«Sie schimpfen.» «Sie
mischen sich ein und wissen alles besser. Und sie sind frech!» Mit einem Ohr
nehme ich auf, was neben mir in einer Dreiergruppe am Spielfeldrand diskutiert
wird. Wir verfolgen ein Fussballspiel der C-Junioren – die einen aufmerksam,
die anderen etwas weniger. Die Mannschaft, in der mein Sohn spielt, liegt
hinten, doch die Jugendlichen kämpfen, das Spiel ist spannend.
Wir Eltern sind also das Problem, Tages Anzeiger, Mamablog, 9.5. von Gabriela Braun
«Sie werden immer schlimmer»
«Vor allem in
den letzten Jahren ist es schlimm geworden», sagt die eine Frau weiter. «Sie
lassen gegenüber Lehrern wirklich jeglichen Respekt vermissen.» Der Mann in der
Runde bestätigt: An den öffentlichen Schulen sei ihr Verhalten bereits heftig –
aber an den privaten noch viel heftiger. «Sie grillen die Lehrer geradezu.» Und
sagt: An Elterngesprächen würden Mütter und Väter ja bereits ihre Laptops
aufklappen und das Gespräch protokollieren und dokumentieren, jedes Wort müsse
man auf die Goldwaage legen. «Sie werden echt immer schlimmer, die Eltern.»
Die Eltern? Ich
schaue mich um, irritiert – und wende mich der Gruppe zu. Es entsteht ein
kurzes Gespräch, indem die Pädagogen – selbst Eltern von Teenagern –
bestätigen, was man oft hört und liest: wie sich Lehrer heute für Hausaufgaben,
einzelne Noten und Unterrichtsstil rechtfertigen müssten. Wie Eltern
aufschreien, wenn ihr Kind nicht fürs Gymnasium empfohlen wird. Wie Konflikte
an Schulen mit Eltern in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben – und
Streitereien oft so heftig seien, dass sich Anwälte darum kümmerten.
Eltern,
die Aufsätze schreiben und Aufgaben lösen
Das alles
klingt fürwahr schlimm. Und man beginnt sich augenblicklich zu fragen, ob die
Eltern – oder vielmehr wir Eltern – tatsächlich das Augenmass verloren haben.
Ob wir, was unsere Schulkinder angeht, übertreiben. Dabei erinnere ich mich an
den einen Elternabend der zweiten Primarschule, an welchem eine Mutter fragte,
wie die Lehrerin die Kinder fit für das Gymnasium machen werde. Ich erinnere
mich an die vielen Gespräche unter Müttern, in denen sie (vor ihren Kindern)
Lehrerinnen und Lehrer als top oder flop kategorisierten. Daran, wie gewisse
Eltern versuchten, im Verborgenen einen Komplott gegen eine junge Lehrerin zu
schmieden, statt den offiziellen Weg zu gehen. Ich kenne Eltern, die Aufsätze für ihre Kinder schreiben, Zeichnungen malen und
Matheaufgaben lösen, damit ihre Kinder gute Noten erhalten.
Solche Eltern
gibt es also durchaus. Sie gelten als mühsam, kritisch und renitent, und sie
sind für Lehrer und Schulleiter sicherlich anstrengend.
Doch Tatsache
ist auch: Längst nicht alle Eltern verhalten sich so. Die meisten Mütter und
Väter, die mir bekannt sind, sind froh, wenn sie nicht allzu viel mit der
Schule und der Lehrperson zu schaffen haben; denn das heisst in der Regel: Es
läuft gut. Weshalb also die vielen negativen Stimmen gegenüber Eltern? Dieses
Elternbashing, nonstop?
So
soll es besser werden
Als Grund für
das vermehrte Einmischen von Eltern nennt Jürg Brühlmann, Bildungsexperte des
Lehrerverbands, die Wirtschaftskrise 2008 und die digitale Entwicklung. «Viele
Eltern fürchten um die Zukunft ihrer Kinder», sagte er Ende April in einem Artikel der
«Schweiz am Wochenende». Zudem seien die Eltern anspruchsvoller geworden, und
sie hätten weniger Hemmungen, ihrem Unmut freien Lauf zu lassen.
Deshalb hat der
Schweizer Lehrerverband nun ein neues Positionspapier für die Zusammenarbeit
zwischen Schulen und Eltern erarbeitet. Zu den wichtigsten Punkten gehört die
Gründung einer unabhängigen Ombudsstelle, damit Konflikte nicht eskalieren und
vor Gericht enden. Eine weitere Forderung betrifft die Ausbildung der
angehenden Lehrer: Elterngespräche sollen zum Pflichtfach werden – die
Pädagogischen Hochschulen müssten künftig die Kommunikation mit Eltern als
zentrales Element in die Ausbildung aufnehmen.
Wer
macht hier seine Hausaufgaben nicht?
Diese
Vorgehensweise mag richtig erscheinen und löblich sein, allerdings erstaunt sie
auch: Das heisst also, dass Elterngespräche bislang während der
Lehrerausbildung vernachlässigt wurden – die Lehrer ihre Hausaufgaben nicht
gemacht haben. Das verblüfft, weil Lehrer bei ihrer Arbeit täglich mit
Minderjährigen zu tun haben und deren Mütter und Väter für sie die offiziellen
Ansprechpersonen sind. Selbstverständlich sollte dabei die Kommunikation mit
Eltern wichtig sein, alles andere ist nicht zeitgemäss.
Weiss sich ein
Lehrer oder eine Lehrerin gegenüber Müttern und Vätern klar auszudrücken und zu
positionieren, können auch Missstände benannt und Missverständnisse ausgeräumt
werden. Und genau darum geht es doch bei Streitigkeiten zwischen Eltern und
Lehrern meist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen