Jugendliche
könnten nach Abschluss der Schule immer noch keinen Kaffee in der Romandie
bestellen – das befürchten die vielen Kritiker des Französisch-Lehrmittels
«Mille Feuilles». Zumindest den Schülern der 4a der Gelterkinder
Hofmatt-Primarschule kann das kaum passieren. «Au restaurant» heisst eine Szene
des Theaterstücks, das die Zehnjährigen gestern nach zwei Jahren
Franzi-Unterricht aufführten; ausschliesslich in der Sprache Molières.
So lernen die Schüler gerne Französisch, Basellandschaftliche Zeitung, 30.6. von Michel Ecklin
Da
bestellt eine ganze Runde eine Mahlzeit, fragt, was da genau auf der Karte
stehe, verabschiedet sich, inklusive artigem «Bonjour, Monsieur!», «Que
souhaitez-vous manger?», «Merci, Madame!». Dann staunen sie über einen
Regenbogen, fragen einander über ihre Lieblingsfreizeitaktivitäten und ihre
Ferienpläne ab und meistern dabei den Zungenbrecher «En vacances en France». Da
schleicht sich schon mal eine Vergangenheitsform ein, und beim Aufzählen der
Monate und Wochentage sprudeln die Zahlen nur noch aus ihnen heraus.
Die
Dialoge des Theaterstücks haben sie zwar weitgehend auswendig gelernt. Doch
fragt man die Schüler, sagen sie einhellig: «Wir verstehen alles, was wir
sagen.» So funktioniert auch der Unterricht mit «Mille Feuilles»: Die Lehrerin
spricht möglichst viel Französisch mit der Klasse. Übersetzt wird kaum etwas, die
Kinder erraten, was gemeint ist. Und dann setzen sie die gelernten Satzfetzen
zu eigenen Sätzen zusammen. Das Lehrmittel setzt auf das Spontane, das Kindern
im Primarschulalter eigen ist. Grammatikalische Korrektheit ist dabei
zweitrangig.
Zumindest
in Spinnlers Klasse scheint dieses Konzept bestens zu funktionieren. Ein
Mädchen berichtet voller Stolz aus den Campingferien in Frankreich: «Ich durfte
selber etwas einkaufen gehen, und die Verkäuferin hat mich verstanden», sagt es
mit einem breiten Lächeln. Nach dem Stück reden einige Schüler miteinander
Franzö- sisch, andere tun das zu Hause mit den Eltern. «Französisch macht
Spass», versichert ein Junge.
Teilweise improvisiert
Das ist
wohl nicht überall so, wo mit «Mille Feuilles» unterrichtet wird. Unter den
Eltern, die gestern am Theater waren, ist klar: Dass in der 4a das umstrittene
Lehrbuch ein Erfolg geworden ist, hat viel mit der Lehrperson zu tun. Das ist
ein Lob an Annemarie Spinnler, die im Gegensatz zu anderen Lehrern keine
Berührungs- ängste mit «Mille Feuilles» hatte. Auch sie sagt, dass es Aufgabe
der Lehrperson sei, die Kinder in ihrer Spontaneität abzuholen und so die
Sprache spielerisch zu lehren. «Mit Liedern geht das sehr gut», hat sie
festgestellt. Deshalb setzt sie zusätzlich zu «Mille Feuilles» eine Musik-CD
zum Nachsingen ein. Und beim Theaterstück hätten die Kinder teilweise
improvisiert, ohne das selber zu merken; etwa wenn ein Gesprächspartner aus der
Rolle gefallen sei. Eine Sekundarschulelehrerin mit einer Tochter in der 4a hat
Respekt vor dem, was Spinnlers Schüler leisten. Das dritte und vierte Schuljahr
sei perfekt, um eine Sprache zu lernen, sagt sie. «Ob sie aber danach, wenn sie
in der Pubertät sind, noch so spontan reden, wird sich zeigen.»
Optimistisch,
dass die Kinder das Gelernte behalten, ist eine andere Mutter. Sie hat eine
Tochter in der 4a und einen zwei Jahre älteren Sohn, dem auf traditionelle
Weile Französisch beigebracht wird. «Beide sind etwa gleich weit», stellt sie
fest. Die Kritik an «Mille Feuilles» kennt sie, «aber man sollte offen sein für
Neues», findet sie.
Das war
auch die Einstellung Spinnlers, als sie mit dem neuen Lehrmittel konfrontiert
wurde. Dieses schreibe ein «Sprachbad» vor. «Als ich mit den Kindern Franzö-
sisch sprach, fing ich an, diese Sprache zu mögen», sagt sie. «Damals als
Schülerin hatte ich Französisch nicht gern.»
Da schafft es doch offenbar eine Lehrerin, ein Theaterstück vorzuführen. Grandios. Ein Stern unter all den unfähigen Französischlehrkräften. So kommt die Botschaft rüber.
AntwortenLöschenDoch wenn es um erfolgreiche Methoden zur Vermittlung von Französisch geht, ist man noch immer auf Spekulationen angewiesen, obwohl der Entscheid für Frühfremdsprachen längst gefällt wurde. Hier die Rezepte:
1. Keine Berührungsängste zum neuen Lehrmittel - offen sein für Neues.
2. Lieder singen, spielerisch lernen (was heisst das?) und generell den Plausch haben.
3. Das ist alles - das war's!
Dass man mit Hilfe von "Milles Feuilles" der Sprache Molières mächtig wird, erstaunt mich. Man wird allgemein überrascht sein, dass junge Menschen später z.B. in kaufmännischen Bereichen französisch à la Molière schreiben und sprechen werden :-)
AntwortenLöschenAndere Menschen besuchen hierfür das Theater, um sich par exemple "Le Malade imaginaire" zu Gemüte führen zu lassen.
Lieder singen, spielen von Szenen und spielerisches Lernen war schon immer Bestandteil beim Erlernen einer Sprache. Das ist nicht abhängig von einem Lehrmittel.
Am Wichtigsten ist immer noch die Freude und Kompetenz der Lehrperson, einen Stoff so für die Kinder aufzubereiten, dass deren Lernlust erhalten bleibt.
Hier versteht es eine Lehrerin die Kinder zu begeistern. Eigentlich müsste es heissen, trotz Mille-Feuilles. Denn in Mille-Feuilles sind ja alltagsnahe Themen nicht vorgesehen.
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