stöckli, Leiterin
Abteilung Sonderpädagogik. «Wir haben 73 Schulgemeinden, die weitgehend
selbstständig entscheiden. So gesehen ist vermutlich unser Draht zur Basis
stärker als in einem Kanton mit eher zentralistischeren Strukturen.»
Die EK sei, wie auch die Kleinklassen, weitgehend
unbestritten im Landkanton. Und dies gerade auch wegen den Kosten. «Die
Gemeinden sind sehr kostenbewusst, haben aber gemerkt, dass eine gut
ausgelastete EK weniger teuer ist als eine Regelklasse voller Kinder, die
Spezialbetreuungen brauchen», sagt Stöckli. Sie widerspricht damit dem Basler
Bildungsdirektor Conradin Cramer (LDP), der in der Montags-bz sagte, dass eine
Wiedereinführung «sehr kostenintensiv wäre» und «eine massive Einschränkung in
anderen Unterstützungsbereichen zur Folge hätte».
Obwohl Sparpotenziale und Zusatzausgaben ständig
Teil der EK-Diskussionen sind, fehlt dafür die faktische Grundlage. Öffentlich
zugängliche Statistiken zu Speziallehrkräften, die anstelle der Einführungs-
und Kleinklassen in Regelklassen unterrichten, fehlen. Simon Thiriet, Sprecher
des Erziehungsdepartements Basel-Stadt, sagt lediglich, dass grundsätzlich
keine zusätzlichen Stellen geschaffen worden seien. «Die Stellenprozente der EK
und Kleinklassen wurden in Form von Schulischer Heilpädagogik im Regelbetrieb
umgewidmet.»
Auch beim Bund gibt es keine konkreten Zahlen: Zwar
werden die Stellen schulischer Heilpädagogik seit 2015 erfasst, wie das
Bundesamt für Statistik auf Anfrage mitteilt, die mangelhafte Qualität der
Daten erlaube aber keine Publikation.
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